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Schauspielerin Dorothy Dandridge
Eine Kämpferin für die Selbstbestimmung

Vor 50 Jahren starb Dorothy Dandridge. Bereits 1955 war die US-Schauspielerin für den Oscar nominiert worden - als erste schwarze Akteurin für eine Hauptrolle. In Erinnerung geblieben sein dürfte Dandridge auch durch ihre Willensstärke und den Kampf gegen die rassistische Bürgerlichkeit.

Von Katja Nicodemus | 08.09.2015
    Die amerikanischen Sängerin und Schauspielerin Dorothy Dandridge in einer Profilaufnahme - fotografiert im Mai 1957
    Die amerikanischen Sängerin und Schauspielerin Dorothy Dandridge - aufgenommen im Mai 1957 (picture-alliance/ dpa - UPI)
    Dies ist die Geschichte einer begnadeten Sängerin und großen Schauspielerin. Dorothy Dandridge war die erste schwarze Frau, die in der Traumfabrik Karriere gemacht hat. Oder sollte man besser sagen: gegen die Traumfabrik? Sie war eine Pionierin. Die erste schwarze Amerikanerin, die auf dem Titel des "Life"-Magazins zu sehen war, die erste Schwarze, die eine Oscar-Nominierung in einer Hauptrolle bekam und einen Stern auf dem Hollywood-Walk of-Fame erhielt.
    In ihrer berühmtesten Rolle, 1952 als Titelheldin in Otto Premingers Film "Carmen Jones", versetzt sie die Leinwand in erotische Vibrationen. Premingers-Musical-Film verlegt die Handlung der Bizet-Oper in die Zeit während des Zweiten Weltkrieges, in eine Fallschirmfabrik in North Carolina. Wenn Carmen im roten eng anliegenden Rock als Arbeiterin auftritt, kann der junge Sergeant Brown, gespielt von Harry Belafonte, nicht anders als ihr zu verfallen.
    Treibende Kraft hinter der Karriere: Dandridges Muter
    Der Erfolg fiel Dorothy Dandridge nicht in den Schoß. Geboren wird sie am 9. November 1922 in Cleveland, Ohio, und wächst vaterlos auf. Ihre Mutter Ruby arbeitet als Hausmädchen und kämpft für eine Bühnenkarriere der Töchter Dorothy und Vivian. Sie schreibt Sketche für ihre Mädchen, schickt sie zum Unterricht in Klavier, Sprechen, Gesang, Stepptanz, Akrobatik.
    Acht Jahre lang reist Ruby Dandridge mit ihnen durch die schwarzen Communities der Südstaaten, bis die kleine Familie in Los Angeles landet. Bald bekommt Dorothy erste Filmrollen angeboten. 1941 kann sie in dem Film "Sun Valley Serenade" auch ihr musikalisches Können auf der Leinwand zeigen: bei einem Auftritt mit dem Entertainment-Duo Nicholas Brothers.
    Dorothy Dandridge verlobt sich mit ihrem Leinwandpartner Harold Nicholas. Doch nach der Heirat lässt der Frauenheld sie mit der gemeinsamen, geistig behinderten Tochter allein. Dandridge kommt alleine für die Pflege auf. Und sie arbeitet weiter an sich. Als eine der ersten schwarzen Schauspielerinnen studiert sie am renommierten Actor's Laboratory. Als sie bei einer öffentlichen Feier der Schule mit ihrem Mit-Studenten Anthony Quinn tanzt, sorgt das für einen Skandal in Hollywood. In der Los Angeles Times schreibt die berüchtigte Kolumnistin Hedda Hopper über die Veranstaltung:
    "Jeder Mensch ist so gut, wie er in seinem Herzen ist, unabhängig von seiner Rasse, seinem Glauben oder seiner Hautfarbe. Aber das heißt noch nicht, dass man sich vermischen muss."
    Dandridge erfährt den tief verwurzelten Rassismus der amerikanischen Kultur
    Dorothy Dandridge wehrt sich. In einem Text in der Zeitung California Eagle prangert sie die Diskriminierung an. Sie knüpft Kontakte zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung, kriegt aber auch die Folgen zu spüren: Bevor sie die Rolle als Carmen Jones bekommt, wird sie an einen Unterausschuss des berüchtigten Senatsausschusses für unamerikanische Aktivitäten zitiert. Dandridges Stolz und ihr Selbstbewusstsein sind in fast jeder Szene von "Carmen Jones" zu spüren. Etwa wenn sich Carmen gegen die Besitzansprüche ihres von Harry Belafonte gespielten Liebhabers wehrt:
    O-Ton aus "Carmen Jones":
    "I don't account for no man."
    "You account for me! I love you ... "
    "That gives you no right to own me. There's only one who does: that's me. Myself!"
    "Carmen Jones" wird ein weltweiter Erfolg und macht Dorothy Dandridge zum Superstar. Aber eben dieser Erfolg wird für Dandridge zum Problem. Ihre Erotik, ihre Raffinesse, ihre Intelligenz und Präsenz wirken wie eine Provokation für den tiefverwurzelten Rassismus der amerikanischen Kultur. Drei Jahre lang bekommt Dandridge keine Rollenangebote. Und 1957 wird ihr in dem Film "Tamango"auf bittere Weise wieder der Platz zugewiesen, den die amerikanische Unterhaltungsindustrie vorsieht: mit der Rolle einer schwarzen Sklavin.
    In "Porgy and Bess" ist Dorothy Dandridge noch einmal in einer Hauptrolle zu sehen, wieder unter der Regie von Otto Preminger. Als Bess muss sie sich der sexuellen Gewalt des Mannes erwehren, den sie liebt und darf noch einmal ihre kraftvolle, laszive Leinwandpräsenz unter Beweis stellen.
    O-Ton aus "Porgy and Bess":
    "Take your hands off me. Take them off! Take your hands off me!"
    Dorothy Dandridge stirbt am 8. September 1965 mit 42 Jahren in Hollywood an einer Überdosis Anti-Depressiva. Sie mag mit ihren ureigenen Dämonen gekämpft haben und immer wieder an die falschen Männer geraten sein. Aber am Schluss fehlt ihr vor allem die Kraft, immer wieder von vorne anzufangen in einer Filmindustrie, die die Karriere, die sie verdient hätte, letztlich verhindert hat.