Dienstag, 19. März 2024

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Scheuer und die PKW-Maut
"Es steht ein schwerwiegender Vorwurf im Raum"

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) habe in Sachen PKW-Maut Aufklärung versprochen, daher hätte er zumindest Hinweise auf Treffen mit Betreiberfirmen geben müssen, sagte die SPD-Abgeordnete Kirsten Lühmann im Dlf. Nun müsse geklärt werden, ob der Minister den Bundestag getäuscht hat.

Kirsten Lühmann im Gespräch mit Jasper Barenberg | 10.10.2019
Kirsten Lühmann (SPD), Bundestagsabgeordnete, spricht während der aktuellen Stunde zum Scheitern der PKW-Maut im Deutschen Bundestag . Foto: Lisa Ducret/dpa | Verwendung weltweit
Kirsten Lühmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag (dpa/Lisa Ducret)
Jasper Barenberg: Warum hat Verkehrsminister Andreas Scheuer Verträge abgeschlossen, um die PKW-Maut zu erheben und sie zu kontrollieren, noch bevor der Europäische Gerichtshof sein Urteil zur Maut gefällt hat? Nur deshalb können die Betreiber schließlich überhaupt auf Schadenersatz pochen - jetzt, wo die Verträge nach dem Gerichtsurteil aus Luxemburg gekündigt sind.
Auch mit dieser Frage wird sich im Bundestag aller Wahrscheinlichkeit nach schon bald ein Untersuchungsausschuss beschäftigen. FDP, Grüne und Linke bereiten dazu gerade einen gemeinsamen Antrag vor. Der Minister hat in der Angelegenheit volle Transparenz und Aufklärung versprochen. Daran aber gibt es mehr und mehr Zweifel - unter anderem durch Berichte über verschwiegene Geheimtreffen der Ministeriumsspitze mit den Betreibern in einer entscheidenden Phase des Projektes.
Am Telefon ist Kirsten Lühmann, die verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag. Schönen guten Morgen, Frau Lühmann.
Der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Stephan Kühn, spricht am 04.03.2017 auf dem Landesparteitag seiner Partei in Dresden (Sachsen) zu den Delegierten. 
Kühn (Grüne): "Scheuer täuscht das Parlament und die Öffentlichkeit"
Grünen-Politiker Stephan Kühn hat dem Bundesverkehrsminister im Dlf einen "Verstoß gegen alle Gepflogenheiten des politischen Betriebs" vorgeworfen. Die Grünen hätten von geheim gehaltenen Gesprächen im Zusammenhang mit der Pkw-Maut erfahren.
Kirsten Lühmann: Guten Morgen, Herr Barenberg.
Barenberg: Hat Verkehrsminister Andreas Scheuer den Bundestag und damit auch die Öffentlichkeit getäuscht?
Lühmann: Das können wir jetzt noch nicht sagen. Da steht nämlich Aussage gegen Aussage. Der Minister sagt, er hat alles offengelegt, was er offenlegen musste. Es gibt Hinweise, dass das möglicherweise nicht so war. Das muss man erst mal aufklären.
"Kommunikationsverhalten des Ministers ist nicht ganz glücklich"
Barenberg: Für wie glaubwürdig halten Sie diese Hinweise, die es gibt?
Lühmann: Es sind ja nur Hinweise, die ich der Presse entnommen habe. Insofern weiß ich nicht, wie glaubwürdig die sind oder wie nicht. Feststellen müssen wir aber, dass das Kommunikationsverhalten des Ministers nicht ganz glücklich ist. Wenn ich erst sage, ich lege alles auf den Tisch. Gut, er hat gesagt, größtmögliche - und das ist wieder eine Definition, was ist möglich, was ist nicht möglich, da kann man drüber streiten. Aber zumindest hat er den Anschein erweckt, als ob er freiwillig alles auf den Tisch legt, was irgendwie mit diesem Vorgang zu tun hat. Und jetzt stellen wir fest, dass es eben Dinge gibt, von denen er meinte, dass er sie nicht vorlegen muss. Das ist zumindest unglücklich.
Barenberg: Aber wie sehen Sie es denn? Es geht ja um Treffen, die offenbar stattgefunden haben - nach allem, was wir wissen. Schließlich hat das Verkehrsministerium dazu ja auch Handreichungen gestern Abend noch herausgegeben. Und die Verteidigungslinie ist jetzt: Es gibt Treffen, die dokumentiert werden müssen, und es gibt Treffen, die nicht dokumentiert werden müssen. Die Grünen stehen auf den Barrikaden und sprechen von Rechtsbruch. Wie beurteilen Sie dieses Hin und Her und die Erläuterungen aus dem Ministerium?
Lühmann: Völlig unbeachtet der Tatsache, ob ein Treffen dokumentiert werden muss oder nicht - wenn ich dem Bundestag sage, dass ich ihm alles zur Verfügung stelle, rund um die Maut, dann erwarte ich zumindest Hinweise darauf, dass es Treffen gegeben hat, die möglicherweise nicht dokumentiert sind. Aber es gab ja auch diese Hinweise nicht. Insofern steht da ein sehr schwerwiegender Vorwurf im Raum, nämlich dass ein Minister den Bundestag getäuscht hat. Und solche Vorwürfe müssen aus meiner Sicht ausgeräumt werden, in die eine oder andere Richtung.
Untersuchungsausschuss ist ein sehr gutes Mittel
Barenberg: Lässt sich das noch im normalen Miteinander ausräumen, oder unterstützen Sie auch einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, den die Opposition ja gerade vorbereitet?
Lühmann: Die Opposition hat ja angekündigt, dass sie diesen Antrag in der nächsten oder übernächsten Sitzungswoche einbringen wird. Insofern ist es relativ egal, ob wir das unterstützen oder nicht. Ich denke, man könnte noch mal versuchen, das anders zu regeln, aber das ist jetzt obsolet. Wenn so ein Antrag vorliegt, dann brauchen wir nicht mehr zu versuchen, das anders zu lösen, weil dann wird der durchgehen. Das ist das Recht der Opposition und dann werden wir einen Untersuchungsausschuss haben. Und ich denke, das ist ein sehr gutes Mittel, weil da gibt es klare Regeln, da gibt es nicht interpretierbare Vorschriften, was vorzulegen ist, was nicht vorzulegen ist. Und ich denke, dann werden wir auch Klarheit haben.
Barenberg: Klarheit haben heißt, Sie rechnen damit und Sie gehen davon aus, dass auch die Unterlagen zu diesen viel diskutierten angeblichen Geheimtreffen jetzt auf den Tisch kommen und dass wir danach klarer sehen, ob der Minister Angebote diskutiert hat, diese Verträge noch vor dem Gerichtsurteil zu schließen oder nicht?
Lühmann: Davon gehe ich aus. Das halte ich auch für zwingend geboten.
Scheuer muss Fehler eingestehen
Barenberg: Warum überhaupt? Welche Gründe lassen sich überhaupt ausdenken, oder welche kann man sich überlegen, dass Verträge abgeschlossen wurden, bevor das Gericht entschieden hat?
Lühmann: Ich glaube, da bin ich die falsche Ansprechpartnerin. Aber der Minister hat versucht, im Ausschuss seine Beweggründe darzulegen, und er hat uns erklärt, dass er sehr wohl von seinem Haus auf das Risiko hingewiesen wurde. Das ist ja auch publiziert. 15 Prozent soll das Risiko gewesen sein, dass das europäische Gericht gegen die Maut entscheidet. Und er hat gesagt, dieses Risiko geht er ein. Das kann er als Minister. Nur wenn er dann falsch liegt, was ja jetzt der Fall ist, dann muss man natürlich auch dafür einstehen und es zugeben, dass man einen Fehler gemacht hat.
Warum hat er es gemacht? Das hat er auch deutlich gesagt. Er wollte schnellstmöglich die Einnahmen aus der PKW-Maut haben. Und das ging nur, wenn er sofort den Vertrag schließt und die Firmen sofort anfangen, zu arbeiten. Wir haben ihm gesagt, dass wir als SPD es ihm nicht übel nehmen würden, wenn sich die Einnahmen möglicherweise um ein halbes, dreiviertel Jahr verschieben, um dieses Risiko, dass ja jetzt eingetreten ist, nicht in Kauf nehmen zu müssen. Er hat sich anders entschieden. Ich denke, das muss er auch deutlich sagen, dass das ein Fehler war. Und wir werden sehen, was bei der Aufklärung noch ans Tageslicht kommt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.