Donnerstag, 18. April 2024

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Schily erneut mit scharfer Kritik am Bundesdatenschutz-Beauftragten

Bundesinnenminister Otto Schily hat die Einführung neuer Reisepässe mit biometrischen Daten gegen die Kritik unter anderem des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar verteidigt. Der Datenschutz bei dem neuen System sei "in vollem Umfang gewährleistet", betonte Schily. Datenschützer hätten das ausdrücklich bestätigt, so der SPD-Politiker.

Moderation: Bettina Klein | 17.06.2005
    Bettina Klein: Organisierte Kriminalität und internationaler Terrorismus, damit beschäftigen sich die Innen- und Justizminister der G-8-Staaten, derzeit bei einer Konferenz im nordenglischen Sheffield: Austausch von DNA-Daten, Austausch von Passagierdaten zwischen Airlines etwa und biometrische Daten in Reisepässen, das sind durchaus geeignete Maßnamen auch aus Sicht der Bundesregierung. Was verspricht sich die Regierung von der Zusammenarbeit auf dieser Ebene? Diese Frage geht an Bundesinnenminister Otto Schily, derzeit in Sheffield. Guten Morgen, Herr Schily.

    Otto Schily: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Die Abstimmung bei diesen Themen, zum Beispiel beim Datenschutz, ist schon innerhalb der EU ja nicht ganz einfach, auch nicht zwischen USA und EU. Was passiert, wenn etwa Staaten wie Russland da auch noch miteinbezogen werden müssen?

    Schily: Ich will mal versuchen Ihnen das letzte Thema, was wir erörtert haben, zu vermitteln. Es geht um die Bekämpfung einer der abscheulichsten Kriminalitätsformen, nämlich des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Das ist eine Kriminalitätsform, die sich auch sehr stark ausbreitet über das Internet und da kommt es sicherlich auch darauf an, dass der Datenschutz zu Gunsten der Opfer gewährleistet bleibt. Aber es kommt auch darauf an, dass wir die Zusammenarbeit stärken, um diesen Verbrechern, die Kinder zerstören, die seelische Störungen von Kindern sich zu Schulden kommen lassen, verstärken.
    Klein: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie die Zusammenarbeit verstärken?

    Schily: Da haben wir eine sehr konkrete Maßnahme vor Augen. Das hat uns gestern - auch das ist übrigens zurückzuführen auf eine deutsch-italienische Initiative, dass wir ein Datensystem aufbauen, mit dem wir diese Täter sehr viel besser ermitteln können. Da geht es darum, das Bildmaterial, was dann im Umlauf ist, so zu vergleichen aufgrund bestimmter Merkmale, beispielsweise wie ein Heizungskörper aussieht oder wie eine bestimmte Wand aussieht oder ein bestimmtes sonstiges Detail, dass wir das mit den modernen Mitteln der Informationsverarbeitung so vergleichen, dass wir daraus Erkenntnisse gewinnen können, die Täter zu fassen. Das ist schon in der Vergangenheit in einem bestimmten Umfang gelungen. Sie wissen vielleicht, dass gerade in jüngster Zeit dank der guten Zusammenarbeit zwischen Interpol, Europol und dem Bundeskriminalamt wir einige Ermittlungen erfolgreich durchführen konnten. Aber das können wir noch erheblich verstärken, weil wir die Schnelligkeit, die Zeit, die wir brauchen, um diese Ermittlungen durchzuführen, durch moderne Informationsmittel verbessern können. Dafür haben wir ein bestimmtes System entwickelt, eine Software entwickelt und wir werden das auch gemeinsam finanzieren in Zusammenarbeit mit Interpol. Ich glaube, jeder kann darüber froh sein, dass diese Zusammenarbeit vorankommt. Aber ähnliches gilt natürlich auch für Bereiche der organisierten Kriminalität. Die organisierte Kriminalität ist heute im wesentlichen grenzüberschreitend, findet nicht nur im nationalen Rahmen statt. Da geht es auch um schlimme Verbrechen, um Menschenhandel, um Drogenhandel, um Waffenhandel, um Geldwäsche und auch in dem Punkt muss die internationale Zusammenarbeit noch enger gestaltet werden als bisher.

    Klein: Wenn Sie von Zusammenarbeit sprechen, die ja sicherlich sehr wichtig ist, auf welcher rechtlichen Grundlage passiert das dann bei so unterschiedlichen Rechtssystemen wie zum Beispiel EU-Staaten und Russland?

    Schily: Ja, wir haben da ja bestimmte Vereinbarungen in der Interpolzusammenarbeit und es gibt ja auch eine Reihe von bilateralen oder multilateralen Vereinbarungen. Es gibt völkerrechtliche Konventionen, zum Beispiel auch bei der organisierten Kriminalität ist da ein Prozess in Gang gekommen. Dafür gibt es die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen, und jeder Staat muss sich auch an das halten, wo er national die Grenzen gezogen hat.
    Klein: Eine weitere Nachricht gestern war ja, dass die USA nun doch ein weiteres Jahr Frist geben für die Einführung von Reisepässen mit biometrischen Daten. Wie kam es denn jetzt zu dieser Entscheidung?

    Schily: Ja, da gibt es wohl auf der USA-Seite die Haltung, dass einige Staaten doch noch etwas Schwierigkeiten haben, um mit dieser Einführung zu beginnen. Das ist wohl die Erwägung, die dabei im Hintergrund steht. Aber auch darüber gab es gestern vollkommene Übereinstimmung, dass wir unsere Reisepässe und Ausweisdokumente, soweit über Ausweisdokumente zu reden ist, mit biometrischen Merkmalen versehen wollen. Das ist auch eine sehr sinnvolle Maßnahme, weil auf diese Weise die Fälschungssicherheit erheblich erhöht wird und wir auch die Möglichkeiten schaffen für einen besseren Fahndungsabgleich. Auch das ist im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und da Sie gerade vom Datenschutz gesprochen haben: Wir haben unser System so entwickelt, dass der Datenschutz in vollem Umfang gewährleistet bleibt. Das ist uns auch von den Datenschützern ausdrücklich bestätigt worden.

    Klein: Dennoch hat der Bundesdatenschutzbeauftragte ja gerade gestern gefordert, diese Frist von einem weiteren Jahr jetzt doch noch mal zu nutzen, um darüber nachzudenken, ob man den Fingerabdruck tatsächlich aufnehmen soll. Ist das ganz falsch?

    Schily: Nein, der Herr Schaar überschreitet da seine Befugnisse. Man muss ihm das immer wieder sagen. Herr Schaar hat darüber zu wachen, ob der Datenschutz gewährleistet ist. Es ist aber nicht seine Sache, darüber zu befinden oder auch dazu irgendwelche Meinungen kund zu tun in amtlicher Eigenschaft, ob es sinnvoll ist, biometrische Merkmale in den Pass einzuführen und welcher Zeitpunkt dafür geeignet ist. Ich empfehle Herrn Schaar in dem Punkt wirklich mehr Zurückhaltung. Er missbraucht an der Stelle sein Amt. Er hat, wie gesagt, über den Datenschutz zu wachen. Da hat er uns ausdrücklich bestätigt, ich wiederhole das, dass der Datenschutz völlig gewährleistet ist. Aber ob wir das tun und ob das notwendig ist, das hat nun wahrlich nicht Herr Scharr zu entscheiden. Und ich will Ihnen etwas sagen: Der 21. Täter vom 11. September ist durch Europa gereist mit einem gefälschten französischen Pass. Sie sehen, wir haben Anfang diesen Jahres eine Ermittlung durchgeführt und haben bei Terrorverdächtigen eine Reihe von gefälschten Pässen gefunden. Wollen wir das so weitergehen lassen? Ich frage Sie das und deshalb, Frau Klein, werden wir entschlossen auf diesem Weg weitergehen. Das haben wir auf der europäischen Ebene längst so beschlossen, ohne dass da irgendeiner dagegen Einwände erhoben hat. Und der Herr Schaar muss sich damit auch abfinden. Der kann ja als Staatsbürger auch privat seine Meinung dazu haben, aber ich bin in der Verantwortung, die Menschen vor Terror und Verbrechen zu schützen und die nehme ich entschlossen wahr.