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Schily

DLF: Als vollen Erfolg wertet die CDU-Opposition die von ihr jetzt in Hessen und anderswo begonnene Unterschriftenaktion gegen die generelle Zulassung einer doppelten Staatsbürgerschaft, Herr Schily. Und auch die Freien Demokraten behaupten, Sie und die rot-grüne Regierungskoalition hätten für den von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf zur Erleichterung der Einbürgerung nur die Mehrheit im Parlament, nicht aber in der Bevölkerung. Gibt es aus Ihrer Sicht die Möglichkeit eines überparteilichen Kompromisses bei der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts?

Helmut Hohrmann |
    Schily: Also, zunächst einmal muß man die Behauptung der Oppositionsparteien mit Entschiedenheit zurückweisen, wir hätten keine Mehrheit für das, was wir jetzt uns vorgenommen haben. Wir haben ja im vergangenen Jahr nicht verschwiegen, daß wir das Staatsangehörigkeitsrecht reformieren wollen - übrigens eine Reform, die die vorausgehende Koalition immer wieder angekündigt, aber nicht verwirklicht hat. Daß das Staatsangehörigkeitsrecht aus dem Jahr 1913 der Überarbeitung bedarf: Ich glaube, das wird von niemandem bestritten. Und nachdem wir das im vergangenen Jahr dem Volk unterbreitet haben, haben wir daraufhin eine Wahl vollzogen, und in dieser Wahl haben wir eine deutliche Mehrheit erhalten. Also insofern kann das nicht richtig sein, was von den Oppositionsparteien gesagt wird. Aber ich wäre ja bereit, auch noch einmal die These auf die Probe zu stellen - der Opposition -, ob in dieser Einzelfrage eine Mehrheit für unsere Entwürfe besteht. Dann muß man das aber in einer regulären Form tun und nicht mit irgendeiner Unterschriftensammlung, die man ja auch so durchführen kann, wie man das für richtig hält - ich habe auch nichts dagegen, daß man das tut -, aber wenn, dann bitteschön, machen wir einen richtigen Volksentscheid. Dann müssen wir die Verfassung ändern, und ich warte immer noch auf die Antwort der Oppositionsparteien auf mein Gesprächsangebot zu einer Initiative zur Änderung des Grundgesetzes, die dann einen richtigen Volksentscheid ermöglicht.

    DLF: Dieses Volksbegehren, dieser Volksentscheid: Er steht in Ihren Koalitionsvereinbarungen, aber schon - ich denke, unter dem Eindruck der Unterschriftenaktion der Union - hat Außenminister Joschka Fischer darauf gedrängt, das vielleicht hinten anzustellen, weil er sagt: Minderheitenrechte würden möglicherweise durch eine Mehrheitsentscheidung dann unterdrückt.

    Schily: Also das würde mich wundern, daß der Herr Kollege Fischer von diesem Teil der Koalitionsvereinbarung abrückt. Also, ich bin durchaus bereit, über das Volksentscheidsverfahren zu reden, nur, dann muß man darüber nicht nur räsonieren, sondern dann muß man auch Verhandlungen beginnen. Diese Verhandlungen können morgen begonnen werden, wenn der Wunsch auf Seiten der Opposition vorhanden ist. Sie darf dann aber nicht nur den Mund spitzen, sondern sie muß auch pfeifen. Im übrigen glaube ich, daß über den Inhalt unseres Reformentwurfes doch bei einigen noch Unklarheit herrscht. Inhalt unseres Entwurfes ist nicht die Herbeiführung von möglichst vielen Doppelstaatsbürgerschaften, sondern uns geht es um Integration und um Erleichterung von Einbürgerung. Und damit diese Erleichterung möglich wird und die Integration gefördert wird, nehmen wir die Doppelstaatsbürgerschaft in einem Teil der Fälle hin, ja nicht generell - das ist auch falsch, wenn das behauptet wird. Bei der Ermessenseinbürgerung bleibt die Vermeidung von Mehrstaatlichkeit immer noch - auch ein Grund, mit dem ein Einbürgerungsantrag zurückgewiesen werden kann. Und vielleicht darf ich doch aktuell darauf hinweisen, daß gerade der frühere Rechtsberater der alten Bundesregierung - der Regierung Kohl -, Herr Professor Heilbronner, doch in einer sehr vernünftigen und sachlich gehaltenen Darstellung deutlich gemacht hat, daß die Gefahren, die angeblich von der Mehrstaatlichkeit ausgehen, bei weitem übertrieben werden und daß es gute Gründe gibt für unser Konzept, und - ich muß hinzufügen - daß die Opposition sich widersprüchlich verhält. Denn sie behauptet, bei uns würde durch Mehrstaatlichkeit ein Risiko entstehen, während sie die Mehrstaatlichkeit sogar aktiv fordert in anderen Staaten. Es wird von der CDU/CSU immer gefordert - was ich übrigens für richtig halte -, daß Deutsche, die in Polen leben, nicht nur die polnische Staatsbürgerschaft haben sollen, sondern auch die deutsche. Also wenn dort die Mehrstaatlichkeit nicht von Übel ist, dann finde ich es inkonsequent, wenn man hier die Integration an die Aufgabe der alten Staatsangehörigkeit bindet, dann muß man - genau so, wie ich Verständnis habe für die Deutschen, die ihre Bindungen an Deutschland in Polen nicht aufgeben wollen - Verständnis dafür haben, daß eine Generation, die sozusagen ‚zwischen den Zeiten' lebt, nämlich die Menschen, die auch zum Teil auf unser aktives Zutun nach Deutschland gekommen sind, die hier auf Dauer leben, die wir nie wieder nach Hause schicken können und auch nicht nach Hause schicken wollen, daß wir denen gleiche Rechte geben, aber nicht zumuten, ihre Bindung an die alte Heimat völlig zu kappen. Das tun übrigens auch deutsche Auswanderer nicht, die ins Ausland gehen - und die sind ja nicht in geringer Zahl ins Ausland gegangen. Auch bei denen ist die emotionale Bindung an Deutschland noch vorhanden. Deshalb stellen wir übrigens die deutschen Staatsbürger auch mit unserem Reformwerk gleich, das heißt: Jemand, der jetzt in die USA geht und dort seinen Daueraufenthalt nimmt und vielleicht dann auch die amerikanische Staatsangehörigkeit erhält, wird von unserer Seite nicht auferlegt, daß er seine deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben muß.

    DLF: Nun gibt es aber auch Kritik - wenn auch nicht sehr verbreitet - aus den eigenen Reihen, Herr Schily. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ihr Kollege Hans-Ulrich Klose, verweist auf einen Fall, der prekär werden könnte: Ein Türke, der hier lange wohnt, deutscher Staatsbürger wird, seine alte türkische Staatsbürgerschaft behält, könnte, wenn er sich als Aktivist für Menschenrechte etwa betätigt, in der Türkei verhaftet werden - und eine Intervention des deutschen Botschafters wäre - so argumentiert Klose - erfolglos, weil die Türkei sich auf die türkische Staatsbürgerschaft dieses Mannes beriefe.

    Schily: Ja, dieser Fall, den Herr Klose anspricht, der ist sicherlich zutreffend. Nur: Es wird ja niemand gezwungen, die alte Staatsangehörigkeit beizubehalten. Ich empfehle sogar den Menschen, die sich einbürgern lassen können - auch jetzt auf Grund unseres Reformwerkes -, die alte Staatsangehörigkeit aufzugeben. Das finde ich richtig und konsequent. Nur wir zwingen niemanden. Also derjenige, der sich aktiv in der Türkei für Menschenrechtsfragen einsetzt und auf diese Weise auch den diplomatischen Schutz Deutschlands in Anspruch nehmen will, kann ja die türkische Staatsangehörigkeit aufgeben. Das ist ja seine Entscheidung. Aber Herr Klose irrt sich leider insofern, als er meint, durch unsere Reform würde das Entstehen von Parallelgesellschaften gefördert. Das Gegenteil ist richtig. Wir müssen leider beobachten, daß durch die Verweigerung der Staatsbürgerschaft gegenüber einem großen Teil der Menschen ausländischer Herkunft solche Parallelgesellschaften geradezu in der Tendenz nach unterstützt werden. Das möchte ich eben nicht. Ich möchte ja eben, daß wir Menschen - gerade auch die jungen Menschen - ausländischer Herkunft stärker an unseren Staat heranführen - die Motivation stärken, daß sie sich mit diesem Staat und der Demokratie, die hier herrscht, identifizieren. Und deshalb haben wir ja auch sehr klare Regelungen gefaßt, daß nur derjenige, der unsere hiesige Verfassung und Rechtsordnung anerkennt, einen Einbürgerungsanspruch haben kann. Und selbstverständlich gehört auch dazu, daß man die hiesigen Gesetze beachtet und nicht als Straftäter auffällig wird.

    DLF: Herr Schily, gesetzt den Fall, Ihr Gesetzentwurf bliebe, so wie Sie ihn vorgelegt haben, in den parlamentarischen Beratungen, er ginge durch Bundestag und Bundesrat und müßte ja dann doch durch die Länderverwaltungen umgesetzt werden. Schon bei dem Thema ‚Prüfung der Sprachfähigkeit' der neu Einzubürgernden könnte es doch eine sehr unterschiedliche Verwaltungspraxis geben.

    Schily: Ja, also zunächst einmal ist natürlich jeder eingeladen, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch Verbesserungsvorschläge zu machen. Auch die Opposition ist dazu herzlich eingeladen, wenn sie konstruktive Vorschläge hat. Ich verweigere mich auch nicht Gesprächen. Sie wissen, daß auch einige Oppositionspolitiker sich zu Gesprächen mit mir verabredet haben und daß solche Gespräche geführt werden. Nur kann mich das nicht hindern, auch das, was bisher auf dem Tisch liegt an Veränderungsvorschlägen, doch kritisch zu bewerten. Das, was die F.D.P. vorschlägt - als sogenanntes Optionsmodell -, ist weder von der Verfassung her unproblematisch, noch ist es unproblematisch in Hinsicht auf die verwaltungspraktische Umsetzung. Das muß ich hier an der Stelle - gerade, weil Sie auf die Verwaltungspraxis eingehen - anmerken. Denn wenn man sich dieses Optionsmodell mal anschaut, dann müßte ja dann irgendwann die Verwaltungsbehörde prüfen: ‚Ja, hat der nun - und unter welchen Voraussetzungen hat er die Mehrstaatlichkeit nicht aufgegeben, hat also von diesem Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht . . . und unterläuft er das nicht, indem er die zweite Staatsangehörigkeit aufgibt aber sie innerhalb von 14 Tagen wieder annimmt?' - Alle diese Fragen stellen sich dann, und wenn man sich dann vorstellt, die entsprechenden Behörden müßten Ermittlungen anstellen, dann kann man sich vorstellen, was das für ein gigantischer Verwaltungsaufwand wäre, der überhaupt nicht zu bewältigen ist. Ich lege großen Wert darauf, daß wir mit unserem Gesetzgebungsvorhaben die Verwaltungsprobleme vereinfachen. Wir werden nämlich dafür sorgen, daß gerade bei den Aussiedlern, die zu uns kommen als Volksdeutsche, die ohnehin einen Einbürgerungsanspruch haben, daß da die Verwaltungsprozeduren erheblich vereinfacht werden. Das wird den Verwaltungsaufwand erheblich mindern. Im übrigen haben wir auch vorgesehen, daß die Einbürgerungsgebühr ganz erheblich gesteigert wird - verdreifacht wird. Und das halten wir auch für zumutbar. Insofern ist auch die finanzielle Seite abgedeckt. Aber zur Verhinderung unterschiedlicher Verwaltungspraxis kann es durchaus sein, daß wir auch gemeinsame Verwaltungsvorschriften zustande bringen. In dem Punkt bin ich im Gespräch mit meinen Innenministerkolleginnen und -kollegen. Ich werde selbstverständlich auch mit meinen Innenministerkollegen diese Frage erörtern.

    DLF: Herr Schily, das, was die CDU als Integrationskonzept Ihrem Entwurf entgegengestellt hat, liest sich teilweise in seinem ersten Teil wie eine Aufzählung der integrationspolitischen Versäumnisse der vergangenen Jahre . . .

    Schily: . . . richtig . . .

    DLF: . . . in der Schule, in der Familie, im nachbarschaftlichen Umfeld. Was läßt sich denn seitens des Bundesinnenministers - und was müßte seitens der Länderminister und der Kommunen nun tatsächlich begleitend zur Neuregelung des Staatsbürgerschaftsrechtes geschehen?

    Schily: Also ich darf das nochmal unterstreichen, was Sie gesagt haben. Dieses Papier, das der Herr Rüttgers wohl im wesentlichen verfaßt hat, hat durchaus positive Seiten. Aber es ist in der Tat eine Liste der Versäumnisse der alten Bundesregierung und vielleicht auch zum Teil in anderen Bereichen. Wenn in diesem Papier besonders hervorgehoben wird, daß die Überwindung von Sprachbarrieren notwendig ist, dann teile ich diese Auffassung. Ich glaube, daß Integration sehr weitgehend davon abhängig ist, daß diese sprachlichen Defizite aufgeholt werden. Das ist ähnlich wie bei den Aussiedlern. Auch dort haben wir ja das Problem, daß gerade jugendliche Aussiedler mitunter sich dann von der Gesellschaft isolieren, wenn sie kein gutes Deutsch können, und daraus entstehen dann wiederum andere Gefährdungen, auch das Abrutschen in Kriminalität. Deshalb lege ich großen Wert darauf, daß also die Angebote für Sprache verbessert werden. Soweit der Bund dazu beitragen kann, wird er sich da auch engagieren. Es ist aber in erster Linie Ländersache. Bei den Aussiedlern tut das der Bund ja durch Sprachprogramme, die wir übrigens erheblich aufstocken, auch jetzt im neuen Etat. Ich kann auch nur die Länder und die Kommunen ermuntern, das, was da an Programmen möglich ist - auch in Einbeziehung in gesellschaftliche Bereiche bis hin zu der Frage, daß wir auch Menschen ausländischer Herkunft in den engeren Bereich der hoheitlichen Verwaltung einbeziehen, etwa in die Polizei oder ähnliches -, diese Möglichkeiten doch zu prüfen und auch dann von ihnen Gebrauch zu machen.

    DLF: Herr Minister, Sie haben die Neuregelung des Staatsbürgerschaftsrechts in den Vordergrund Ihrer Arbeit im neuen Jahr gestellt. Wie stark leiden darunter andere wichtige Themen, etwa eine Neubewertung von Teilen des Asylbewerberverfahrens - ich sage nur die Stichworte ‚Flughafenregelung', ‚Abschiebehaft' - oder auch das, was Sie in den Koalitionsvereinbarungen über Kriminalitätsprävention vorgeschlagen haben, um nur diese zwei Stichworte zu sagen?

    Schily: Also darunter leidet überhaupt nichts, sondern ganz im Gegenteil: Die Staatsangehörigkeitsreform dient dem inneren Frieden. Sie wird die gefährlichen Spaltungstendenzen, die in der Gesellschaft erkennbar sind, überwinden helfen. Aber wir haben natürlich viele parallele Vorhaben, die deshalb nicht zu kurz kommen. Dazu gehört auch eine Überprüfung des Flughafenverfahrens, das als solches nicht in Frage gestellt werden kann, wenn wir nicht das ganze Konzept des Asylkompromisses auflösen wollen. Es ist ja auch verfassungsrechtlich vom Bundesverfassungsgericht als gangbar anerkannt worden, sondern es geht nur um die praktische Durchführung. Man kann sehr gut gegenüberstellen: Im Münchener Flughafen funktioniert das Flughafenverfahren reibungslos und ich habe mir das von einem Fraktionskollegen bestätigen lassen, der sich das noch einmal angeschaut hat - auch ohne große menschliche Belastungen. Am Flughafen Frankfurt beurteile ich die Lage anders. Dort ist die räumliche Unterbringung der Personen, die in dieses Flughafenverfahren kommen, unzulänglich. Ich habe deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich in Zusammenarbeit mit der Flughafenverwaltung und dem Land Hessen dieses Problems annehmen wird, und ich hoffe, daß wir zu einer guten Lösung kommen werden. Aber man darf diese Verhältnisse nicht dazu benutzen, zu sagen: Wir stellen das Flughafenverfahren insgesamt in Frage. Was die Frage der Kriminalprävention angeht, darf ich den Hinweis geben, daß wir im vergangenen Jahr auf der Innenministerkonferenz das ‚Deutsche Forum für Kriminalprävention' ins Leben gerufen haben. Davon verspreche ich mir eine viel gründlichere und durchdachtere Politik der inneren Sicherheit, weil: Wenn wir uns stärker mit den Kriminalitätsursachen befassen, können wir auch die besseren Bekämpfungsstrategien entwickeln. Und in der Frage der inneren Sicherheit gilt eine Erkenntnis, die wir aus der Umweltpolitik doch inzwischen als Allgemeingut ansprechen können - daß Vorsorge immer besser ist als Nachsorge. Und deshalb müssen wir gerade den kriminalitätsfördernden Bedingungen entgegenwirken. Ich werde im übrigen natürlich auch, was von der organisatorischen Seite her getan werden kann in der Zusammenarbeit zwischen Bundesgrenzschutz und Länderpolizeien, alles tun, um diese Zusammenarbeit zu fördern. Ich unterzeichne in den nächsten Tagen mit meinem Innenministerkollegen Bökel aus Hessen eine Vereinbarung, die den Großraum Frankfurt angeht, um die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesgrenzschutz und der Landespolizei in Hessen auf eine gute Grundlage zu stellen. Das ist eine Sicherheits- und Ordnungspart-nerschaft, von der ich glaube, daß sie der inneren Sicherheit förderlich sein wird.

    DLF: Parallel dazu haben Sie für ein halbes Jahr die Präsidentschaft in der Europäischen Union in Sachen innere Sicherheit. Die Vorhaben, die Sie dort haben, nämlich eine bessere Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der Geldwäsche und der Koordinierung der Flüchtlings- und Immigrationspolitik - bis hin zur Einsetzung eines eigenen EU-Kommissars dafür -: Lassen die sich in einem halben Jahr wirksam nach vorne bringen?

    Schily: Wir haben uns auf diesem Gebiet sehr viel vorgenommen, das Arbeitsprogramm ist sehr sehr groß. Aber ich glaube schon, daß wir auf einigen Gebieten deutlich vorankommen können. Ich hoffe, daß es gelingen wird, im Rahmen der deutschen Präsidentschaft die Dinge mit EUROPOL, also der europäischen Polizeibehörde, so weit zu regeln, daß auch EUROPOL nun mit seiner Arbeit beginnen kann. Da sind noch einige technische und organisatorische Probleme zu lösen. Aber dank - auch, glaube ich - der Mitwirkung Deutschlands und des deutschen Innenministers - noch unter der österreichischen Präsidentschaft, also im vergangenen Jahr - ist es immerhin gelungen, die Personalfragen bei EUROPOL zu lösen. Bekanntlich hat der deutsche Beamte Jürgen Storbeck die Führung übernommen. Es wird uns hoffentlich gelingen, auch EURODAC - das heißt, das System zur Abnahme von Fingerabdrücken - zu installieren und dort die noch offenen Fragen zu klären. Auch das ist wichtig, gerade auch zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität. Sie haben das Problem ‚Geldwäsche' angesprochen: Auch dort werden wir die Zusammenarbeit verstärken, denn wir müssen uns - gerade was die Einführung der europäischen Währung angeht - vor Augen führen, daß dort die Taten zunehmen: Auf der einen Seite durch verstärkte Umtauschaktivitäten, aber daß auf der anderen Seite auch die Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden größer sind - weil diese Umtauschaktivitäten stattfinden - die Zugriffsmöglichkeiten zu verbessern. Es gibt eine ganze Reihe von anderen Fragen. Sie haben angesprochen die Vereinheitlichung und Harmonisierung der Politik auf dem Gebiet der Asylgewährung zur Erkennung eines Flüchtlingsschutzes und auch Immigrationsfragen. Auf dem Gebiet sind die Fragen sehr sehr viel schwieriger, weil die jeweiligen nationalen Vorbehalte, die sich aus den nationalen Gegebenheiten entwickeln, sehr viel größer sind. Aber in dem Punkt beherzige ich die Erkenntnis, die gerade mal von holländischer Seite so formuliert worden ist: Gerade, wenn ein Ziel noch sehr weit entfernt liegt und der Weg dorthin steinig und hindernisreich ist, muß man die Anstrengungen umso höher bemessen und sich frühzeitig auf den Weg machen. Und selbst, wenn wir dort nicht etwas abschließen können, können wir dann vielleicht am Ende der Präsidentschaft sagen, daß wir wenigstens in Richtung dieser zu erreichenden Ziele ein Stückchen vorangekommen sind.

    DLF: Es kommt in den nächsten Wochen auf Sie eine neue Tarifrunde im öffentlichen Dienst zu. Sie haben schon ein bißchen davor gewarnt, zu viel zu verlangen. Was bieten Sie den Gewerkschaften als Bundesinnenminister aber an, wenn Sie bei Lohnzurückhaltung wenigstens die Sicherung und möglicherweise Neuschaffung von Arbeitsplätzen verlangen?

    Schily: Also ich glaube, die Gewerkschaften, die Tarifpartner auf der anderen Seite, tun gut daran, die Unterschiede richtig einzuordnen, die zwischen dem öffentlichen Sektor und dem privatwirtschaftlichen Sektor bestehen. Angesichts der angespannten Finanzlage der öffentlichen Haushalte sind die Spielräume für zusätzliche Einkunftsverbesserungen erheblich eingeschränkt. Der Anteil der Personalkosten an den öffentlichen Haushalten liegt sehr hoch. Wir würden bei anderem Verhalten die öffentlichen Haushalte aus dem Lot bringen. Auf der Grundlage muß ich verhandeln.

    DLF: Aber Sie müßten doch - das war meine Frage - bei mäßigen Lohnsteigerungen wenigstens das Angebot machen, mehr Beschäftigung zu schaffen im Rahmen des möglichen.

    Schily: Ja, also natürlich ist auch der öffentliche Sektor Bestandteil des Bündnisses für Arbeit, aber ich glaube nicht, daß große Aussichten bestehen, noch zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Ich bin schon froh, wenn der Stand der Beschäftigung im öffentlichen Sektor einigermaßen gehalten werden kann. Ich gehöre nicht zu denen, die von vornherein sagen: ‚wir müssen nun auf Teufel komm raus Personal abbauen', aber wir können zum Teil - im Sinne der Straffung von Arbeitsabläufen und ähnlichem - an der einen oder anderen Stelle auch nicht von Personaleinsparungen absehen, und es gibt ja auch zum Teil Einstellungssperren, die wir gar nicht überwinden können. Wofür ich mich einsetze - und man muß mal sehen, wie weit man das konkretisieren kann, aber das habe ich an der einen oder anderen Stelle schon des öfteren geäußert - daß wir uns gerade im Ausbildungssektor engagieren. Der Bund kann für sich sagen, daß er da schon eine Menge geleistet hat. Und soweit das noch stärker ausgebaut werden kann, werde ich das sicher mit einem positiven Ansatz prüfen. Ich habe auch gesagt, daß wir den Versuch unternehmen, über den eigenen Bedarf auszubilden. Und dann müssen wir allerdings darauf achten, daß die Ausbildung so stattfindet, daß diejenigen, die ausgebildet werden, auch in anderen Beschäftigungsfeldern gebraucht werden. Nicht wahr, wir können da nicht eine Ausbildung so durchführen, daß der Mensch, der dort ausgebildet wird, praktisch nur in dem engeren öffentlichen Bereich etwas zu tun findet, sondern er muß dann Eigenschaften und Fähigkeiten erwerben können, die ihm auch Chancen im privaten Bereich eröffnet.