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Schlammschlacht im tschechischen Wahlkampf

Die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach 1945 hat der tschechische Außenminister in einem Interview als "schwere Verletzung der Menschenrechte" bezeichnet. Seine politischen Gegner stellen ihn im Wahlkampf darum als anti-tschechisch dar.

Von Stefan Heinlein | 23.01.2013
    Im Kampf um die Prager Burg hat Milos Zeman die Samthandschuhe ausgezogen. Kurz vor der Entscheidung kramt der Linkspopulist tief in der Vergangenheit. In einer Fernsehdiskussion fährt der ehemalige Ministerpräsident schweres Geschütz auf:

    "Wer einen tschechoslowakischen Präsidenten als Kriegsverbrecher bezeichnet, spricht nicht wie ein Präsident sondern wie ein Sudetendeutscher."

    Den Buhrufen zum Trotz – seit wenigen Tagen dreht sich der Wahlkampf fast ausschließlich um das Thema Flucht und Vertreibung der drei Millionen Sudetendeutschen. Auf die Frage eines Zuschauers nach der heutigen Gültigkeit der Benes-Dekrete, hatte Außenminister Karel Schwarzenberg erklärt:

    "Was wir nach 1945 getan haben – würde heute als schwere Verletzung der Menschenrechte verurteilt werden. Wahrscheinlich würde sich die damalige Regierung einschließlich des Präsidenten Benes in Den Haag verantworten müssen."

    Der spontane Applaus des Studiopublikums ist mittlerweile einer heftigen öffentlichen Debatte um die Vergangenheit gewichen. Die Bemerkung des Fürsten sorgt für dicke Schlagzeilen in den Medien und Streit an den Stammtischen. Auch der scheidende Amtsinhaber Vaclav Klaus meldet sich zu Wort:
    "Die Bemerkung eines Präsidentschaftskandidaten das Edward Benes vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gehört ist eine Missachtung unserer Geschichte. Ich fühle mich dadurch als Tscheche bedroht."

    Auch im Internet hat der Wahlkampf deutlich an Schärfe zu genommen. Mit einer breiten Facebook- und Twitter-Kampagne mobilisierte Karel Schwarzenberg in der ersten Runde vor allem viele junge Wähler. Nun schlägt Milos Zeman im Netz zurück. Ein Bild zeigt einen schlafenden Außenminister vor der schwarz-rot-goldenen Fahne und der Silhouette des deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 – dazu der Spruch "Das ist meine Heimat." Eine üble Schmutzkampagne meint der Politologe Lukas Jelinek:

    "Das spült den Dreck an die Oberfläche. Karel Schwarzenberg soll als vaterlandsloser Geselle dargestellt werden. Er gehört angeblich nicht zur tschechischen Nation."

    Auch das Präsidentenehepaar Klaus kritisiert die Exilvergangenheit von Karel Schwarzberg während der sozialistischen Jahrzehnte. Livia Klausova lästert über die mangelnden tschechischen Sprachkenntnisse der österreichischen Gattin des Fürsten und das amtierende Staatsoberhaupt teilt mit:
    "Mir ist sehr wichtig – ein tschechischer Präsident muss sein Leben in unserem Land verbracht haben – in guten wie in schlechten Zeiten."

    Nach einer ersten Schockstarre über die rückwärtsgewandte Wahlkampagne seiner politischen Gegner geht Karel Schwarzenberg jedoch jetzt wieder in die Offensive. Die gemeinsamen Angriffe von Klaus und Zeman seien ein Beleg für den Zusammenhalt der alten Machteliten.

    "Das ist alles ein riesiger Betrug. Klaus und Zeman waren nie poltische Gegner. Die Präsidentenwahl entscheidet deshalb. Geht es weiter mit diesem alten Machtbündnis oder beginnt eine neue Ära in unserem Land."

    In den Umfragen kurz vor der Stichwahl liegt Milos Zeman mit etwa sechs Prozent in Führung. Doch in der ersten Runde lagen die Prognosen der Meinungsforschungsinstitute meilenweit vom tatsächlichen Endergebnis entfernt. Auch diesmal wird deshalb durchaus mit Überraschungen gerechnet.