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Schlammvulkan Lusi
Kochend heiße Eruptionen

Am 29. März 2006 brach im Nordosten Javas eine 50 Meter hohe Fontäne aus kochend heißem Schlamm aus dem Boden: Lusi war "geboren", ein Schlammvulkan, der bis heute nicht zum Stillstand gekommen ist. Geophysiker wollen jetzt herausgefunden haben, welche Energie Lusi antreibt.

Von Dagmar Röhrlich | 25.10.2017
    Schlammvulkan in Namaskard (Island)
    Fatale Urgewalt: Seit 2006 mussten wegen Lusis kontinuierlichem Ausbruch mehr als 60.000 Menschen ihre Häuser verlassen, 13 starben (picture alliance / Hinrich Bäsemann)
    Reisfelder und Gärten verschwanden, ein Highway, ganze Dörfer: Wo früher 60.000 Menschen lebten, erstreckt sich heute auf einer Fläche von sieben Quadratkilometern eine graue, stinkende Schlammwüste. In Schach gehalten wird der an seinen Quellen kochend heiße Schlamm durch Dämme und einen Kanal. Der leitet einen Teil dessen, was täglich aus dem Boden quillt, in einen Fluss.
    "Wir reden von 60.000 bis 80.000 Kubikmetern Schlamm pro Tag, wobei sich die Förderrate durchaus verdoppeln kann", erklärt Andriano Mazzini von der Universität Oslo. "Rund 70 ungewöhnlich starke Förderphasen haben wir seit 2006 verzeichnet - und zwar immer im Zusammenhang mit Erdbeben oder verstärkter Aktivität an dem nur zehn Kilometer entfernten Arjuno-Welirang-Vulkankomplex. Das kann kein Zufall sein."
    Ein Netzwerk unterirdischer Messstationen
    Um die treibende Kraft hinter Lusis Schlammproduktion zu entschlüsseln, durchleuchten Mazzini und sein Team den Untergrund mit einem Netzwerk seismischer Messstationen: Es fängt kleine Erschütterungen auf, etwa die durch den Verkehr oder von starken Regenfällen oder Stürmen.
    "Unsere Tomographie des Untergrunds liefert bis in sechs Kilometern Tiefe ein gutes Bild. Wir erkennen, dass die Magmakammer des Arjuno-Welirang über eine tektonische Störung mit Lusi verbunden ist. Diese Störung fungiert als eine Art unterirdischer "Kanal", über den heiße Flüssigkeiten in Richtung Lusi vordringen, und zwar durch Sedimente hindurch, die in einem urzeitlichen Meer abgelagert wurden. Unterhalb von Lusi sammeln sich die Fluide dann in einer pilzförmigen Struktur und schlagen zur Oberfläche durch."
    Heißes Wasser, Gas und Sediment vermischen sich dabei zu dem Schlamm, den Lusi ausspuckt. Dass die Fluide unter "vulkanischem Einfluss" stehen, hatten zuvor schon geochemische Untersuchungen nahegelegt:
    Der hohe Überdruck muss entweichen
    "Heiße Flüssigkeiten vom Vulkankomplex dringen im Untergrund in Sedimente ein, die sehr reich sind an organischem Material", so Adriano Mazzini. "Es handelt sich um das Muttergestein der Öl- und Gaslagerstätten der Region. Die Fluide kochen diese Sedimente regelrecht durch und setzen dabei reichlich Gase und Wasser frei. Dadurch baut sich mit der Zeit im Untergrund ein hoher Überdruck auf, der entweichen muss."
    Inzwischen läuft das sogar über zwei aktive Krater, jeder mit einem Durchmesser von rund 100 Metern. Vor kurzem hat sich noch eine dritte Öffnung gebildet.
    "Im Grunde genommen 'atmet' die gesamte Region. Wir zählen rund um Lusi mehr als 16.000 Sickerstellen, an denen Methan und Kohlendioxid austritt. Dieser Gasfluss scheint so hoch zu sein wie an einem aktiven vulkanischen System."
    Kein Ende in Sicht
    Lusi ist etwas Besonderes: Schlammvulkane haben normalerweise nichts mit echten Vulkanen zu tun. Sie entstehen dort, wo wasserhaltiger Schlamm im Untergrund unter so hohem Druck steht, dass er ausbricht und herausquillt. Bei Lusi spielt jedoch die hydrothermale Aktivität des Vulkans eine zentrale Rolle - und ein Ende ist nicht in Sicht:
    "Wir wissen, dass Erdbeben das Verhalten von Lusi beeinflussen und sehen die Verbindung zum Arjuno-Welirang-Vulkankomplex, der reichlich Nachschub an heißen Fluiden liefert. Hier hängt alles zusammen. Das macht es äußerst schwierig, die Dauer des Ausbruchs vorherzusagen."
    Bleibt die Frage, warum der Ausbruch ausgerechnet am 29. Mai 2006 begann. Nach Mazzinis Meinung hat das mit einem starken Erdbeben zu tun, das zwei Tage zuvor Java erschüttert hatte. Andere Forscher sehen die Ursache eher in einer schlecht gesicherten Gasbohrung, die die Schlammblase angestochen hat. Dieser Streit dauert an.