Weintraub: Bonjour. Also, was Herr Heinemann sagt, war mehr als eine Reportage, ich weiß nicht, was ich hinzufügen könnte, eine richtige Doktorarbeit.
Heinlein: Dennoch muss ich Sie fragen: hat Ariel Sharon recht mit seiner Bemerkung, ist Frankreich ein antisemitisches Land?
Weintraub: Nein. Er hat es auch nicht gesagt. Er sagte, es herrscht Antisemitismus, es gibt antisemitische Vorurteile, Übergriffe und eine ganze Atmosphäre hier, die schlecht ist, aber antisemitisches Land, nein. Frankreich war ein antisemitisches Land zwischen 1940 und 1944, Zeit des Krieges, Vichy-Regierung, die deutsche Besatzung. Wie kann man von einem Land sagen, dass es antisemitisch ist? Nur wenn es antisemitische Gesetze, Regierung und Vorkehrungen gibt. Und das ist alles nicht der Fall, ganz im Gegenteil. Heute - und das hat auch Scharon in seiner Ansprache gesagt - dass man Verschiedenes unternimmt, dass die Regierung den Antisemitismus und andere Formen von Rassismus bekämpft, ist alles wahr.
Heinlein: Aber er hat Ihre jüdischen Landsleute direkt zur Ausreise aufgerufen. Welche Motive vermuten Sie dahinter, warum hat er das in dieser deutlichen Form gesagt?
Weintraub: Hauptmotiv ist Zionismus und der besagt seit hundert Jahren, dass Juden nach Israel ziehen sollen. Es ist eben ein zionistischer Ministerpräsident, vielleicht ist es der letzte, vielleicht ist es eine Sache der Generation, vielleicht wird es der folgende nicht so sagen, aber für diesen, also Scharon, ist es klar und liegt auf der Hand, dass wenn die Juden irgendwo in einer Lage leben, wo sie Gefahren ausgesetzt sind, dann gibt es nur eine Lösung: nach Israel. Was da geschehen ist kann ich noch immer nicht begreifen. Da entstand irgendwo ein Sturm und es ging alles sehr schnell und war so wie Tennis, aber Politik ist nicht Tennis. Man schickte den Ball hin und zurück, hin und zurück. Wir leben in einer Zeit, wo die Politiker wahnsinnig nervös geworden sind.
Heinlein: Und dieser Zionismus von Ariel Scharon führt dann dazu, dass er bewusst Öl ins Feuer gießt, wie ein Kollege von Ihnen sagte. Hat er bewusst diesen Affront gesucht?
Weintraub: Wenn ich mir einen Scherz erlauben kann: wenn Israel Öl hätte, wäre die ganze Lage anders. Nein, nein, er goss kein Öl, das hat einer meiner Kollegen hier gesagt, Öl ins Feuer. Haben Sie den Film gesehen von dieser ganzen Sache? Das war so eine Sitzung mit amerikanischen Organisationen und eine Frage wurde gestellt über die Juden in Frankreich und sie wurde auf diese Art und Weise beantwortet, ziemlich delikat, sagen wir, denn er sagte, ich würde einen Rat geben oder empfehlen, meinen jüdischen Brüdern in Frankreich, also Leute, Juden, die mit Israel nichts zu tun haben wollen - und es gibt solche - die hat er nicht gemeint. Er sprach von seinen Brüdern.
Heinlein: Sie sagen, es seien nur zionistische Motive, man könnte nun auch sagen, es stecken vielleicht politische dahinter, denn Paris, die französische Regierung, pflegt ja sehr enge und spezielle Kontakte zu den arabischen Ländern.
Weintraub: Ja, richtig, das spielte da eine Rolle, ganz selbstverständlich. Scharon war ziemlich böse und verärgert, als der französische Außenminister da war und Arafat besuchte und sogar in Ramallah übernachtete. Das war schon ein bisschen viel. Gut, dann hat er diese Gelegenheit wahrgenommen, um ein bisschen abzurechnen, das steht fest.
Heinlein: Steht es einem israelischen Ministerpräsidenten zu, zu richten über französische Außenpolitik?
Weintraub: Jeder hat seine Persönlichkeit und Art, er hat sich nie selbst als Diplomaten bezeichnet. Der Judenstaat ist eben da, um eine Zufluchstätte zu sein für diejenigen Juden, die sich irgendwoanders schlecht oder bedroht fühlen. Zionismus ist nicht einfach eine Theorie, es ist noch immer der Eckpfeiler des Judenstaates Israel.
Heinlein: Wenn Sie das so sehen, müssten Sie doch Ihren Mitgliedern des CRIF ebenfalls empfehlen, Ihr Heimatland zu verlassen, aus Frankreich auszureisen in Richtung Israel.
Weintraub: Nein. Was hier geschehen ist, der Präsident des CRIF ist gegenwärtig in den Vereinigten Staaten und die anderen haben sich ziemlich kritisch geäußert. Das jüdische Establishment in Frankreich hat da mit dem französischen Establishment mitgespielt. Man hat das nicht richtig gefunden den je nachdem, wer gesprochen hat, war man mehr oder weniger scharf. Ich war vielleicht eine Ausnahmen, ich haben gesagt, dass es strukturell begründet ist, was er gesagt hat, weil es die Sache selbst des Zionismus oder des jüdischen Staates ist. Vielleicht war es konjunkturell ungeschickt, vielleicht war es nicht der richtige Moment, es zu sagen. Aber mit dem richtigen Moment in der Geschichte, das ist schon so etwas. Als zum 50. Jahrestag der Kristallnacht der Präsident des Bundestages Sachen sagte, die von sehr großer Bedeutung und sehr richtig waren über die Entwicklung des Nationalsozialismus, musste er später gehen und man sagte ihm, was er gesagt hat, war richtig, aber es war nicht der richtige Moment.
Heinlein: Das war Emmanuel Weintraub, er ist Exekutivmitglied im CRIF, das ist in etwa das französische Pendant zum Zentralrat der Juden in Deutschland. Merci und au revoir nach Paris.
Weintraub: Auf Wiederhören.
Heinlein: Dennoch muss ich Sie fragen: hat Ariel Sharon recht mit seiner Bemerkung, ist Frankreich ein antisemitisches Land?
Weintraub: Nein. Er hat es auch nicht gesagt. Er sagte, es herrscht Antisemitismus, es gibt antisemitische Vorurteile, Übergriffe und eine ganze Atmosphäre hier, die schlecht ist, aber antisemitisches Land, nein. Frankreich war ein antisemitisches Land zwischen 1940 und 1944, Zeit des Krieges, Vichy-Regierung, die deutsche Besatzung. Wie kann man von einem Land sagen, dass es antisemitisch ist? Nur wenn es antisemitische Gesetze, Regierung und Vorkehrungen gibt. Und das ist alles nicht der Fall, ganz im Gegenteil. Heute - und das hat auch Scharon in seiner Ansprache gesagt - dass man Verschiedenes unternimmt, dass die Regierung den Antisemitismus und andere Formen von Rassismus bekämpft, ist alles wahr.
Heinlein: Aber er hat Ihre jüdischen Landsleute direkt zur Ausreise aufgerufen. Welche Motive vermuten Sie dahinter, warum hat er das in dieser deutlichen Form gesagt?
Weintraub: Hauptmotiv ist Zionismus und der besagt seit hundert Jahren, dass Juden nach Israel ziehen sollen. Es ist eben ein zionistischer Ministerpräsident, vielleicht ist es der letzte, vielleicht ist es eine Sache der Generation, vielleicht wird es der folgende nicht so sagen, aber für diesen, also Scharon, ist es klar und liegt auf der Hand, dass wenn die Juden irgendwo in einer Lage leben, wo sie Gefahren ausgesetzt sind, dann gibt es nur eine Lösung: nach Israel. Was da geschehen ist kann ich noch immer nicht begreifen. Da entstand irgendwo ein Sturm und es ging alles sehr schnell und war so wie Tennis, aber Politik ist nicht Tennis. Man schickte den Ball hin und zurück, hin und zurück. Wir leben in einer Zeit, wo die Politiker wahnsinnig nervös geworden sind.
Heinlein: Und dieser Zionismus von Ariel Scharon führt dann dazu, dass er bewusst Öl ins Feuer gießt, wie ein Kollege von Ihnen sagte. Hat er bewusst diesen Affront gesucht?
Weintraub: Wenn ich mir einen Scherz erlauben kann: wenn Israel Öl hätte, wäre die ganze Lage anders. Nein, nein, er goss kein Öl, das hat einer meiner Kollegen hier gesagt, Öl ins Feuer. Haben Sie den Film gesehen von dieser ganzen Sache? Das war so eine Sitzung mit amerikanischen Organisationen und eine Frage wurde gestellt über die Juden in Frankreich und sie wurde auf diese Art und Weise beantwortet, ziemlich delikat, sagen wir, denn er sagte, ich würde einen Rat geben oder empfehlen, meinen jüdischen Brüdern in Frankreich, also Leute, Juden, die mit Israel nichts zu tun haben wollen - und es gibt solche - die hat er nicht gemeint. Er sprach von seinen Brüdern.
Heinlein: Sie sagen, es seien nur zionistische Motive, man könnte nun auch sagen, es stecken vielleicht politische dahinter, denn Paris, die französische Regierung, pflegt ja sehr enge und spezielle Kontakte zu den arabischen Ländern.
Weintraub: Ja, richtig, das spielte da eine Rolle, ganz selbstverständlich. Scharon war ziemlich böse und verärgert, als der französische Außenminister da war und Arafat besuchte und sogar in Ramallah übernachtete. Das war schon ein bisschen viel. Gut, dann hat er diese Gelegenheit wahrgenommen, um ein bisschen abzurechnen, das steht fest.
Heinlein: Steht es einem israelischen Ministerpräsidenten zu, zu richten über französische Außenpolitik?
Weintraub: Jeder hat seine Persönlichkeit und Art, er hat sich nie selbst als Diplomaten bezeichnet. Der Judenstaat ist eben da, um eine Zufluchstätte zu sein für diejenigen Juden, die sich irgendwoanders schlecht oder bedroht fühlen. Zionismus ist nicht einfach eine Theorie, es ist noch immer der Eckpfeiler des Judenstaates Israel.
Heinlein: Wenn Sie das so sehen, müssten Sie doch Ihren Mitgliedern des CRIF ebenfalls empfehlen, Ihr Heimatland zu verlassen, aus Frankreich auszureisen in Richtung Israel.
Weintraub: Nein. Was hier geschehen ist, der Präsident des CRIF ist gegenwärtig in den Vereinigten Staaten und die anderen haben sich ziemlich kritisch geäußert. Das jüdische Establishment in Frankreich hat da mit dem französischen Establishment mitgespielt. Man hat das nicht richtig gefunden den je nachdem, wer gesprochen hat, war man mehr oder weniger scharf. Ich war vielleicht eine Ausnahmen, ich haben gesagt, dass es strukturell begründet ist, was er gesagt hat, weil es die Sache selbst des Zionismus oder des jüdischen Staates ist. Vielleicht war es konjunkturell ungeschickt, vielleicht war es nicht der richtige Moment, es zu sagen. Aber mit dem richtigen Moment in der Geschichte, das ist schon so etwas. Als zum 50. Jahrestag der Kristallnacht der Präsident des Bundestages Sachen sagte, die von sehr großer Bedeutung und sehr richtig waren über die Entwicklung des Nationalsozialismus, musste er später gehen und man sagte ihm, was er gesagt hat, war richtig, aber es war nicht der richtige Moment.
Heinlein: Das war Emmanuel Weintraub, er ist Exekutivmitglied im CRIF, das ist in etwa das französische Pendant zum Zentralrat der Juden in Deutschland. Merci und au revoir nach Paris.
Weintraub: Auf Wiederhören.