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Schaulaufen in Singapur

Am Rande der ersten Olympischen Jugendspiele in Singapur nehmen Lobbyisten die IOC-Mitglieder in Beschlag - die Winterspiele 2018 sind das Objekt der Begierde. Münchens Bewerbung könnte gar die mögliche Inthronisierung des Deutschen Thomas Bach als IOC-Präsident beeinflussen.

Von Jens Weinreich | 18.08.2010
    Eigentlich hieß es bis vor Kurzem noch, IOC-Präsident Jacques Rogge wünsche keine großen Auftritte der Olympiabewerber in Singapur. Doch bei den Olympischen Jugendspielen sind die Interessenten für die Winterspiele 2018 doch wieder dabei: Pyeongchang (Südkorea), München und Annecy (Frankreich).

    Jens Weinreich hat sie beobachtet und gibt einen Überblick über die internationale Lage – ein dreiviertel Jahr vor der IOC-Entscheidung im Juli 2011 in Durban.


    Ginge es nach dem größten Aufgebot an Lobbyisten, stünde der Austragungsort der Winterspiele 2018 fest. Es wäre Pyeongchang. Platz zwei ginge an München, abgeschlagener Letzter wäre das französische Annecy. Edgar Grospiron, Bewerberchef Annecys und 1992 erster Olympiasieger auf der Buckelpiste, ist technisch chic ausgestattet. Er sitzt mit seiner japanischen Assistentin tagelang in der Chihuly Lounge des Nobelhotels Ritz-Carlton von Singapur und präsentiert Annecys Vorzüge auf einem iPad.
    München logiert im Mandarin Oriental nebenan und bearbeitet die Zielpersonen im Ritz zeitweise mit einem Dutzend Leuten. Zahlenmäßig werden die Deutschen wieder von den Koreanern übertroffen. Deren Bewerberchef Cho Yang-Ho, Chef von Korean Air, ist zwar schon wieder daheim. Doch NOK-Präsident Park Yong-Sung, der einst wegen Korruption aus dem IOC scheiden musste, nimmt die Sache selbst in die Hand.

    Die Koreaner bevorzugen eine Art Überfalltaktik. Vorzugsweise arbeiten sie in den Hotelsuiten, doch wenn IOC-Mitglieder in größerer Zahl etwa zu dinieren gedenken oder Termine wahrnehmen, wie die Gedenkfeier für den verstorbenen IOC-Ehrenpräsidenten Juan Antonio Samaranch, tauchen sie aus allen Richtungen in Dreier- oder Vierergruppen auf. Keiner kann ihnen entkommen.
    Der wachsende Widerstand in bayerischen Gemeinden und München wird im IOC noch nicht groß thematisiert. So etwas spielt erfahrungsgemäß erst in den letzten Monaten einer Bewerbung eine Rolle – abgestimmt wird am 6. Juli 2011.

    Interessanter sind derzeit andere sportpolitische Konstellationen. Etwa eine mögliche Olympia-Offerte von St. Moritz für 2022. Swiss Olympic wertet gerade den Bericht einer Arbeitsgruppe aus. Gian-Franco Kasper, Präsident des Ski-Weltverbandes (FIS) spricht bereits von einer Kandidatur: "Aber nur, wenn die Spiele 2018 nicht nach München gehen." Welchen Grund sollte es also für die fünf Schweizer IOC-Mitglieder geben, 2011 in Durban für München zu stimmen? Sie würden damit die Bewerbung von St. Moritz beerdigen, weil die Winterspiele kaum zweimal (Sotschi 2014, München 2018), aber schon gar nicht dreimal in Folge (St. Moritz 2022) nach Europa kämen.

    Es ist noch komplizierter, auch das europäische Interesse (etwa Rom) für die Sommerspiele 2020 will beachtet werden. Zwar will sich niemand zitieren lassen, doch inoffiziell sagen viele IOC-Mitglieder: Zwei deutsche Siege gehen nicht, das IOC wird nie erst München küren und zwei Jahre später Bach zum Präsidenten und Rogge-Nachfolger wählen. Im Grunde hat sich an dieser Konstellation seit Bewerbungsbeginn nichts geändert: Pyeongchang ist Favorit. Geht die Goldmedaille nach Pyeongchang, ist Bachs IOC-Präsidentschaft nach jetzigem Stand so gut wie sicher.