Christine Scheel: Guten Morgen Frau Heuer.
Heuer: Fangen wir mit der Steuerreform an. Die Wirtschaftsweisen sind gegen das Merz-Modell. Sie sagen, das Hauptproblem liege nicht im progressiven Steuerverlauf. Die Grünen haben aber doch Sympathie für das Stufenkonzept von Friedrich Merz bekundet. Legen Sie diese Sympathie jetzt zu den Akten, Frau Scheel?
Scheel: Nein, es ist doch folgendermaßen: Es kommt immer darauf an, wie die so genannte Bemessungsgrundlage ist, das heißt was wird in die Besteuerung einbezogen. Und ob ich dann einen Stufentarif mache oder einen Tarif, wie wir ihn heute haben, den übrigens kein Mensch versteht, das muss man dann entscheiden. Wir haben dort deswegen große Offenheit, weil wir sagen, wir brauchen ein Steuersystem, das transparent ist, das verständlich ist und das auch die Leistungsfähigkeit des Einzelnen abspiegelt. Das kann man in einem vernünftigen Stufentarif auch machen.
Heuer: Eben! Sie schließen den also nicht aus, auch nicht in Ihrem eigenen Steuermodell?
Scheel: Nein. Wir sagen, selbstverständlich ist es so, dass ein sogenannter linearprogressiver Tarif - das ist das, was wir heute haben; man hat einen Eingangssteuersatz und dann geht es nach oben und irgendwann kommt dann der Spitzensteuersatz - jeden Euro mehr an Leistungsfähigkeit auch steuerlich abbildet. Bei einem Stufentarif hat man - das sagt ja das Wort an sich - Stufen. Deswegen ist ein Tarif, der linear verläuft, im Prinzip gerechter als ein Stufentarif, aber ein Stufentarif ist - und das muss man einfach sagen - viel, viel verständlicher für die Menschen.
Heuer: Verständlicher, transparenter wollen es ja alle haben, das deutsche Steuersystem. Die Wirtschaftsweisen favorisieren deshalb, nur noch zwischen Arbeits- und Kapitaleinkünften zu unterscheiden. Heute gibt es im deutschen Steuerrecht sieben Einkunftsarten, die unterschieden werden müssen. Für diese Vereinfachung sind doch die Grünen auch. Was ist der Vorteil?
Scheel: Der Vorteil ist, dass man heute wirklich unterscheidet mit sieben Einkunftsarten, dass darauf aufbauend ein Formularwust in den Finanzbehörden und dann letztendlich bei den Menschen daheim auf dem Küchentisch oder auf dem Schreibtisch landet, dass niemand mehr sich durch diese Formulare durchkämpft mit dem Gefühl, ich habe es verstanden. Wenn man die Einkunftsarten zusammenführt - das gibt es übrigens in anderen Ländern auch -, dann kann man das mehr konzentrieren.
Unser Ziel ist auch von der Grünen-Seite, dass wir von den sieben Einkunftsarten am Ende zwei bis drei Blöcke haben, wo wir sagen können, wir sind dem Ziel, dass man die Einkünfte möglichst gleich steuerlich behandelt, näher gekommen. Das ist auch klarer und transparenter für die Leute, wenn man auf die einzelnen Einkünfte im Prinzip gleiche Steuersätze setzt. Warum soll man denn Mieteinnahmen heutzutage viel anders behandeln als Erwerbseinkünfte, egal von abhängig beschäftigten oder von selbständigen Menschen.
Heuer: Nun wollen die Bürger es aber nicht nur einfacher haben, Frau Scheel, sondern gerne auch billiger. Welches Modell würde denn die Bürger stärker entlasten, das Stufenmodell a la Friedrich Merz oder aber die Beschränkung auf diese zwei oder drei Einkunftsarten?
Scheel: Das kommt wie gesagt darauf an, wie hoch man die Freibeträge setzt. Das kommt auch darauf an, wie man die Steuersätze ausgestaltet. Man kann jetzt nicht sagen, wenn man sagt, wie Friedrich Merz vorgeschlagen hat, 12 Prozent, 24 Prozent, 36 Prozent, das ist jetzt die Entlastung, sondern es kommt ganz darauf an, wann fangen diese%e denn an bei welchem Einkommen. Hier muss man ganz klar sagen: unser grünes Ziel ist, dass wir auf keinen Fall gegenüber heute im kleinen und mittleren Einkommensbereich eine Belastung bekommen, denn es gibt bei Friedrich Merz durchaus auch Ungereimtheiten.
Heuer: Was heißt das, ein höherer Steuersatz für die höheren Einkommen und vielleicht einen noch niedrigeren oder zwei niedrigere für die niedrigen und mittleren Einkommen, Frau Scheel?
Scheel: Das bedeutet, man muss die Leistungsfähigkeit abspiegeln und man muss sich natürlich auch daran orientieren, dass breite Schultern und höhere Einkommen auch einen höheren Beitrag leisten können. Das ist selbstverständlich. Dann muss man entscheiden, wie man das vornimmt. Wir könnten uns beispielsweise vorstellen, dass wir auch im Hinblick auf Steuergerechtigkeit und Beitrag zum Allgemeinwohl einen vierten Steuersatz einziehen. Denkbar wäre, man fängt mit 12 Prozent in der Stufe an, nimmt aber den jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagenen oberen Tarif mit 42 Prozent, den man eben erst ab einem höheren Einkommen zahlen lässt, dass die mittleren Einkommen nicht gleich in den Spitzensteuersatz fallen.
Heuer: Der Bundesfinanzminister, so ist zu hören, arbeitet auch an einem Steuerkonzept. Was Sie da gerade geschildert haben, Frau Scheel, könnte ja mit der SPD ganz gut machbar sein. Haben Sie sich mit Hans Eichel verständigt?
Scheel: Es ist im Prinzip so, dass wir doch alle wissen, dass ein großer Druck, mit großer Anforderung verbunden an die Politik, in der Bevölkerung da ist, dass die Menschen sagen, rafft euch endlich zusammen und macht mal gemeinsam ein vernünftiges Konzept, zerredet es nicht von vornherein, sondern macht etwas, handelt und legt uns etwas vor, was verständlich ist. Dafür ist auch Hans Eichel. Da kommen wir auch sehr, sehr nah beieinander. Er hat ja in seinem Vortrag - das ist noch gar nicht so viele Tage her - in der Humboldt-Universität in Berlin klipp und klar gesagt, sein Ziel ist auch eine drastische Vereinfachung, und das freut mich.
Heuer: Beschlossen ist ja schon von rot/grün, die nächste Stufe der Steuerreform vorzuziehen. Die Wirtschaftsweisen sind skeptisch, was die Segnungen dieses Planes angeht. Sie rechnen dadurch mit nur 0,2 Prozent mehr Wachstum. Rechnen Sie mit mehr?
Scheel: Man muss auf der einen Seite sehen, dass Steuersatzsenkung allein nicht unbedingt das Wachstum auslöst, sondern es ist die psychologische Wirkung, die damit gegeben ist, und es ist vor allen Dingen noch ein anderer Effekt, denn in dem Moment, wo wir auf der Bundesebene, auf der Länderebene, auf der kommunalen Ebene in unseren Haushalten solche Probleme haben, wie wir sie haben in Deutschland, mit einer so gigantischen Verschuldung, dann ist die Chance, wenn man Steuerreformen vorzieht, dass man wirklich dran geht und Subventionen jetzt abbaut, eine sehr, sehr große Chance. Ich finde das sollten wir nutzen. Das schafft auch mehr Klarheit, denn Abbau von Subventionen bedeutet ja auch, dass man im Einzelfall Sonderregelungen aus dem Steuerrecht rausnimmt. Das bedeutet in der Konsequenz natürlich auch ein Stück Vereinfachung. Einfachere Gesetze und ein einfacheres Steuerrecht wollen doch alle!
Heuer: Damit alleine, Frau Scheel, ist es aber nicht getan, denn für die vorgezogene Steuerreform möchte oder muss rot/grün neue Schulden aufnehmen. Da sagen jetzt die Wirtschaftsweisen, das ist ganz schlecht, denn diese neuen Schulden tragen maßgeblich dazu bei, dass wir auch nächstes Jahr das europäische Defizitkriterium reißen.
Scheel: Das bedeutet natürlich für alle Ebenen - und zwar für den Bund und vor allen Dingen auch für die Länder -, dass man versuchen muss, wenn dass Vorziehen in der Form gegenfinanziert werden soll, dass man sagt möglichst wenig Neuverschuldung, wofür ich auch bin - und die Grünen stehen auch für ein nachhaltige Finanzpolitik -, auch mehr Privatisierungserlöse einzusetzen, dass man dann Einmalfinanzierungen nimmt, denn ein Vorziehen ist eine Einmalfinanzierung und dann kann man auch Einmalerlöse dagegen setzen. Deswegen muss man auch sehen, dass in den Haushalten eingespart wird, dass Finanzhilfen auf der Länderebene, auf der Bundeshilfe abgebaut werden und letztendlich auch steuerliche Subventionen, die in ihrer Wirkung ja nicht auf ein Jahr beschränkt sind, sondern natürlich länger anhalten im Abbau.
Heuer: Also die Warnung der Sachverständigen ist angekommen, ändert aber nichts an der Politik, die Sie planen?
Scheel: Die Warnung ist angekommen. Wir sind jedoch der Meinung, dass wir richtigerweise ein ganzes Paket von Maßnahmen vorgelegt haben. Dies ist jetzt ja auch im Bundesratvermittlungsverfahren. Diese Maßnahmen heißen, es passiert etwas auf dem Arbeitsmarkt, es passiert etwas Positives zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme und es geschieht etwas Positives auf der steuerlichen Seite. Man muss die Dinge miteinander sehen und dann macht es auch einen Sinn, weil erst dann ist verständlich, wohin die Bundesregierung will. Wir wollen, dass die sozialen Sicherungssysteme eben auch für unsere Kinder, für die Zukunft stabil sind, und wir wollen auch eine möglichst geringe Steuer- und Abgabenbelastung. Beides muss man zusammenbringen. Das dient der Wirtschaft und auch den Bürgern.
Heuer: Frau Scheel, eine andere Reform ist die des Gesundheitswesens. Da sagen die Wirtschaftsweisen, dass sie gegen die von rot/grün favorisierte Bürgerversicherung sind. Sie finden die Kopfpauschale der Union gerechter. Vor allem glauben sie auch, dass die Kopfpauschale mehr Beschäftigung bringt, die Bürgerversicherung dagegen weniger. Verabschieden Sie sich jetzt von der Bürgerversicherung? Hören Sie in diesem Punkt auf den Sachverständigenrat?
Scheel: Nein, das tun wir nicht, weil wir nach wie vor der Auffassung sind, dass es richtig ist, dass man unabhängig davon, ob man abhängig beschäftigt ist, ob man Politikerin ist, verbeamtet ist, selbständig ist, einen Beitrag gleichermaßen leistet. Die Kopfpauschalen-Lösung, die ja von einer Kommission, von Herrn Herzog, ganz vorne dran von der Union vorgeschlagen worden ist, reißt ja ein Finanzloch auf in einer Größenordnung von 34 Milliarden Euro, wo heute niemand sagt, wie das zu finanzieren ist. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, wir machen Kopfpauschale und die kleinen entlasten wir, indem der Staat das über Steuermittel zufinanziert, ohne zu sagen wie man das finanzieren will.
Heuer: Die Sachverständigen sagen, das ist aus der Lohnsteuer durchaus zu begleichen?
Scheel: Der Herr Merz hat einen Vorschlag gemacht, wo der Arbeitgeberbeitrag vom Arbeitnehmer zu versteuern ist, aber dieser Vorschlag bringt 17 Milliarden und kosten tut die Reform aber für die Steuerebene 34 Milliarden. Da ist eine Riesen Lücke, über die aber anscheinend sich die Union bislang keine Gedanken gemacht hat.
Heuer: Die Sachverständigen - das zum Schluss - fordern auch, das deutsche Tarifmodell zu lockern, um betriebliche Vereinbarungen zu erleichtern. Das ist ja wiederum auf Unionslinie. Ist das eine gute Anregung, Frau Scheel?
Scheel: Es ist doch im Prinzip so, dass man trotz Beibehaltung des Flächentarifvertrages auch Lösungen im Betrieb finden kann. Wir haben heute so viele Arbeitszeitmöglichkeiten, die in den Betrieben abgesprochen sind und auch gelebt werden. Die Lebensrealität hat im Prinzip diese starren Vorstellungen längst eingeholt. Wir halten es aber nach wie vor für richtig, dass wir einen Flächentarifvertrag haben, und das wird übrigens auch von der Arbeitgeberseite so gesehen.
Heuer: Also es reicht schon aus, was wir haben?
Scheel: Ich denke ja!
Heuer: Christine Scheel war das, die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. - Danke schön für das Gespräch Frau Scheel und einen guten Tag!
Heuer: Fangen wir mit der Steuerreform an. Die Wirtschaftsweisen sind gegen das Merz-Modell. Sie sagen, das Hauptproblem liege nicht im progressiven Steuerverlauf. Die Grünen haben aber doch Sympathie für das Stufenkonzept von Friedrich Merz bekundet. Legen Sie diese Sympathie jetzt zu den Akten, Frau Scheel?
Scheel: Nein, es ist doch folgendermaßen: Es kommt immer darauf an, wie die so genannte Bemessungsgrundlage ist, das heißt was wird in die Besteuerung einbezogen. Und ob ich dann einen Stufentarif mache oder einen Tarif, wie wir ihn heute haben, den übrigens kein Mensch versteht, das muss man dann entscheiden. Wir haben dort deswegen große Offenheit, weil wir sagen, wir brauchen ein Steuersystem, das transparent ist, das verständlich ist und das auch die Leistungsfähigkeit des Einzelnen abspiegelt. Das kann man in einem vernünftigen Stufentarif auch machen.
Heuer: Eben! Sie schließen den also nicht aus, auch nicht in Ihrem eigenen Steuermodell?
Scheel: Nein. Wir sagen, selbstverständlich ist es so, dass ein sogenannter linearprogressiver Tarif - das ist das, was wir heute haben; man hat einen Eingangssteuersatz und dann geht es nach oben und irgendwann kommt dann der Spitzensteuersatz - jeden Euro mehr an Leistungsfähigkeit auch steuerlich abbildet. Bei einem Stufentarif hat man - das sagt ja das Wort an sich - Stufen. Deswegen ist ein Tarif, der linear verläuft, im Prinzip gerechter als ein Stufentarif, aber ein Stufentarif ist - und das muss man einfach sagen - viel, viel verständlicher für die Menschen.
Heuer: Verständlicher, transparenter wollen es ja alle haben, das deutsche Steuersystem. Die Wirtschaftsweisen favorisieren deshalb, nur noch zwischen Arbeits- und Kapitaleinkünften zu unterscheiden. Heute gibt es im deutschen Steuerrecht sieben Einkunftsarten, die unterschieden werden müssen. Für diese Vereinfachung sind doch die Grünen auch. Was ist der Vorteil?
Scheel: Der Vorteil ist, dass man heute wirklich unterscheidet mit sieben Einkunftsarten, dass darauf aufbauend ein Formularwust in den Finanzbehörden und dann letztendlich bei den Menschen daheim auf dem Küchentisch oder auf dem Schreibtisch landet, dass niemand mehr sich durch diese Formulare durchkämpft mit dem Gefühl, ich habe es verstanden. Wenn man die Einkunftsarten zusammenführt - das gibt es übrigens in anderen Ländern auch -, dann kann man das mehr konzentrieren.
Unser Ziel ist auch von der Grünen-Seite, dass wir von den sieben Einkunftsarten am Ende zwei bis drei Blöcke haben, wo wir sagen können, wir sind dem Ziel, dass man die Einkünfte möglichst gleich steuerlich behandelt, näher gekommen. Das ist auch klarer und transparenter für die Leute, wenn man auf die einzelnen Einkünfte im Prinzip gleiche Steuersätze setzt. Warum soll man denn Mieteinnahmen heutzutage viel anders behandeln als Erwerbseinkünfte, egal von abhängig beschäftigten oder von selbständigen Menschen.
Heuer: Nun wollen die Bürger es aber nicht nur einfacher haben, Frau Scheel, sondern gerne auch billiger. Welches Modell würde denn die Bürger stärker entlasten, das Stufenmodell a la Friedrich Merz oder aber die Beschränkung auf diese zwei oder drei Einkunftsarten?
Scheel: Das kommt wie gesagt darauf an, wie hoch man die Freibeträge setzt. Das kommt auch darauf an, wie man die Steuersätze ausgestaltet. Man kann jetzt nicht sagen, wenn man sagt, wie Friedrich Merz vorgeschlagen hat, 12 Prozent, 24 Prozent, 36 Prozent, das ist jetzt die Entlastung, sondern es kommt ganz darauf an, wann fangen diese%e denn an bei welchem Einkommen. Hier muss man ganz klar sagen: unser grünes Ziel ist, dass wir auf keinen Fall gegenüber heute im kleinen und mittleren Einkommensbereich eine Belastung bekommen, denn es gibt bei Friedrich Merz durchaus auch Ungereimtheiten.
Heuer: Was heißt das, ein höherer Steuersatz für die höheren Einkommen und vielleicht einen noch niedrigeren oder zwei niedrigere für die niedrigen und mittleren Einkommen, Frau Scheel?
Scheel: Das bedeutet, man muss die Leistungsfähigkeit abspiegeln und man muss sich natürlich auch daran orientieren, dass breite Schultern und höhere Einkommen auch einen höheren Beitrag leisten können. Das ist selbstverständlich. Dann muss man entscheiden, wie man das vornimmt. Wir könnten uns beispielsweise vorstellen, dass wir auch im Hinblick auf Steuergerechtigkeit und Beitrag zum Allgemeinwohl einen vierten Steuersatz einziehen. Denkbar wäre, man fängt mit 12 Prozent in der Stufe an, nimmt aber den jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagenen oberen Tarif mit 42 Prozent, den man eben erst ab einem höheren Einkommen zahlen lässt, dass die mittleren Einkommen nicht gleich in den Spitzensteuersatz fallen.
Heuer: Der Bundesfinanzminister, so ist zu hören, arbeitet auch an einem Steuerkonzept. Was Sie da gerade geschildert haben, Frau Scheel, könnte ja mit der SPD ganz gut machbar sein. Haben Sie sich mit Hans Eichel verständigt?
Scheel: Es ist im Prinzip so, dass wir doch alle wissen, dass ein großer Druck, mit großer Anforderung verbunden an die Politik, in der Bevölkerung da ist, dass die Menschen sagen, rafft euch endlich zusammen und macht mal gemeinsam ein vernünftiges Konzept, zerredet es nicht von vornherein, sondern macht etwas, handelt und legt uns etwas vor, was verständlich ist. Dafür ist auch Hans Eichel. Da kommen wir auch sehr, sehr nah beieinander. Er hat ja in seinem Vortrag - das ist noch gar nicht so viele Tage her - in der Humboldt-Universität in Berlin klipp und klar gesagt, sein Ziel ist auch eine drastische Vereinfachung, und das freut mich.
Heuer: Beschlossen ist ja schon von rot/grün, die nächste Stufe der Steuerreform vorzuziehen. Die Wirtschaftsweisen sind skeptisch, was die Segnungen dieses Planes angeht. Sie rechnen dadurch mit nur 0,2 Prozent mehr Wachstum. Rechnen Sie mit mehr?
Scheel: Man muss auf der einen Seite sehen, dass Steuersatzsenkung allein nicht unbedingt das Wachstum auslöst, sondern es ist die psychologische Wirkung, die damit gegeben ist, und es ist vor allen Dingen noch ein anderer Effekt, denn in dem Moment, wo wir auf der Bundesebene, auf der Länderebene, auf der kommunalen Ebene in unseren Haushalten solche Probleme haben, wie wir sie haben in Deutschland, mit einer so gigantischen Verschuldung, dann ist die Chance, wenn man Steuerreformen vorzieht, dass man wirklich dran geht und Subventionen jetzt abbaut, eine sehr, sehr große Chance. Ich finde das sollten wir nutzen. Das schafft auch mehr Klarheit, denn Abbau von Subventionen bedeutet ja auch, dass man im Einzelfall Sonderregelungen aus dem Steuerrecht rausnimmt. Das bedeutet in der Konsequenz natürlich auch ein Stück Vereinfachung. Einfachere Gesetze und ein einfacheres Steuerrecht wollen doch alle!
Heuer: Damit alleine, Frau Scheel, ist es aber nicht getan, denn für die vorgezogene Steuerreform möchte oder muss rot/grün neue Schulden aufnehmen. Da sagen jetzt die Wirtschaftsweisen, das ist ganz schlecht, denn diese neuen Schulden tragen maßgeblich dazu bei, dass wir auch nächstes Jahr das europäische Defizitkriterium reißen.
Scheel: Das bedeutet natürlich für alle Ebenen - und zwar für den Bund und vor allen Dingen auch für die Länder -, dass man versuchen muss, wenn dass Vorziehen in der Form gegenfinanziert werden soll, dass man sagt möglichst wenig Neuverschuldung, wofür ich auch bin - und die Grünen stehen auch für ein nachhaltige Finanzpolitik -, auch mehr Privatisierungserlöse einzusetzen, dass man dann Einmalfinanzierungen nimmt, denn ein Vorziehen ist eine Einmalfinanzierung und dann kann man auch Einmalerlöse dagegen setzen. Deswegen muss man auch sehen, dass in den Haushalten eingespart wird, dass Finanzhilfen auf der Länderebene, auf der Bundeshilfe abgebaut werden und letztendlich auch steuerliche Subventionen, die in ihrer Wirkung ja nicht auf ein Jahr beschränkt sind, sondern natürlich länger anhalten im Abbau.
Heuer: Also die Warnung der Sachverständigen ist angekommen, ändert aber nichts an der Politik, die Sie planen?
Scheel: Die Warnung ist angekommen. Wir sind jedoch der Meinung, dass wir richtigerweise ein ganzes Paket von Maßnahmen vorgelegt haben. Dies ist jetzt ja auch im Bundesratvermittlungsverfahren. Diese Maßnahmen heißen, es passiert etwas auf dem Arbeitsmarkt, es passiert etwas Positives zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme und es geschieht etwas Positives auf der steuerlichen Seite. Man muss die Dinge miteinander sehen und dann macht es auch einen Sinn, weil erst dann ist verständlich, wohin die Bundesregierung will. Wir wollen, dass die sozialen Sicherungssysteme eben auch für unsere Kinder, für die Zukunft stabil sind, und wir wollen auch eine möglichst geringe Steuer- und Abgabenbelastung. Beides muss man zusammenbringen. Das dient der Wirtschaft und auch den Bürgern.
Heuer: Frau Scheel, eine andere Reform ist die des Gesundheitswesens. Da sagen die Wirtschaftsweisen, dass sie gegen die von rot/grün favorisierte Bürgerversicherung sind. Sie finden die Kopfpauschale der Union gerechter. Vor allem glauben sie auch, dass die Kopfpauschale mehr Beschäftigung bringt, die Bürgerversicherung dagegen weniger. Verabschieden Sie sich jetzt von der Bürgerversicherung? Hören Sie in diesem Punkt auf den Sachverständigenrat?
Scheel: Nein, das tun wir nicht, weil wir nach wie vor der Auffassung sind, dass es richtig ist, dass man unabhängig davon, ob man abhängig beschäftigt ist, ob man Politikerin ist, verbeamtet ist, selbständig ist, einen Beitrag gleichermaßen leistet. Die Kopfpauschalen-Lösung, die ja von einer Kommission, von Herrn Herzog, ganz vorne dran von der Union vorgeschlagen worden ist, reißt ja ein Finanzloch auf in einer Größenordnung von 34 Milliarden Euro, wo heute niemand sagt, wie das zu finanzieren ist. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, wir machen Kopfpauschale und die kleinen entlasten wir, indem der Staat das über Steuermittel zufinanziert, ohne zu sagen wie man das finanzieren will.
Heuer: Die Sachverständigen sagen, das ist aus der Lohnsteuer durchaus zu begleichen?
Scheel: Der Herr Merz hat einen Vorschlag gemacht, wo der Arbeitgeberbeitrag vom Arbeitnehmer zu versteuern ist, aber dieser Vorschlag bringt 17 Milliarden und kosten tut die Reform aber für die Steuerebene 34 Milliarden. Da ist eine Riesen Lücke, über die aber anscheinend sich die Union bislang keine Gedanken gemacht hat.
Heuer: Die Sachverständigen - das zum Schluss - fordern auch, das deutsche Tarifmodell zu lockern, um betriebliche Vereinbarungen zu erleichtern. Das ist ja wiederum auf Unionslinie. Ist das eine gute Anregung, Frau Scheel?
Scheel: Es ist doch im Prinzip so, dass man trotz Beibehaltung des Flächentarifvertrages auch Lösungen im Betrieb finden kann. Wir haben heute so viele Arbeitszeitmöglichkeiten, die in den Betrieben abgesprochen sind und auch gelebt werden. Die Lebensrealität hat im Prinzip diese starren Vorstellungen längst eingeholt. Wir halten es aber nach wie vor für richtig, dass wir einen Flächentarifvertrag haben, und das wird übrigens auch von der Arbeitgeberseite so gesehen.
Heuer: Also es reicht schon aus, was wir haben?
Scheel: Ich denke ja!
Heuer: Christine Scheel war das, die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. - Danke schön für das Gespräch Frau Scheel und einen guten Tag!