Silvia Engels: Das Bundeskabinett in Berlin hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das ausgesprochen ungewöhnlich ist, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Der Entwurf trägt den Namen Rettungsübernahmegesetz, doch dahinter verbirgt sich letztlich nichts anderes als die Möglichkeiten, Banken zu verstaatlichen, ja im Extremfall auch andere Anteilseigner zu enteignen.
Mitgehört hat Josef Schlarmann. Er ist der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union. Guten Tag, Herr Schlarmann.
Josef Schlarmann: Guten Tag, Frau Engels.
Engels: Sie gelten als profilierter Vertreter marktwirtschaftlicher Grundsätze in der Union und haben das Gesetz schon im Vorfeld kritisiert. Was ist denn für Sie das Schlimmste an dieser Regelung?
Schlarmann: Da gibt es mehrere Punkte. Ich will vielleicht nur mal beginnen mit dem Zweck des Gesetzes. Wir haben gerade in den Nachrichten gehört - ich glaube, es war die Stimme des Bundesfinanzministers, der gesagt hat, mit der Möglichkeit der Enteignung sollen öffentliche Mittel, die in eine Bank (in diesem Fall die Hypo Real Estate) gesteckt worden sind, gesichert werden. Das reicht natürlich schon nach dem Gesetzestext, den ich hier vor mir habe, gar nicht aus, um eine Enteignung zu begründen. Dort heißt es, "zur Sicherung der Finanzmarktstabilität können Enteignungen vorgenommen werden". Damit beginnt schon der erste große Bereich der Unsicherheit. Enteignungen dürfen nie gemacht werden, um Gelder, die der Staat vielleicht unvorsichtigerweise anderen zur Verfügung gestellt hat, zu sichern, sondern hier geht es um die Finanzmarktstabilität als öffentliches Gut und dort muss der Zusammenhang nachgewiesen werden und das kann ich im Fall der Hypo Real noch gar nicht erkennen.
Engels: Das heißt, Sie denken, das Gesetz wird möglicherweise zu vage sein, wird vielleicht auch Nachahmer finden, also dass es mehrfach angewandt wird?
Schlarmann: Ja. Das Gesetz ist so unbestimmt, dass es Unsicherheiten, Auslegungsspielräume bietet und mit Sicherheit dann zu einem anschließenden Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kommen wird, mit all den Zweifeln, die dann bestehen. Es dient auch nicht der Finanzmarktstabilität, wenn im Anschluss an einen solchen Enteignungsakt ein schwieriges und langwieriges Justizverfahren sich anschließt. Vor allem die Begründung, die ich bisher gehört habe - und das ist auch die Begründung der Bundeskanzlerin gewesen -, wir müssen dafür sorgen, dass Steuermittel richtig verwandt werden, das ist nach dem Text des Gesetzes kein Grund für eine Enteignung, sondern es geht um die Sicherung der Finanzmarktstabilität und nicht um die Sicherung von Steuermitteln.
Engels: Sie sagen, das Gesetz ist zu unspezifisch.
Schlarmann: Zu ungenau.
Engels: Zu ungenau. - Sehen Sie denn auf der anderen Seite nicht das Argument, dass um jeden Preis Hypo Real Estate gerettet werden muss?
Schlarmann: Ja. Die Frage ist nur, ist die Enteignung dafür das richtige Mittel. Es gibt ja eine ganze Reihe von Maßnahmen, die das Gesellschaftsrecht vorsieht. Auch dieser Gesetzentwurf beinhaltet ja Vorschläge, wie man vor der Enteignung das Problem regeln will. Das Gesetz selber sagt dann selber, das ist die Ultima Ratio, die letzte Möglichkeit, die eigentlich gar nicht zur Anwendung kommen kann, und dann, meine ich, kann man auf den Vorschlag oder auf die Regelung, dass auch im letzten Fall eine Enteignung möglich sein soll, verzichten, weil wir müssen ja auch bedenken, welches Signal wird dort gegeben. Es heißt ja, das Signal wird im Ausland und auch im Inland so interpretiert, dass letztendlich nur der Staat die Finanzmarktstabilität sichern kann, und das ist ein Irrtum. Damit überschätzt sich der Staat. Wir haben gerade bei den Landesbanken die Erfahrung gemacht, dass die größten Unsicherheiten von den Staatsbanken ausgehen, und wenn wir nicht privates Kapital für den Finanzmarkt mobilisieren können, dann wird die Finanzmarktstabilität nie wieder eintreten. Und wir müssen gerade Vertrauen bei den privaten Anlegern und Investoren schaffen, und mit der Möglichkeit, dass Banken und Aktionäre enteignet werden können, setzen wir das Signal, dass Eigentum in Deutschland nicht mehr geschützt ist. Das ist kontraproduktiv, es ist sogar hoch gefährlich.
Engels: Herr Schlarmann, dann schauen wir noch mal konkret auf den Fall. Sie sprachen von Alternativen, auch im Fall Hypo Real Estate. Wäre es Ihnen denn lieber, wenn viele Steuermilliarden an den Minderheitsaktionär bei der Hypo Real Estate, JC Flowers, gezahlt werden, um dessen Anteile ganz regulär auszulösen?
Schlarmann: Nein, dafür bin ich nicht. Der Bund steht schon etwa mit 100 Milliarden im Wort bei der Hypo Real. Das sind in erster Linie Garantien und Bürgschaften und die sind offensichtlich gegeben worden, ohne dass man sich gleichzeitig mit dem Zustand der Hypo Real intensiv beschäftigt hat.
Engels: Aber was schlagen Sie vor? Was soll passieren?
Schlarmann: Es gibt eine ganze Reihe von Vorschlägen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat den Vorschlag gemacht, das Insolvenzrecht entsprechend auszugestalten, dass der Bund dort die Möglichkeiten hat, gestaltend auf die Hypo Real Einfluss zu nehmen und gleichzeitig die Finanzmarktstabilität zu sichern. Dieser Vorschlag findet sich in dem Entwurf nicht wieder. Dann gibt es gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten, um Gesellschafter, die blockieren - und nur um den Fall geht es; man muss ja dann feststellen, ob der Gesellschafter Flowers hier tatsächlich diese Blockadehaltung einnimmt -, um eine solche Blockade zu beseitigen. Die sind auch im Gesetz angesprochen und würden nach meiner Meinung ausreichen, um das Problem zu lösen. Wir bräuchten dieses Signal, "notfalls enteignen wir", gar nicht, weil es kontraproduktiv ist. Es richtet mehr Schaden an, als dass es nützt. Es soll ja gar nicht angewendet werden, sondern es ist offensichtlich nur ein Drohpotenzial in einem konkreten Falle gegenüber einem Gesellschafter. Das Signal wird aber Breitenwirkung zeigen und vor allem sollten wir in Deutschland mit dem Thema Enteignung sehr vorsichtig sein, weil wir auf deutschem Boden eine sozialistische Planwirtschaft erlebt haben und wir wissen, wohin das führt.
Engels: Jetzt ist dieses Gesetz zeitlich befristet vorgesehen. Denken Sie, es wird verlängert werden, wenn Sie diese Sorgen hier so äußern?
Schlarmann: Das ist durchaus möglich. Die Befristung sieht vor, dass im Falle der Hypo Real - und darum geht es ja konkret - bis zum 30. Juni die Enteignungsverordnung erlassen sein muss. Damit ist es noch nicht durchgeführt und das Gerichtsverfahren ist damit auch noch nicht zu Ende. Wer den ersten kleinen befristeten Schritt macht, ist auch in der Lage, einen zweiten längerfristigen Schritt zu machen, und das ist die Gefahr und das wird auch in der Wirtschaft und vor allem im internationalen Kapitalmarkt so gesehen. Wenn man diesen Damm öffnet, dann sind der Flut keine Grenzen gesetzt.
Engels: Josef Schlarmann, der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union. Vielen Dank für das Gespräch.
Schlarmann: Bitte schön!
Mitgehört hat Josef Schlarmann. Er ist der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union. Guten Tag, Herr Schlarmann.
Josef Schlarmann: Guten Tag, Frau Engels.
Engels: Sie gelten als profilierter Vertreter marktwirtschaftlicher Grundsätze in der Union und haben das Gesetz schon im Vorfeld kritisiert. Was ist denn für Sie das Schlimmste an dieser Regelung?
Schlarmann: Da gibt es mehrere Punkte. Ich will vielleicht nur mal beginnen mit dem Zweck des Gesetzes. Wir haben gerade in den Nachrichten gehört - ich glaube, es war die Stimme des Bundesfinanzministers, der gesagt hat, mit der Möglichkeit der Enteignung sollen öffentliche Mittel, die in eine Bank (in diesem Fall die Hypo Real Estate) gesteckt worden sind, gesichert werden. Das reicht natürlich schon nach dem Gesetzestext, den ich hier vor mir habe, gar nicht aus, um eine Enteignung zu begründen. Dort heißt es, "zur Sicherung der Finanzmarktstabilität können Enteignungen vorgenommen werden". Damit beginnt schon der erste große Bereich der Unsicherheit. Enteignungen dürfen nie gemacht werden, um Gelder, die der Staat vielleicht unvorsichtigerweise anderen zur Verfügung gestellt hat, zu sichern, sondern hier geht es um die Finanzmarktstabilität als öffentliches Gut und dort muss der Zusammenhang nachgewiesen werden und das kann ich im Fall der Hypo Real noch gar nicht erkennen.
Engels: Das heißt, Sie denken, das Gesetz wird möglicherweise zu vage sein, wird vielleicht auch Nachahmer finden, also dass es mehrfach angewandt wird?
Schlarmann: Ja. Das Gesetz ist so unbestimmt, dass es Unsicherheiten, Auslegungsspielräume bietet und mit Sicherheit dann zu einem anschließenden Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kommen wird, mit all den Zweifeln, die dann bestehen. Es dient auch nicht der Finanzmarktstabilität, wenn im Anschluss an einen solchen Enteignungsakt ein schwieriges und langwieriges Justizverfahren sich anschließt. Vor allem die Begründung, die ich bisher gehört habe - und das ist auch die Begründung der Bundeskanzlerin gewesen -, wir müssen dafür sorgen, dass Steuermittel richtig verwandt werden, das ist nach dem Text des Gesetzes kein Grund für eine Enteignung, sondern es geht um die Sicherung der Finanzmarktstabilität und nicht um die Sicherung von Steuermitteln.
Engels: Sie sagen, das Gesetz ist zu unspezifisch.
Schlarmann: Zu ungenau.
Engels: Zu ungenau. - Sehen Sie denn auf der anderen Seite nicht das Argument, dass um jeden Preis Hypo Real Estate gerettet werden muss?
Schlarmann: Ja. Die Frage ist nur, ist die Enteignung dafür das richtige Mittel. Es gibt ja eine ganze Reihe von Maßnahmen, die das Gesellschaftsrecht vorsieht. Auch dieser Gesetzentwurf beinhaltet ja Vorschläge, wie man vor der Enteignung das Problem regeln will. Das Gesetz selber sagt dann selber, das ist die Ultima Ratio, die letzte Möglichkeit, die eigentlich gar nicht zur Anwendung kommen kann, und dann, meine ich, kann man auf den Vorschlag oder auf die Regelung, dass auch im letzten Fall eine Enteignung möglich sein soll, verzichten, weil wir müssen ja auch bedenken, welches Signal wird dort gegeben. Es heißt ja, das Signal wird im Ausland und auch im Inland so interpretiert, dass letztendlich nur der Staat die Finanzmarktstabilität sichern kann, und das ist ein Irrtum. Damit überschätzt sich der Staat. Wir haben gerade bei den Landesbanken die Erfahrung gemacht, dass die größten Unsicherheiten von den Staatsbanken ausgehen, und wenn wir nicht privates Kapital für den Finanzmarkt mobilisieren können, dann wird die Finanzmarktstabilität nie wieder eintreten. Und wir müssen gerade Vertrauen bei den privaten Anlegern und Investoren schaffen, und mit der Möglichkeit, dass Banken und Aktionäre enteignet werden können, setzen wir das Signal, dass Eigentum in Deutschland nicht mehr geschützt ist. Das ist kontraproduktiv, es ist sogar hoch gefährlich.
Engels: Herr Schlarmann, dann schauen wir noch mal konkret auf den Fall. Sie sprachen von Alternativen, auch im Fall Hypo Real Estate. Wäre es Ihnen denn lieber, wenn viele Steuermilliarden an den Minderheitsaktionär bei der Hypo Real Estate, JC Flowers, gezahlt werden, um dessen Anteile ganz regulär auszulösen?
Schlarmann: Nein, dafür bin ich nicht. Der Bund steht schon etwa mit 100 Milliarden im Wort bei der Hypo Real. Das sind in erster Linie Garantien und Bürgschaften und die sind offensichtlich gegeben worden, ohne dass man sich gleichzeitig mit dem Zustand der Hypo Real intensiv beschäftigt hat.
Engels: Aber was schlagen Sie vor? Was soll passieren?
Schlarmann: Es gibt eine ganze Reihe von Vorschlägen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat den Vorschlag gemacht, das Insolvenzrecht entsprechend auszugestalten, dass der Bund dort die Möglichkeiten hat, gestaltend auf die Hypo Real Einfluss zu nehmen und gleichzeitig die Finanzmarktstabilität zu sichern. Dieser Vorschlag findet sich in dem Entwurf nicht wieder. Dann gibt es gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten, um Gesellschafter, die blockieren - und nur um den Fall geht es; man muss ja dann feststellen, ob der Gesellschafter Flowers hier tatsächlich diese Blockadehaltung einnimmt -, um eine solche Blockade zu beseitigen. Die sind auch im Gesetz angesprochen und würden nach meiner Meinung ausreichen, um das Problem zu lösen. Wir bräuchten dieses Signal, "notfalls enteignen wir", gar nicht, weil es kontraproduktiv ist. Es richtet mehr Schaden an, als dass es nützt. Es soll ja gar nicht angewendet werden, sondern es ist offensichtlich nur ein Drohpotenzial in einem konkreten Falle gegenüber einem Gesellschafter. Das Signal wird aber Breitenwirkung zeigen und vor allem sollten wir in Deutschland mit dem Thema Enteignung sehr vorsichtig sein, weil wir auf deutschem Boden eine sozialistische Planwirtschaft erlebt haben und wir wissen, wohin das führt.
Engels: Jetzt ist dieses Gesetz zeitlich befristet vorgesehen. Denken Sie, es wird verlängert werden, wenn Sie diese Sorgen hier so äußern?
Schlarmann: Das ist durchaus möglich. Die Befristung sieht vor, dass im Falle der Hypo Real - und darum geht es ja konkret - bis zum 30. Juni die Enteignungsverordnung erlassen sein muss. Damit ist es noch nicht durchgeführt und das Gerichtsverfahren ist damit auch noch nicht zu Ende. Wer den ersten kleinen befristeten Schritt macht, ist auch in der Lage, einen zweiten längerfristigen Schritt zu machen, und das ist die Gefahr und das wird auch in der Wirtschaft und vor allem im internationalen Kapitalmarkt so gesehen. Wenn man diesen Damm öffnet, dann sind der Flut keine Grenzen gesetzt.
Engels: Josef Schlarmann, der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union. Vielen Dank für das Gespräch.
Schlarmann: Bitte schön!