Remme: Wenn schon in Brüssel von einem der schwierigsten Gesetzesentwürfe der vergangenen Jahre gesprochen wird, dann darf man getrost von einem komplizierten Sachverhalt ausgehen. Dabei ist die Sache eigentlich ganz einfach. Das grenzenlose Europa soll nämlich auch für Dienstleistungen gelten. Um eine entsprechende Richtlinie aber wurde jahrelang gerungen. In Ländern wie Deutschland und Frankreich ging die Angst um vor billigen Anbietern jenseits der Grenze. 25 Wirtschaftsminister haben gestern stundenlang zusammen gesessen. Das Ergebnis am späten Abend: eine abgespeckte Form der ursprünglichen Liberalisierung.
Am Telefon begrüße ich nun Hans-Eberhard Schleyer, Generalsekretär beim Zentralverband des Deutschen Handwerks. Ich grüße Sie Herr Schleyer!
Schleyer: Guten Tag Herr Remme!
Remme: Herr Schleyer, wir haben gerade gehört: Die jetzt vereinbarte Richtlinie ist weit entfernt vom ursprünglichen Entwurf und die Bundesregierung hat erhebliche Einschränkungen durchgesetzt. Können Sie als Lobbyist heute feiern?
Schleyer: Ich bin zufrieden mit dem gefundenen Ergebnis, denn wir haben uns als Handwerksorganisation sehr frühzeitig für eine Dienstleistungsrichtlinie eingesetzt, mit der Schikanen und ungerechtfertigte Hemmnisse im Binnenmarkt abgebaut werden sollen. Auch wir haben im Handwerk eine Reihe von Dienstleistern, die unter solchen diskriminierenden, unverhältnismäßigen Hemmnissen in der Vergangenheit gelitten haben.
Wir haben aber auch auf der anderen Seite deutlich gemacht, dass ein solcher Abbau nicht um jeden Preis erfolgen kann. Die Stichworte wie Lohn- und Sozialdumping sind gefallen. Dahinter steht die Sorge, dass eine solche Verwirklichung des ursprünglichen Herkunftslandsprinzips zu einem Wettlauf von Rechtsordnungen sozusagen um das laxeste Recht geführt hätte. Das hat dann auch nichts mehr mit Wettbewerb zu tun, denn ein gesunder Wettbewerb kann letztlich nur bei einigermaßen vergleichbaren Voraussetzungen funktionieren. Deshalb sind wir froh, dass auf der einen Seite der Marktzugang jetzt gerechtfertigt ist und gewährleistet sein soll, wir aber auf der anderen Seite im Kern die Bestimmungen des Bestimmungslandes haben, da wo nämlich eine Dienstleistung erbracht werden soll.
Remme: Herr Schleyer können Sie verstehen, dass manch einer es so sieht, dass die Angst vor neuer Konkurrenz gerade in Deutschland größer war als die Hoffnung auf neue Jobs?
Schleyer: Das kann ich verstehen, aber nicht akzeptieren, denn noch einmal: Es hätte uns nichts geholfen, wenn wir sozusagen einen Wettbewerb um jeden Preis, das heißt unter Außerachtlassung all derjenigen Strukturen, die wir in Deutschland, aber nicht nur in Deutschland über die Jahre entwickelt haben, bekommen hätten. Wenn jemand, weil er zu seinen eigenen Bedingungen arbeitet, eben zu einem Bruchteil dessen anbieten kann, was ein deutscher Handwerker etwa verlangen muss, nicht weil er große Gewinne macht, sondern weil er eben vielfältige Vorschriften einzuhalten hat, weil er ganz andere Sozialabgaben und Steuern zu bezahlen hat, dann kann ich einfach nicht mehr von Wettbewerb sprechen.
Remme: Aber welche Chancen hat ein ausländischer Handwerker jetzt noch, wenn er all diese Vorschriften kennen und anwenden muss?
Schleyer: Er hat die Möglichkeiten, wie sie im Grunde genommen in jedem vernünftigen Wettbewerbsumfeld geschehen, durch die Qualität seiner Arbeit, durch Pünktlichkeit und andere Kriterien zu bestehen. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist auch das, was wir uns für unsere Handwerker im benachbarten europäischen Ausland versprechen.
Remme: Hunderttausende neue Arbeitsplätze, hat gerade unser Korrespondent Peter Kapern berichtet, habe der Staatssekretär allein in Deutschland in Aussicht gestellt. Sehen Sie das auch so optimistisch?
Schleyer: Ich glaube, dass mit dieser Einigung jetzt im europäischen Rat sich die Voraussetzungen, im benachbarten europäischen Ausland als Dienstleister zu arbeiten, wesentlich verbessert haben: auf der einen Seite durch die Tatsache, dass es künftig eine Ansprechstelle, einen "One Stopp Shop" geben soll, wo man sich hinwenden kann, wo auch bestimmte bürokratische Obliegenheiten abgenommen werden. Im Übrigen würde ich mir wünschen, dass jetzt nach dieser Verständigung die europäische Kommission das intensiver tut, was sie eigentlich auch in der Vergangenheit hätte tun sollen, nämlich dort Vertragsverletzungsverfahren durchzuführen, wo ganz offenkundig ausländische Dienstleister in ihrer Dienstleistung durch diskriminierende, auch unverhältnismäßige Maßnahmen gegenüber dem Inländer benachteiligt worden sind.
Remme: Herr Schleyer, wie viele zusätzliche Arbeitsplätze verspricht sich Ihr Zentralverband von dieser Regelung?
Schleyer: Das weiß ich, dass Journalisten immer nach konkreten Zahlen gerne fragen.
Remme: Nicht nur Journalisten; auch die Bevölkerung wird es interessieren!
Schleyer: Das ist schwer zu sagen. Ganz generell gilt, dass mit einer solchen besseren Möglichkeit, auch im Ausland zu arbeiten, sich natürlich Wachstums- und damit Beschäftigungschancen verbessern. Das gilt gerade auch für das Handwerk, das in den letzten 15 Jahren doch mit etwa 80.000 Betrieben mehr oder weniger intensiv im Export tätig gewesen ist. Also ich glaube, dass auf diesem Wege durchaus einige Tausend neue Arbeitsplätze entstehen können.
Remme: Gibt es innerhalb des Handwerks Branchen, die besonders hoffen dürfen?
Schleyer: Ich meine nach wie vor, dass all diejenigen besonders hoffen dürfen und von diesen neuen Möglichkeiten mehr Gebrauch machen können, die besonders qualifiziert sind. Das gilt quer durch alle Branchen im Handwerk. Die gute Ausbildung, die gute Weiterbildung, das können sie im Ausland einsetzen, auch dann, wenn sie etwas teuerer sind als ihre europäischen Nachbarn und wenn sie eben nicht durch alle möglichen Barrieren und ungerechtfertigten Hemmnisse daran gehindert sind.
Remme: Auch wenn das jetzt nicht streng genommen Handwerk ist, ist es richtig gewesen, ganze Bereiche, die sozialen Dienstleistungen, rauszunehmen?
Schleyer: Ich glaube, dass das zunächst einmal richtig gewesen ist bei den gewachsenen Strukturen, die wir haben, bei den sehr unterschiedlichen sozialen Sicherungssystemen in Europa. Das schließt ja nicht aus, dass in einem fortlaufenden Integrationsprozess wir in 10 Jahren, in 20 Jahren darüber noch einmal nachdenken und auch im Rahmen einer zunehmenden Harmonisierung manches dann auch anders sehen und bewerten müssen, als das heute der Fall ist, denn über allem – das darf man bei diesem ganzen europäischen Gesetzgebungsverfahren nicht vergessen – steht, sie müssen Akzeptanz in der Bevölkerung finden. Das halte ich für unverzichtbar wichtig. Von daher bin ich wie gesagt mit dem gefundenen Ergebnis sehr zufrieden und ich glaube auch, dass das eine gute Basis für grenzüberschreitende Dienstleistungen in den nächsten Jahren sein wird.
Remme: Hans-Eberhard Schleyer, Generalsekretär beim Zentralverband des Deutschen Handwerks. Herr Schleyer, vielen Dank für das Gespräch!
Schleyer: Danke Herr Remme.
Am Telefon begrüße ich nun Hans-Eberhard Schleyer, Generalsekretär beim Zentralverband des Deutschen Handwerks. Ich grüße Sie Herr Schleyer!
Schleyer: Guten Tag Herr Remme!
Remme: Herr Schleyer, wir haben gerade gehört: Die jetzt vereinbarte Richtlinie ist weit entfernt vom ursprünglichen Entwurf und die Bundesregierung hat erhebliche Einschränkungen durchgesetzt. Können Sie als Lobbyist heute feiern?
Schleyer: Ich bin zufrieden mit dem gefundenen Ergebnis, denn wir haben uns als Handwerksorganisation sehr frühzeitig für eine Dienstleistungsrichtlinie eingesetzt, mit der Schikanen und ungerechtfertigte Hemmnisse im Binnenmarkt abgebaut werden sollen. Auch wir haben im Handwerk eine Reihe von Dienstleistern, die unter solchen diskriminierenden, unverhältnismäßigen Hemmnissen in der Vergangenheit gelitten haben.
Wir haben aber auch auf der anderen Seite deutlich gemacht, dass ein solcher Abbau nicht um jeden Preis erfolgen kann. Die Stichworte wie Lohn- und Sozialdumping sind gefallen. Dahinter steht die Sorge, dass eine solche Verwirklichung des ursprünglichen Herkunftslandsprinzips zu einem Wettlauf von Rechtsordnungen sozusagen um das laxeste Recht geführt hätte. Das hat dann auch nichts mehr mit Wettbewerb zu tun, denn ein gesunder Wettbewerb kann letztlich nur bei einigermaßen vergleichbaren Voraussetzungen funktionieren. Deshalb sind wir froh, dass auf der einen Seite der Marktzugang jetzt gerechtfertigt ist und gewährleistet sein soll, wir aber auf der anderen Seite im Kern die Bestimmungen des Bestimmungslandes haben, da wo nämlich eine Dienstleistung erbracht werden soll.
Remme: Herr Schleyer können Sie verstehen, dass manch einer es so sieht, dass die Angst vor neuer Konkurrenz gerade in Deutschland größer war als die Hoffnung auf neue Jobs?
Schleyer: Das kann ich verstehen, aber nicht akzeptieren, denn noch einmal: Es hätte uns nichts geholfen, wenn wir sozusagen einen Wettbewerb um jeden Preis, das heißt unter Außerachtlassung all derjenigen Strukturen, die wir in Deutschland, aber nicht nur in Deutschland über die Jahre entwickelt haben, bekommen hätten. Wenn jemand, weil er zu seinen eigenen Bedingungen arbeitet, eben zu einem Bruchteil dessen anbieten kann, was ein deutscher Handwerker etwa verlangen muss, nicht weil er große Gewinne macht, sondern weil er eben vielfältige Vorschriften einzuhalten hat, weil er ganz andere Sozialabgaben und Steuern zu bezahlen hat, dann kann ich einfach nicht mehr von Wettbewerb sprechen.
Remme: Aber welche Chancen hat ein ausländischer Handwerker jetzt noch, wenn er all diese Vorschriften kennen und anwenden muss?
Schleyer: Er hat die Möglichkeiten, wie sie im Grunde genommen in jedem vernünftigen Wettbewerbsumfeld geschehen, durch die Qualität seiner Arbeit, durch Pünktlichkeit und andere Kriterien zu bestehen. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist auch das, was wir uns für unsere Handwerker im benachbarten europäischen Ausland versprechen.
Remme: Hunderttausende neue Arbeitsplätze, hat gerade unser Korrespondent Peter Kapern berichtet, habe der Staatssekretär allein in Deutschland in Aussicht gestellt. Sehen Sie das auch so optimistisch?
Schleyer: Ich glaube, dass mit dieser Einigung jetzt im europäischen Rat sich die Voraussetzungen, im benachbarten europäischen Ausland als Dienstleister zu arbeiten, wesentlich verbessert haben: auf der einen Seite durch die Tatsache, dass es künftig eine Ansprechstelle, einen "One Stopp Shop" geben soll, wo man sich hinwenden kann, wo auch bestimmte bürokratische Obliegenheiten abgenommen werden. Im Übrigen würde ich mir wünschen, dass jetzt nach dieser Verständigung die europäische Kommission das intensiver tut, was sie eigentlich auch in der Vergangenheit hätte tun sollen, nämlich dort Vertragsverletzungsverfahren durchzuführen, wo ganz offenkundig ausländische Dienstleister in ihrer Dienstleistung durch diskriminierende, auch unverhältnismäßige Maßnahmen gegenüber dem Inländer benachteiligt worden sind.
Remme: Herr Schleyer, wie viele zusätzliche Arbeitsplätze verspricht sich Ihr Zentralverband von dieser Regelung?
Schleyer: Das weiß ich, dass Journalisten immer nach konkreten Zahlen gerne fragen.
Remme: Nicht nur Journalisten; auch die Bevölkerung wird es interessieren!
Schleyer: Das ist schwer zu sagen. Ganz generell gilt, dass mit einer solchen besseren Möglichkeit, auch im Ausland zu arbeiten, sich natürlich Wachstums- und damit Beschäftigungschancen verbessern. Das gilt gerade auch für das Handwerk, das in den letzten 15 Jahren doch mit etwa 80.000 Betrieben mehr oder weniger intensiv im Export tätig gewesen ist. Also ich glaube, dass auf diesem Wege durchaus einige Tausend neue Arbeitsplätze entstehen können.
Remme: Gibt es innerhalb des Handwerks Branchen, die besonders hoffen dürfen?
Schleyer: Ich meine nach wie vor, dass all diejenigen besonders hoffen dürfen und von diesen neuen Möglichkeiten mehr Gebrauch machen können, die besonders qualifiziert sind. Das gilt quer durch alle Branchen im Handwerk. Die gute Ausbildung, die gute Weiterbildung, das können sie im Ausland einsetzen, auch dann, wenn sie etwas teuerer sind als ihre europäischen Nachbarn und wenn sie eben nicht durch alle möglichen Barrieren und ungerechtfertigten Hemmnisse daran gehindert sind.
Remme: Auch wenn das jetzt nicht streng genommen Handwerk ist, ist es richtig gewesen, ganze Bereiche, die sozialen Dienstleistungen, rauszunehmen?
Schleyer: Ich glaube, dass das zunächst einmal richtig gewesen ist bei den gewachsenen Strukturen, die wir haben, bei den sehr unterschiedlichen sozialen Sicherungssystemen in Europa. Das schließt ja nicht aus, dass in einem fortlaufenden Integrationsprozess wir in 10 Jahren, in 20 Jahren darüber noch einmal nachdenken und auch im Rahmen einer zunehmenden Harmonisierung manches dann auch anders sehen und bewerten müssen, als das heute der Fall ist, denn über allem – das darf man bei diesem ganzen europäischen Gesetzgebungsverfahren nicht vergessen – steht, sie müssen Akzeptanz in der Bevölkerung finden. Das halte ich für unverzichtbar wichtig. Von daher bin ich wie gesagt mit dem gefundenen Ergebnis sehr zufrieden und ich glaube auch, dass das eine gute Basis für grenzüberschreitende Dienstleistungen in den nächsten Jahren sein wird.
Remme: Hans-Eberhard Schleyer, Generalsekretär beim Zentralverband des Deutschen Handwerks. Herr Schleyer, vielen Dank für das Gespräch!
Schleyer: Danke Herr Remme.