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Schau mir in den Glaskörper!

Pathologie. - Der Todeszeitpunkt ist für Kriminologen ebenso wichtig wie die Todesursache. Spanische Forscher haben aus der Zersetzungsrate des Glaskörpers im Auge eine exakte Bestimmungsmethode entwickelt.

Von Michael Böddeker | 12.06.2009
    Der Ort des Verbrechens ist eindeutig, die Tatzeit nach dem Blick in den Glaskörper auch.
    Der Ort des Verbrechens ist eindeutig, die Tatzeit nach dem Blick in den Glaskörper auch. (Stock.XCHNG / Nate Nolting)
    Im Inneren des menschlichen Auges befindet sich der durchsichtige Glaskörper. Das Licht durchquert ihn auf dem Weg von der Linse bis zur Netzhaut. Sein Hauptbestandteil ist Wasser, Proteine sorgen für eine gelartige Konsistenz des Glaskörpers. Für den spanischen Rechtsmediziner José Barus aber sind ganz andere Stoffe darin interessant.

    "Nach dem Tod verändern sich im Glaskörper die Konzentrationen bestimmter Stoffe. Die von Kalium etwa, einem geladenen Teilchen. Auch die Konzentration von Hypoxanthin, einem Abbauprodukt der DNA, steigt an, und zwar abhängig von der Zeit, die seit dem Tod vergangen ist."

    Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern der Universität Santiago de Compostela hat José Barus diese Konzentrationsänderungen an über 200 Glaskörper-Proben von Leichen untersucht, bei denen der Todeszeitpunkt bekannt war. Auf der Grundlage dieser Daten hat er ein mathematisches Modell entwickelt.

    "Die Konzentration von Harnstoff, einem weiteren Stoffwechselprodukt, sagt uns, wie hoch die Kaliumkonzentration zum Todeszeitpunkt war. Daraus, wie stark sie sich seitdem geändert hat, können wir recht präzise die Zeit berechnen, die seit dem Tod vergangen ist."

    Bisherige Modelle waren fälschlicherweise noch davon ausgegangen, dass sich die Konzentrationen der Stoffwechselprodukte über die Zeit ganz gleichmäßig verändern. Aber das ist nicht der Fall. Die Konzentrationsänderungen folgen vielmehr den mathematischen Gleichungen, die José Barus beschreibt. Für die Analyse werden nur wenige Tropfen Glaskörperflüssigkeit benötigt. Die Untersuchung selbst sei schnell, einfach, und könne praktisch überall durchgeführt werden, sagt der spanische Forscher. Aus den Messdaten wird mithilfe des mathematischen Modells der Todeszeitpunkt berechnet. Im besten Fall kann dieser bis auf wenige Minuten genau bestimmt werden. Noch zwei Tage nach dem Tod ist dies möglich.

    "Unsere Methode ist genauer als alle anderen Verfahren, die es heute gibt. Allerdings hängt die Genauigkeit auch stark vom Zustand der Leiche ab, und kann daher auch sehr unterschiedlich sein."

    Eingesetzt werden könne die Methode umgehend.

    "Das Verfahren ist bereits verfügbar. Es wird der Kriminalpolizei sowie Forensikern und Pathologen weltweit eine große Hilfe sein."