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Schleswig-Holstein
Kitesurfer vs. Umweltschützer

Wenn Kitesurfer mit hoher Geschwindigkeit über das Wasser rauschen, ärgern sich viele Umweltschützer. Denn die Sportler würden die Vögel im Wattenmeer stören und seien außerdem eine Bedrohung für Säugetiere. Die Kitesurfer zweifeln das teilweise an.

Von Johannes Kulms | 05.07.2018
    Kite-Surfer auf dem Meer. Beim Kite-Surfen lassen sich die Surfen von einem Drachen ziehen
    Kitesurfer würden die Vögel stören, sagen Umweltschützer (imago/reportandum)
    Kurze Schnitte, laute Musik und viele Werbebanner: Ein anderthalb minütiger Clip bei youtube zeigt Eindrücke vom "Kitesurf World Cups" 2015 in St. Peter-Ording. Eingestellt hat ihn ein Mode-Label. Immerhin: Ab und zu tauchen zwischen den vielen Bildern von Ständen und jungen Leuten in Liegestühlen auch mal die Kite-Surfer auf.
    Mit hoher Geschwindigkeit rauschen sie über die Wasseroberfläche der Nordsee, gezogen von ihrem "Drachen"- Immer wieder setzen sie zu beeindruckenden Sprüngen an. Das Video zeigt den Aufstieg eines erst vor wenigen Jahren aufgekommenen Trendsports, der sich bestens vermarkten lässt. Doch inzwischen ist der Kitesurf World Cup Geschichte. Zumindest in St. Peter-Ording. Eine gute Entscheidung, findet Jannek Kiekbusch
    "Weil es hatte gar nicht mehr so viel mit Kiten zu tun, das war dann wirklich sehr viel Partytourismus in dem Moment."
    Kite-Surfen in Schleswig-Holstein umstritten
    Jannek Kiekbusch ist 32 Jahre alt und leitet das Wassersportcenter "XH2O" am Strand von St. Peter-Ording. Der braungebrannte gebürtige Hamburger mit dem Cappi, weißem T-Shirt und grauen Shorts hat gerade viel Zeit. Denn an diesem Mittag herrscht Flaute. Erst nächste Woche rechnet er wieder mit Westwind.
    "Und dann sieht die Nordsee auch wieder anders aus: `N bisschen unruhiger und nicht so flach, wie sie jetzt gerade ist."
    Auch im übertragenen Sinn scheint sich der Wind etwas beruhigt zu haben. Seit Jahren ist der Kitesurfsport an der Schleswig-Holsteinischen Westküste umstritten. Naturschützer warnen immer wieder davor, dass die Kitesurfer die Vögel im Wattenmeer stören, aber auch eine Bedrohung für Säugetiere sind – wie zum Beispiel die Schweinswale.
    Und so legte im vergangenen September die frisch gebildete Jamaika-Landesregierung in Kiel eine neue Regelung vor für die Kiter. Die zeige, dass touristische Attraktivität und ökologische Verantwortung auch in einem so sensiblen Naturraum wie dem Nationalpark Wattenmeer vereinbar seien, beteuerten der grüne Umweltminister Robert Habeck und FDP-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz.
    In insgesamt 22 Gebieten entlang der Westküste ist das Kitesurfen damit erlaubt. Darunter sind auch mehrere Spots rund um St. Peter-Ording. Mit der Regelung, seinen Sport nur in bestimmten Bereichen zu erlauben, ist Jannek Kiekbusch zufrieden. In St. Peter-Ording laufe der Austausch zwischen Kitesportlern, Gemeindevertretern und Naturschützern schon länger gut.
    "Die Kitesurfer, gerade jetzt hier im Norden kann ich es jetzt nur sagen, halten sich an die Regeln, halten sich an die Zonen. Und wenn da irgendwelche Leute Mist bauen, werden die natürlich auch gleich sofort angesprochen."
    Naturschützer nicht ganz zufrieden mit Einigung
    Lutz Kretschmer, stellvertretender Landesvorsitzender der Naturtschutzorganisation NABU, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Kitesurfern. Sein Fazit: Eigentlich müsste im Nationalpark Wattenmeer jegliche Nutzung durch den Menschen unterbunden werden. Doch Kretschmer weiß, dass das nicht realistisch ist. Als Erfolg sieht er deswegen, wenn es gelingt, bestimmte Zonen in der Nordsee zu schützen. Zum Beispiel beim Muschelfischen. Hier sei eine Einigung mit den Fischern gefunden worden, die nun bestimmte Gebiete bei ihrem Muschelfang schonen.
    Dort, "wo sie wirklich den Nationalpark Nationalpark und Natur Natur sein lassen…"
    Doch mit der Einigung, die mit den Kitesurfern erreicht wurde, kann sich Naturschützer Kretschmer noch nicht so richtig anfreunden. Denn es bleibe der Effekt der sogenannten Scheuchwirkung, den Kitesurfer mit ihrem Sport verursachten;
    "An der Stelle, wo gekitet wird, sind keine Vögel mehr. Und das ist unser Problem: Wir haben eben große Rastplätze auf dem Wasser. Und das sagen bestimmte Studien, aus Niedersachsen sieht man das auch die Wirkung, dass die Vögel weg sind und aufgescheucht werden."
    Nach der neu getroffenen Kite-Surf-Regelung hat die Schleswig-Holsteinische Landesregierung gemeinsam mit den Wattenmeer-Anrainern Niedersachsen und Hamburg – auch der Stadtstaat besitzt ein paar Quadratkilometer Nationalpark-Anteil – einen Antrag an das zuständige Bundesverkehrsministerium gestellt. Die sogenannte Befahrensverordnung für die Nordsee soll geändert werden, um damit den Schutz von Meeressäugern und Vögeln zu garantieren.
    Dass damit auch vor St-Peter Ording und Sylt drei Kilometer zur Wasserseite für die Kitesurfer freigegeben würden, ärgert Naturschützer Kretschmer. Er befürchtet, dass das Begehrlichkeiten bei weiteren Trendsportarten in der Zukunft erwecken könnte.
    Boardsportverein ist gegen generelles Verbot
    Jannes Ahlers sieht das Thema ganz anders. Er ist erster Vorsitzender Boardsportvereins, der versucht, die Interessen von Kite- und Windsurfern in St. Peter-Ording und bundesweit zu vertreten. Dass Wassersport in bestimmten Schutzzonen tabu ist, sei ja klar sagt der 28-jährige, der im Hauptberuf Sonderpädagoge ist.
    "Allerdings sind wir dagegen, dass es ein generelles Verbot von unserer Sportart gibt. Einfach weil es dann eine Beweisumkehrlast gibt. Das heißt, dass wir zukünftig dann beweisen müssen, dass wir an bestimmten Orten die Vögel nicht stören."
    Kitesurfen sei ein naturfreundlicher Sport. Wer ihn im Wattenmeer ausübe, haben denselben Einfluss auf Vögel wie etwa Spaziergänger – ob mit und oder Hund – oder aber auch Reiter und Kajakfahrer. Zu diesem Ergebnis sei eine Studie gekommen, die der Verein in Auftrag gegeben habe. Vom NABU wurden die Ergebnisse jedoch angezweifelt.