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Schiffe als Sondermüll

Europäische Reeder entsorgen bis zu 75 Prozent ihrer großen Handelsschiffe in Südasien, schätzen Umweltorganisationen. Die Wracks vergiften dabei Menschen, Strände und Meere. Das wollen Abgeordnete des EU-Parlaments jetzt ändern.

Von Ralph Heinrich Ahrens |
    "Auf den großen Recyclingplätzen Südasiens müssen die Umweltbedingungen besser werden – wie auch die Arbeitsbedingungen. Niemand darf mehr Asbest herumtragen. Ja, wir teilen diese Auffassung."

    Das betont Alfons Guinier. Er vertritt als Generalsekretär des europäischen Reederverbands ECSA die Schiffseigner in Europa. Doch Verschrotten ist ein gutes Geschäft, wie eine grobe Rechnung zeigt: Schiffsstahl lässt sich für etwa 350 Euro die Tonne verkaufen. Ein Reeder kann einen 300 Meter langen Tanker für etwa fünf Millionen Euro an Recycler verkaufen. Kommt er seiner Verantwortung nach und lässt vorher alle giftigen Stoff entfernen, muss er erst einmal bis zu mehreren Hunderttausend Euro hinblättern, sagt Patrizia Heidegger von der NGO Shipbreaking Platform, zu der sich viele Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen zusammengeschlossen haben.

    ""Das ist vor allem Asbest in großen Mengen vor allem bei älteren Schiffen. Das sind aber auch Schwermetalle, PCBs und natürlich zum Beispiel Ölrückstände in verschiedenen Formen in Tanks und anderen Maschinen an Bord."

    Schiffe sind also Sondermüll und dürfen nach internationalem Recht – der Basler Konvention – aus der EU nicht in Entwicklungs- oder Schwellenländer ausgeführt werden. Dennoch entsorgen europäische Reeder rund 75 Prozent ihrer großen Handelsschiffe in Südasien, meint Heidegger.

    "Die Schiffseigentümer sind sich natürlich im Klaren darüber, dass die Schiffe nicht aus europäischen Häfen exportiert werden dürften. Also wird der Verkauf eines solchen alten Schiffes ausgemacht, wenn das Schiff sich eben außerhalb der Europäischen Union befindet. Und insofern ist es auch legal – leider ist es eine Umschiffung bestehenden Rechts."

    Diese Praxis lässt sich kaum ändern, glaubt Carl Schlyter, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament. Dennoch will er Abwrackstandards wie etwa das Verbot, Schiffe auf Stränden zu entsorgen, einführen. Auch sollen Gutachter ständig die Abwrackwerften prüfen können.

    "Der einzige Weg, das zu erreichen, ist, sauberes Recycling profitabler zu machen."

    Schlyter schlägt dazu einen Schiffsrecyclingfonds vor.

    "Läuft ein Schiff einen EU-Hafen an, soll der Reeder neben der Hafengebühr einen geringen Extrabeitrag in diesen Fonds einzahlen – etwa drei Cent pro Tonne."

    Für einen 150.000 Tonnentanker müsste ein Reeder also etwa 4.500 Euro zahlen. Wird das Schiff dann umweltverträglich verschrottet, erhält die Abwrackwerft einen Teil der Kosten erstattet.
    Doch Schiffseigener wehren sich. Die Fondslösung kostet sie Geld. Alfons Guinier vom Reederverband hofft auf das Übereinkommen von Hongkong. In dieser Konvention einigten sich 63 Staaten bereits 2009 auf Umweltschutzstandards beim Abwracken.

    "Es enthält Vorschriften für Abwrackplätze, Reeder und Werften für neue Schiffe als auch für die Staaten, in denen recycelt wird."

    Doch Umweltschützerin Patrizia Heidegger hält das Abkommen für einen zahnlosen Tiger.

    "Das Problem mit der Konvention von Hongkong ist, dass diese Konvention noch nicht in Kraft ist und auch niemand weiß, wann sie in Kraft treten wird. Das kann noch zehn, fünfzehn oder mehr Jahre dauern."

    So hat noch kein Land das Abkommen ratifiziert. Auch der grüne Abgeordnete Schlyter will nicht noch viele Jahre auf verbindliche Vorschriften warten. Auch ihm geht das Übereinkommen nicht weit genug

    "Die Anforderungen sind so schwach, dass auch künftig Schiffe an den Stränden Südasiens entsorgt werden dürften. Wir brauchen zudem Abwrackstandards, die jederzeit nachprüfbar sind. Diese gibt es im Übereinkommen nicht – und deshalb müssen wir sie jetzt einführen."

    Er hofft, dass die Mehrheit der Abgeordneten für den Schiffsrecyclingfonds stimmen – und später auch die EU-Staaten ihn stützen. Denn dann wird es bald wirtschaftlicher, alle Schiffe, die in den Fonds einzahlen, auf grüne Art und Weise abzuwracken.