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Schleswig-Holstein
Umstrittenes Hochschulgesetz verabschiedet

Schleswig-Holstein hat ein reformiertes Hochschulgesetz. Nach monatelangen Diskussionen und heftigen Protesten der Landesrektorenkonferenz wurde das Gesetz am Mittag mit den Stimmen von SPD, Grünen und dem Südschleswigschem Wählerverband (SSW) beschlossen. Während die Gegner von Pfusch sprechen, spricht die Landesregierung von einem großen Wurf.

Von Anna Grusnick |
    Eine Studentin der Schulpädagogik schreibt am 17.10.2012 während einer Vorlesung in einem vollen Hörsaal in der Universität in Tübingen (Baden-Württemberg) mit.
    Der Zugang zum Studium soll für beruflich qualifizierte Bewerber vereinfacht, die Aufnahme eines Probestudiums erleichtert werden. (picture alliance / dpa - Jan-Philipp Strobel)
    Monatelang wurde mit Fachleuten und Vertretern der Universitäten und Hochschulen im Land diskutiert und gerungen - nun liegt das Gesetz auf dem Tisch. Die schleswig-holsteinische Wissenschaftsministerin Alheit unterstrich, mit dem neuen Gesetz würden Transparenz, Mitbestimmung und Gleichstellung innerhalb der Hochschulen gestärkt. Unter anderem erhalten Fach-Hochschulen die Möglichkeit der Promotion auf Augenhöhe mit den Universitäten. Der Zugang zum Studium soll für beruflich qualifizierte Bewerber vereinfacht werden, die Aufnahme eines Probestudiums soll erleichtert werden. Wissenschaftsministerin Kristin Alheit sagte:
    "Das Hochschulgesetz zielt wesentlich darauf ab, die Rahmenbedingungen der Beschäftigung an der Universität und an unseren Hochschulen zu verbessern. Wir schaffen verlässliche Karrierewege für wissenschaftlichen Nachwuchs. Unsere Hochschulen werden in eigener Verantwortung Regelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen sowie Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf umsetzen."
    Ein Sprung nach vorn oder zurück?
    Alheit sprach von einem der fortschrittlichsten Hochschulgesetze bundesweit, das ganz bewusst die unterschiedlichen Interessen aller an der Universität Beschäftigten in den Blick, nimmt.
    "Dieses Hochschulgesetz ist ein Sprung nach vorn. Hier geht es um einen Mehrwert für die Hochschulen und unsere Universitäten. Es geht um Mehrwert für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, denen neue Karrierechancen eröffnet werden. Das Gesetz bringt Mehrwert für die Studierenden, deren Stellung im Hochschulalltag gestärkt wird. Und es schafft einen Mehrwert für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an unseren Hochschulen."
    Kritiker jedoch bemängeln kurzfristige Änderungen an dem Gesetzentwurf. Ihr Widerspruch entzündet sich unter anderem an der Größe des Senats mit nun 67 Mitgliedern. Zu bürokratisch, zu umständlich. CDU-Fraktionschef Daniel Günther spricht von Murks, handwerklichem Spruch und fehlender Expertise:
    "Mit Änderungen, die kurz vor Toresschluss reingekommen sind, greifen sie tief in die Hochschulautonomie rein. Und wieder einmal bringen SPD, Grünen und SSW tiefes Misstrauen in unsere Hochschullandschaft zum Ausdruck."
    Autonomie für die Hochschulen
    Die FDP untermauerte die Kritik. Mit einem eigenen Gesetzentwurf wollten die Liberalen den Universitäten weitgehend selbst überlassen, wofür sie Geld ausgeben und welche Schwerpunkte für Forschung und Lehre sie setzen. Christopher Vogt:
    "Sie sprechen mittlerweile auch von Autonomie, unter dem Strich wollen sie aber die Hochschulen mit ihrem Gesetz aber weiter einschnüren. Sie versprechen mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung, mehr Transparenz, erreichen aber am Ende das genaue Gegenteil. Beim Thema Mitbestimmung scheint es mir immer um ihre eigene Mitbestimmung zu gehen. Sie wollen wieder in die Hochschulen reinregieren und Vorschriften ohne Ende machen, das ist das Problem."
    Die Regierungsparteien können die ganze Aufregung nicht nachvollziehen. SPD, Grüne und SSW lobten ausdrücklich die Transparenz des neuen Gesetzes. Den Aufschrei über den geplanten Wegfall der Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen teilen sie nicht. Bedenken der Hochschulen, dass so die Absolventenquoten unerfüllt bleiben, hält der Grüne-Abgeordneten Rasmus Andresen für übertrieben:
    "Für uns ist unbestritten, dass Wissenschaft von dem Austausch von Studierenden und Dozenten lebt. Wir glauben aber nicht, dass eine Anwesenheitspflicht, die auf Zwang anstatt auf gegenseitigem Interesse beruht, das richtige Mittel ist. Die Uni ist halt eben keine Grundschule. Und mit Anfang 20 muss man von Studierenden erwarten können, selbst zu entscheiden, ob sie an einer Veranstaltung teilnehmen oder nicht."
    Gespenst eines bürokratischen Monsters
    Den Präsidenten der Kieler Christian-Albrechts-Universität, Lutz Kipp, mag das nicht beschwichtigen. Kurz nach der entscheidenden Abstimmung malt er das Gespenst eines bürokratischen Monsters Universität an die Wand.
    "Ich denke, dass der Landtag heute hier ein Hochschulgesetz beschlossen hat, das aus meiner Sicht das Schlechteste aller Zeiten ist. Es werden klare Zuständigkeiten nicht mehr vorhanden sein. Es wird dafür eine erhöhte Bürokratie eintreten, und wir werden von den wesentlichen Aufgaben abgehalten werden und nur noch in Gremien sitzen, die absolut überflüssig sind."
    Diesen harschen Tönen zum Trotz steht der Hochschulfrieden im Norden allerdings nicht zur Debatte - dafür haben langfristige Millionenzusagen der Landesregierung gegenüber den Hochschulen gesorgt.