Gerd Breker: Am Telefon bin ich nun verbunden mit Heinz-Peter Meidinger. Er ist der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes und dieser wiederum ist Mitauftraggeber einer Allensbach-Studie über die Akzeptanz des bundesdeutschen Bildungssystems. Guten Tag, Herr Meidinger.
Heinz-Peter Meidinger: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Ein erstes Ergebnis der von Ihnen in Auftrag gegebenen Studie lautet, die Bundesbürger sind mehrheitlich gegen das föderale Schulsystem. 61 Prozent sind für eine Zuständigkeit des Bundes in der Schulpolitik. Nun ist die Kulturhoheit der Länder sicherlich derzeit nicht in Gefahr, aber was sagt uns das? Was lernen wir daraus?
Meidinger: Ich glaube, in diesem doch recht eindeutigen Votum, dass der Bund zukünftig für Bildung zuständig sein soll, dokumentiert sich in erster Linie ein schlechtes Zeugnis für die Bildungspolitik der Länder. Ich glaube, die Unzufriedenheit ist hier die Hauptursache für dieses Votum, weil natürlich wir wissen, der Bildungsföderalismus ist verfassungsrechtlich garantiert, und wir wissen auch nicht, ob der Bund dann die ganze Geschichte besser macht, aber es ist Anlass für die Länder, darüber nachzudenken, warum sie so schlechte Noten bekommen.
Breker: Es sind vor allen Dingen die Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. Die Menschen wollen Gleiches. Sie wollen, dass jemand, der seine Schule in Hamburg beginnt, sie in München auch beenden kann und gleiche Bedingungen vorherrschen.
Meidinger: Ja. Man sieht natürlich auch, dass die Bildungspolitik in den Ländern ja eher noch weiter auseinanderdriftet, wenn man sich auch ansieht, welche völlig unterschiedlichen Reformen gemacht werden, neue Bildungsreformen in Hamburg, neue Bildungsreformen im Saarland, völlig unterschiedliche Lehrerausbildungen, unterschiedliche Anforderungen beim Abitur und bei Abschlussprüfungen, und das alles hat die Kultusministerkonferenz nicht in den Griff bekommen. Die sollte ja bisher ausgleichen zwischen den Ländern und das ist die Quittung.
Breker: Ist das nur eine schlechte Note für die Politik aus Ihrer Sicht, Herr Meidinger?
Meidinger: Es ist natürlich eine schlechte Note für die Politik, aber es ist im Grunde genommen natürlich auch – da haben Sie schon Recht – systemimmanent. Das heißt, der Bildungsföderalismus an sich hat natürlich basiert auf Ungleichheit. Der Gedanke ist ja Wettbewerb zwischen den Ländern und durch diesen Wettbewerb setzen sich die besseren Bildungssysteme durch. Das hat aber offensichtlich in den Augen der Bevölkerung nicht wirklich funktioniert.
Breker: Und vielleicht auch in den Augen der Politiker nicht, denn nicht das bessere System – es gibt ja Bundesländer, die bessere Noten haben – setzt sich durch, sondern das parteipolitisch gefärbte.
Meidinger: So ist es leider, ja.
Breker: Herr Meidinger, auch die Lehrer schneiden gar nicht so gut ab, denn etwas mehr als die Hälfte der Befragten finden, dass die Lehrer nicht mehr gut erklären können. Ist hier die Lehrerausbildung auch ein Thema, was verbessert werden sollte?
Meidinger: Lehrerausbildung ist natürlich immer ein Thema und man muss immer darauf sehen, wo noch mal Verbesserungen möglich sind. Sie haben natürlich jetzt einen Punkt herausgegriffen; ich könnte auch ein paar Ergebnisse jetzt herausholen, in denen die Lehrer ganz gut abschneiden. Aber insgesamt gesehen ergibt sich ein durchaus ambivalentes Bild. Das heißt, einerseits wird deutlich gesehen, welche hohe Verantwortung der Beruf hat und auch welch hohes Engagement da ist; auf der anderen Seite sieht man natürlich auch, dass Lehrer überfordert sind. Ob sie selbst daran Schuld haben, dass sie überfordert sind, oder ob der Schule nicht viel zu viel aufgelastet wird, ob nicht Erziehungsdefizite jetzt an die Schule und damit an die Lehrer delegiert werden, ist eine andere interessante Frage.
Breker: Dann lassen Sie, bevor wir in weitere Details gehen, uns im Allgemeinen verbleiben. Was war eigentlich Ihre Motivation, so eine Studie in Auftrag zu geben? Was wollten Sie damit erreichen?
Meidinger: Die Studie selber ist natürlich in engem Zusammenhang zu sehen mit einem Lehrerwettbewerb, den wir ausloben, zusammen mit der Vodafone-Stiftung, nämlich den Deutschen Lehrerpreis, wo wir besonders gut gelungene innovative, aber auch erfolgreiche Unterrichtsprojekte auszeichnen wollen, wo wir auf die erfolgreiche Arbeit von Lehrern aufmerksam machen wollen, denn wir glauben, man muss sich konkret anschauen, was passiert an den Schulen, und darf sich nicht aufhalten mit Allgemein- und Pauschalurteilen. Der Lehrerberuf in Deutschland ist gesellschaftlich nicht sehr gut anerkannt, auch wenn man das im internationalen Vergleich sieht. Wir glauben zu Unrecht und das ist ein Beitrag, den Lehrerberuf zu stärken, und diese Umfrage sollte eben dann auch die Grundlage bieten, wo sind sozusagen positive Dinge, die mit dem Lehrerberuf in Verbindung gebracht werden, wo negative, was sind die Ursachen dafür, was kann man dagegen tun.
Breker: Nun haben wir gewollt oder nicht Ergebnisse bekommen aus dieser Umfrage, etwa bezogen auf das föderative System, aber auch auf die Länge der Schulzeit. Was geschieht jetzt mit den Ergebnissen? Hat das irgendwelche Konsequenzen, oder bleiben die sozusagen bei den Philologen und bei der Auslobung der Auszeichnung für besonders kreative Lehrer?
Meidinger: Wir hoffen natürlich schon, dass diese Ergebnisse nicht wieder in den Schubladen verschwinden, sondern dass sie von der Politik ernst genommen werden. Man sieht ja auch gewisse Tendenzen in den Umfragen, die immer größere Unzufriedenheit mit der Bildungspolitik, aber auch etwa der Problembereich Unterrichtsausfall, der seit der Umfrage vom letzten Jahr massiv an Bedeutung zugenommen hat. Immer mehr Eltern beklagen sich über Unterrichtsausfall. Und wenn tatsächlich nicht eine ernsthafte Krise des bildungspolitischen Systems in Deutschland sich einstellen soll, wenn dieses verhindert werden soll, dann muss man handeln. Ich habe das Gefühl, die Schulministerien in den Ländern haben das auch erkannt.
Breker: Weniger Unterrichtsausfall und kleinere Klassen, das ist das Zweite, was sich die meisten Eltern wünschen. Das bedeutet aber doch nichts anderes, Herr Meidinger, als mehr Geld für die Schulpolitik ausgeben.
Meidinger: Geld ist natürlich nicht die alleinige Lösung. Es sind aber manche Verbesserungen auch nicht ohne mehr Finanzen umzusetzen. Ich darf hier auch darauf verweisen, dass das deutsche Bildungswesen im internationalen Vergleich – es gibt dazu ja die sogenannten OECD-Studien – unterfinanziert ist. Darauf weist übrigens auch die deutsche Wirtschaft immer wieder hin. Für kleinere Klassen braucht man mehr Lehrer. Wir haben zwar auf der einen Seite einen Lehrermangel, aber auch der wird nicht ewig andauern, und auf der anderen Seite Unterrichtsausfall. Da muss man vielleicht auch über intelligente Konzepte nachdenken, wie man Unterrichtsausfall bekämpfen kann, etwa auch durch die Beschäftigung von Nichtpädagogen.
Breker: Der Anspruch der Bildungsrepublik Deutschland und die Wirklichkeit. Gemessen an dieser Umfrage, Herr Meidinger, Ihre Position dazu?
Meidinger: Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die deutschen Schulen besser sind als ihr Ruf, dass wir aber eine ganze Menge an Hausaufgaben machen müssen, um die Qualität einerseits zu halten, aber auf der anderen Seite noch besser zu werden. Das zeigt uns, wir müssen noch besser werden, und deswegen: Es ist noch nicht alles verloren, aber wir müssen uns deutlich mehr anstrengen.
Breker: Im Deutschlandfunk war das die Meinung von Heinz-Peter Meidinger. Er ist der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes. Herr Meidinger, danke für dieses Gespräch.
Meidinger: Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Breker.
Heinz-Peter Meidinger: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Ein erstes Ergebnis der von Ihnen in Auftrag gegebenen Studie lautet, die Bundesbürger sind mehrheitlich gegen das föderale Schulsystem. 61 Prozent sind für eine Zuständigkeit des Bundes in der Schulpolitik. Nun ist die Kulturhoheit der Länder sicherlich derzeit nicht in Gefahr, aber was sagt uns das? Was lernen wir daraus?
Meidinger: Ich glaube, in diesem doch recht eindeutigen Votum, dass der Bund zukünftig für Bildung zuständig sein soll, dokumentiert sich in erster Linie ein schlechtes Zeugnis für die Bildungspolitik der Länder. Ich glaube, die Unzufriedenheit ist hier die Hauptursache für dieses Votum, weil natürlich wir wissen, der Bildungsföderalismus ist verfassungsrechtlich garantiert, und wir wissen auch nicht, ob der Bund dann die ganze Geschichte besser macht, aber es ist Anlass für die Länder, darüber nachzudenken, warum sie so schlechte Noten bekommen.
Breker: Es sind vor allen Dingen die Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. Die Menschen wollen Gleiches. Sie wollen, dass jemand, der seine Schule in Hamburg beginnt, sie in München auch beenden kann und gleiche Bedingungen vorherrschen.
Meidinger: Ja. Man sieht natürlich auch, dass die Bildungspolitik in den Ländern ja eher noch weiter auseinanderdriftet, wenn man sich auch ansieht, welche völlig unterschiedlichen Reformen gemacht werden, neue Bildungsreformen in Hamburg, neue Bildungsreformen im Saarland, völlig unterschiedliche Lehrerausbildungen, unterschiedliche Anforderungen beim Abitur und bei Abschlussprüfungen, und das alles hat die Kultusministerkonferenz nicht in den Griff bekommen. Die sollte ja bisher ausgleichen zwischen den Ländern und das ist die Quittung.
Breker: Ist das nur eine schlechte Note für die Politik aus Ihrer Sicht, Herr Meidinger?
Meidinger: Es ist natürlich eine schlechte Note für die Politik, aber es ist im Grunde genommen natürlich auch – da haben Sie schon Recht – systemimmanent. Das heißt, der Bildungsföderalismus an sich hat natürlich basiert auf Ungleichheit. Der Gedanke ist ja Wettbewerb zwischen den Ländern und durch diesen Wettbewerb setzen sich die besseren Bildungssysteme durch. Das hat aber offensichtlich in den Augen der Bevölkerung nicht wirklich funktioniert.
Breker: Und vielleicht auch in den Augen der Politiker nicht, denn nicht das bessere System – es gibt ja Bundesländer, die bessere Noten haben – setzt sich durch, sondern das parteipolitisch gefärbte.
Meidinger: So ist es leider, ja.
Breker: Herr Meidinger, auch die Lehrer schneiden gar nicht so gut ab, denn etwas mehr als die Hälfte der Befragten finden, dass die Lehrer nicht mehr gut erklären können. Ist hier die Lehrerausbildung auch ein Thema, was verbessert werden sollte?
Meidinger: Lehrerausbildung ist natürlich immer ein Thema und man muss immer darauf sehen, wo noch mal Verbesserungen möglich sind. Sie haben natürlich jetzt einen Punkt herausgegriffen; ich könnte auch ein paar Ergebnisse jetzt herausholen, in denen die Lehrer ganz gut abschneiden. Aber insgesamt gesehen ergibt sich ein durchaus ambivalentes Bild. Das heißt, einerseits wird deutlich gesehen, welche hohe Verantwortung der Beruf hat und auch welch hohes Engagement da ist; auf der anderen Seite sieht man natürlich auch, dass Lehrer überfordert sind. Ob sie selbst daran Schuld haben, dass sie überfordert sind, oder ob der Schule nicht viel zu viel aufgelastet wird, ob nicht Erziehungsdefizite jetzt an die Schule und damit an die Lehrer delegiert werden, ist eine andere interessante Frage.
Breker: Dann lassen Sie, bevor wir in weitere Details gehen, uns im Allgemeinen verbleiben. Was war eigentlich Ihre Motivation, so eine Studie in Auftrag zu geben? Was wollten Sie damit erreichen?
Meidinger: Die Studie selber ist natürlich in engem Zusammenhang zu sehen mit einem Lehrerwettbewerb, den wir ausloben, zusammen mit der Vodafone-Stiftung, nämlich den Deutschen Lehrerpreis, wo wir besonders gut gelungene innovative, aber auch erfolgreiche Unterrichtsprojekte auszeichnen wollen, wo wir auf die erfolgreiche Arbeit von Lehrern aufmerksam machen wollen, denn wir glauben, man muss sich konkret anschauen, was passiert an den Schulen, und darf sich nicht aufhalten mit Allgemein- und Pauschalurteilen. Der Lehrerberuf in Deutschland ist gesellschaftlich nicht sehr gut anerkannt, auch wenn man das im internationalen Vergleich sieht. Wir glauben zu Unrecht und das ist ein Beitrag, den Lehrerberuf zu stärken, und diese Umfrage sollte eben dann auch die Grundlage bieten, wo sind sozusagen positive Dinge, die mit dem Lehrerberuf in Verbindung gebracht werden, wo negative, was sind die Ursachen dafür, was kann man dagegen tun.
Breker: Nun haben wir gewollt oder nicht Ergebnisse bekommen aus dieser Umfrage, etwa bezogen auf das föderative System, aber auch auf die Länge der Schulzeit. Was geschieht jetzt mit den Ergebnissen? Hat das irgendwelche Konsequenzen, oder bleiben die sozusagen bei den Philologen und bei der Auslobung der Auszeichnung für besonders kreative Lehrer?
Meidinger: Wir hoffen natürlich schon, dass diese Ergebnisse nicht wieder in den Schubladen verschwinden, sondern dass sie von der Politik ernst genommen werden. Man sieht ja auch gewisse Tendenzen in den Umfragen, die immer größere Unzufriedenheit mit der Bildungspolitik, aber auch etwa der Problembereich Unterrichtsausfall, der seit der Umfrage vom letzten Jahr massiv an Bedeutung zugenommen hat. Immer mehr Eltern beklagen sich über Unterrichtsausfall. Und wenn tatsächlich nicht eine ernsthafte Krise des bildungspolitischen Systems in Deutschland sich einstellen soll, wenn dieses verhindert werden soll, dann muss man handeln. Ich habe das Gefühl, die Schulministerien in den Ländern haben das auch erkannt.
Breker: Weniger Unterrichtsausfall und kleinere Klassen, das ist das Zweite, was sich die meisten Eltern wünschen. Das bedeutet aber doch nichts anderes, Herr Meidinger, als mehr Geld für die Schulpolitik ausgeben.
Meidinger: Geld ist natürlich nicht die alleinige Lösung. Es sind aber manche Verbesserungen auch nicht ohne mehr Finanzen umzusetzen. Ich darf hier auch darauf verweisen, dass das deutsche Bildungswesen im internationalen Vergleich – es gibt dazu ja die sogenannten OECD-Studien – unterfinanziert ist. Darauf weist übrigens auch die deutsche Wirtschaft immer wieder hin. Für kleinere Klassen braucht man mehr Lehrer. Wir haben zwar auf der einen Seite einen Lehrermangel, aber auch der wird nicht ewig andauern, und auf der anderen Seite Unterrichtsausfall. Da muss man vielleicht auch über intelligente Konzepte nachdenken, wie man Unterrichtsausfall bekämpfen kann, etwa auch durch die Beschäftigung von Nichtpädagogen.
Breker: Der Anspruch der Bildungsrepublik Deutschland und die Wirklichkeit. Gemessen an dieser Umfrage, Herr Meidinger, Ihre Position dazu?
Meidinger: Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die deutschen Schulen besser sind als ihr Ruf, dass wir aber eine ganze Menge an Hausaufgaben machen müssen, um die Qualität einerseits zu halten, aber auf der anderen Seite noch besser zu werden. Das zeigt uns, wir müssen noch besser werden, und deswegen: Es ist noch nicht alles verloren, aber wir müssen uns deutlich mehr anstrengen.
Breker: Im Deutschlandfunk war das die Meinung von Heinz-Peter Meidinger. Er ist der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes. Herr Meidinger, danke für dieses Gespräch.
Meidinger: Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Breker.
