Gerd Breker: Nach drei Wochen Koalitionsverhandlungen wollen Union und FDP heute den endgültigen Durchbruch schaffen. Die Spitzenrunde trifft sich am Nachmittag zum voraussichtlich letzten Mal in Berlin. Spätestens morgen soll das rund 250 Seiten starke Vertragswerk stehen. Bis dahin müssen dann allerdings auch noch die Ministerposten zwischen CDU/CSU und FDP verteilt sein. Heute früh konnte man sich erst einmal in Sachen Gesundheitspolitik einigen. Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem Politikwissenschaftler Gerd Langguth. Guten Tag, Herr Langguth.
Gerd Langguth: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Nach dem schwarz-gelben Schattenhaushalt für die Sozialversicherungen, der uns ja angepriesen wurde als Stein der Weisen, der dann im Lichte der harschen Kritik wieder begraben werden musste, war die Rede von einem Fehlstart. Herr Langguth, wenn Sie die Koalitionsverhandlungen in einer ersten Einschätzung bewerten, war das ein Fehlstart?
Langguth: Das mit dem Schattenhaushalt, diese sogenannten schattigen Tage, das war in der Tat ein Fehlstart. Man darf ja nicht unterschätzen, dass gerade die Frage der Finanzierung, wie bringt man die Steuern zusammen und wie führt man sie auch gerecht zusammen und wie macht man die Dinge haushalterisch, natürlich ein Kernproblem dieser neuen Regierung sein muss, gerade wenn man das Wahlprogramm ansieht und gerade wenn es immer heißt, die bürgerlichen Parteien können besser mit dem Geld umgehen, oder jedenfalls reklamieren sie das ja für sich. Andererseits sind sie ja jetzt gestoppt worden und das zeigt doch, dass sich auch eine gewisse Weisheit gelegentlich, wenn auch mit Verspätung durchsetzt.
Generell kann man aber nicht sagen, dass die Koalitionsverhandlungen etwa in einer unfreundlichen Atmosphäre stattgefunden hätten. Es gab ja auch eine ganze Reihe interessanter Entscheidungen und die Regierung, die neue, kann nur hoffen, dass dieses Thema des Schattenhaushaltes möglichst bald vergessen wird.
Breker: Die Koalitionsverhandlungen, wenn wir darauf einen Blick werfen, Herr Langguth, sie hatten auch irgendetwas von einer Inszenierung. Informationen werden lanciert, gleichsam wie Versuchsballons, und je nach Reaktion wieder zurückgenommen oder weiterverfolgt.
Langguth: Ja. Die gesamten Koalitionsverhandlungen sind natürlich eine große Inszenierung. Das war aber früher immer schon der Fall. Dann treten die Generalsekretäre vor die Presse, sagen dann meistens ziemlich Nichtssagendes. Das gehört aber irgendwie dazu. Und ich glaube übrigens auch schon, weil Sie eben die Frage gestellt haben, wer wird der künftige Finanzminister: Letztlich ist die Frage der Personalentscheidung schon längst entschieden bei den drei Parteichefs, auf die es in dieser Frage ankommt. Nur die haben gute Gründe dafür, dass sie diese Information erst zum Schluss rauslassen, weil sie auch die einzelnen Kandidaten noch ganz gerne zappeln lassen wollen.
Breker: Wenn wir uns die Verhandlungen anschauen und hinter die Kulissen schauen, Herr Langguth, dann haben wir doch den Eindruck, da ist wirklich unsere Bundeskanzlerin, so wie wir sie kennen. Sie wartet ab, sie zögert, schaut, wie die Reaktionen sind, und dann erst entscheidet sie.
Langguth: Ja, aber das ist der gute alte Stil, wenn Sie so wollen, den auch Helmut Kohl gepflegt hat, den auch übrigens andere Kanzler gepflegt haben, weil ja immer die Frage des Prestiges dabei mit eine Rolle spielt. Wenn ein Kanzler zu sehr sich für ein Thema exponiert und damit nicht durchkommt, dann können daraus große Probleme sein. Zum Beispiel die Frage des Gesundheitsfonds: Da hat ja Merkel, als sie Kanzlerin war, mit ihrem ganzen Gewicht als Kanzlerin zusammen mit Ulla Schmidt diesen Gesundheitsfonds durchgepaukt gegen eine starke Strömung in der eigenen Fraktion, auch gegen eine starke Strömung in der SPD-Fraktion. Jetzt hat sie, wenn Sie so wollen, natürlich ein Stück weit den Salat, weil sie muss ja diesen Gesundheitsfonds weiterhin für gut halten, und deswegen hat man sich ja auch geeinigt in Sachen Gesundheitspolitik, den erst einmal so bestehen zu lassen. Das heißt, die gute alte Regel ist: Erst mal abwarten, ein Stück weit zu moderieren und dann am Endpunkt eines jeweils spezifischen Entscheidungsprozesses zu sagen, so machen wir es, und das Motto zu suggerieren, das habe ich immer schon so gewollt.
Breker: Die erwünschte, die erhoffte sogenannte bürgerliche Mehrheit ist da. Schwarz-Gelb hat den Regierungsauftrag. Aber hat sie auch den Reformauftrag, den der Wähler damit meinte, verstanden?
Langguth: Ja, sie hat den Reformauftrag, obwohl es natürlich so ist: Alle Wähler wollen gerne, dass reformiert wird, nur nicht in den Bereichen, die sie selber betreffen. Deswegen wird die neue Regierung gar nicht so kraftvoll reformieren können, weil sie ja auch erst mal mit Versprechungen beginnt. Merkel wird versuchen, das soziale Herz, das sie ja in der Regierungszeit als Kanzlerin entdeckt hat, auch entsprechend umzusetzen, fast sogar manches Mal als Schutzpatronin der deutschen Gewerkschaften zu erscheinen. Denken Sie mal daran, dass sie schon sehr frühzeitig gesagt hat, es wird beim Thema Mitbestimmung keine Änderung geben, oder beim Kündigungsschutz und so weiter. Merkel wird die soziale Dimension sehr viel stärker betonen. Man wird versuchen, weiterhin der SPD den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ja, und die FDP wird mehr die marktwirtschaftliche Komponente vertreten und das funktioniert ja vielleicht dann auch.
Breker: Kann man denn dann auch überhaupt so was wie einen Politikwechsel erkennen?
Langguth: Es wird sicherlich schon ein Politikwechsel stattfinden. Man wird versuchen, die Leistungsträger in der Gesellschaft mehr zu motivieren. Das wird man machen. Zum Beispiel in Sachen Bildungspolitik macht man mal was Interessantes, dass man ein Stipendienprogramm für besonders - und zwar aus allen Schichten kommende - besonders motivierte und auch gute Studenten schafft. Man versucht auch, Schwerpunkte zu schaffen, indem man sagt, es wird meinetwegen überall gespart, nur nicht im Bereich der Bildungspolitik. Das muss sich dann natürlich auch in der Praxis der neuen Regierung durchsetzen. Es werden schon ein paar Akzente gesetzt werden, aber es wird auch deswegen teilweise ein kraftvolles Weiter-so sein, weil einfach die Haushaltssituation über allem steht.
Gerd Langguth: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Nach dem schwarz-gelben Schattenhaushalt für die Sozialversicherungen, der uns ja angepriesen wurde als Stein der Weisen, der dann im Lichte der harschen Kritik wieder begraben werden musste, war die Rede von einem Fehlstart. Herr Langguth, wenn Sie die Koalitionsverhandlungen in einer ersten Einschätzung bewerten, war das ein Fehlstart?
Langguth: Das mit dem Schattenhaushalt, diese sogenannten schattigen Tage, das war in der Tat ein Fehlstart. Man darf ja nicht unterschätzen, dass gerade die Frage der Finanzierung, wie bringt man die Steuern zusammen und wie führt man sie auch gerecht zusammen und wie macht man die Dinge haushalterisch, natürlich ein Kernproblem dieser neuen Regierung sein muss, gerade wenn man das Wahlprogramm ansieht und gerade wenn es immer heißt, die bürgerlichen Parteien können besser mit dem Geld umgehen, oder jedenfalls reklamieren sie das ja für sich. Andererseits sind sie ja jetzt gestoppt worden und das zeigt doch, dass sich auch eine gewisse Weisheit gelegentlich, wenn auch mit Verspätung durchsetzt.
Generell kann man aber nicht sagen, dass die Koalitionsverhandlungen etwa in einer unfreundlichen Atmosphäre stattgefunden hätten. Es gab ja auch eine ganze Reihe interessanter Entscheidungen und die Regierung, die neue, kann nur hoffen, dass dieses Thema des Schattenhaushaltes möglichst bald vergessen wird.
Breker: Die Koalitionsverhandlungen, wenn wir darauf einen Blick werfen, Herr Langguth, sie hatten auch irgendetwas von einer Inszenierung. Informationen werden lanciert, gleichsam wie Versuchsballons, und je nach Reaktion wieder zurückgenommen oder weiterverfolgt.
Langguth: Ja. Die gesamten Koalitionsverhandlungen sind natürlich eine große Inszenierung. Das war aber früher immer schon der Fall. Dann treten die Generalsekretäre vor die Presse, sagen dann meistens ziemlich Nichtssagendes. Das gehört aber irgendwie dazu. Und ich glaube übrigens auch schon, weil Sie eben die Frage gestellt haben, wer wird der künftige Finanzminister: Letztlich ist die Frage der Personalentscheidung schon längst entschieden bei den drei Parteichefs, auf die es in dieser Frage ankommt. Nur die haben gute Gründe dafür, dass sie diese Information erst zum Schluss rauslassen, weil sie auch die einzelnen Kandidaten noch ganz gerne zappeln lassen wollen.
Breker: Wenn wir uns die Verhandlungen anschauen und hinter die Kulissen schauen, Herr Langguth, dann haben wir doch den Eindruck, da ist wirklich unsere Bundeskanzlerin, so wie wir sie kennen. Sie wartet ab, sie zögert, schaut, wie die Reaktionen sind, und dann erst entscheidet sie.
Langguth: Ja, aber das ist der gute alte Stil, wenn Sie so wollen, den auch Helmut Kohl gepflegt hat, den auch übrigens andere Kanzler gepflegt haben, weil ja immer die Frage des Prestiges dabei mit eine Rolle spielt. Wenn ein Kanzler zu sehr sich für ein Thema exponiert und damit nicht durchkommt, dann können daraus große Probleme sein. Zum Beispiel die Frage des Gesundheitsfonds: Da hat ja Merkel, als sie Kanzlerin war, mit ihrem ganzen Gewicht als Kanzlerin zusammen mit Ulla Schmidt diesen Gesundheitsfonds durchgepaukt gegen eine starke Strömung in der eigenen Fraktion, auch gegen eine starke Strömung in der SPD-Fraktion. Jetzt hat sie, wenn Sie so wollen, natürlich ein Stück weit den Salat, weil sie muss ja diesen Gesundheitsfonds weiterhin für gut halten, und deswegen hat man sich ja auch geeinigt in Sachen Gesundheitspolitik, den erst einmal so bestehen zu lassen. Das heißt, die gute alte Regel ist: Erst mal abwarten, ein Stück weit zu moderieren und dann am Endpunkt eines jeweils spezifischen Entscheidungsprozesses zu sagen, so machen wir es, und das Motto zu suggerieren, das habe ich immer schon so gewollt.
Breker: Die erwünschte, die erhoffte sogenannte bürgerliche Mehrheit ist da. Schwarz-Gelb hat den Regierungsauftrag. Aber hat sie auch den Reformauftrag, den der Wähler damit meinte, verstanden?
Langguth: Ja, sie hat den Reformauftrag, obwohl es natürlich so ist: Alle Wähler wollen gerne, dass reformiert wird, nur nicht in den Bereichen, die sie selber betreffen. Deswegen wird die neue Regierung gar nicht so kraftvoll reformieren können, weil sie ja auch erst mal mit Versprechungen beginnt. Merkel wird versuchen, das soziale Herz, das sie ja in der Regierungszeit als Kanzlerin entdeckt hat, auch entsprechend umzusetzen, fast sogar manches Mal als Schutzpatronin der deutschen Gewerkschaften zu erscheinen. Denken Sie mal daran, dass sie schon sehr frühzeitig gesagt hat, es wird beim Thema Mitbestimmung keine Änderung geben, oder beim Kündigungsschutz und so weiter. Merkel wird die soziale Dimension sehr viel stärker betonen. Man wird versuchen, weiterhin der SPD den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ja, und die FDP wird mehr die marktwirtschaftliche Komponente vertreten und das funktioniert ja vielleicht dann auch.
Breker: Kann man denn dann auch überhaupt so was wie einen Politikwechsel erkennen?
Langguth: Es wird sicherlich schon ein Politikwechsel stattfinden. Man wird versuchen, die Leistungsträger in der Gesellschaft mehr zu motivieren. Das wird man machen. Zum Beispiel in Sachen Bildungspolitik macht man mal was Interessantes, dass man ein Stipendienprogramm für besonders - und zwar aus allen Schichten kommende - besonders motivierte und auch gute Studenten schafft. Man versucht auch, Schwerpunkte zu schaffen, indem man sagt, es wird meinetwegen überall gespart, nur nicht im Bereich der Bildungspolitik. Das muss sich dann natürlich auch in der Praxis der neuen Regierung durchsetzen. Es werden schon ein paar Akzente gesetzt werden, aber es wird auch deswegen teilweise ein kraftvolles Weiter-so sein, weil einfach die Haushaltssituation über allem steht.