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Schleswig-Holstein
Wie Windräder den Wahlkampf beeinflussen

Wo die Windkraft in Schleswig-Holstein künftig ausgebaut werden kann, wird eines der zentralen Themen im anstehenden Landtagswahlkampf sein. Geht es nach den Plänen der Landesregierung unter SPD-Chef Torsten Albig, dann ist Haltung der Bevölkerung vor Ort nur eines von mehreren Kriterien für den Bau von Windrädern.

Von Johannes Kulms | 09.12.2016
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    Dass Windkraft auch im Landtagswahlkampf eine zentrale Rolle spielen wird, hat die CDU schon angekündigt. Doch SPD-Ministerpräsident Albig gibt sich betont gelassen. (dpa/picture alliance)
    Mit neuen Windkraftplänen politisch etwas zu gewinnen, ist schwer für einen Ministerpräsidenten. Etwas zu verlieren viel einfacher. Das dürfte auch Torsten Ablig bewusst sein. Kein Wunder also, dass der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, SPD, als er in dieser Woche vor die Landespresse trat, erst mal einen Bogen schlägt:
    "Alle Welt schaut Richtung Deutschland – gelingt es den Deutschen, diesen Weg zu gehen, dann wird die Welt diesen Weg nachzeichnen – daran habe ich überhaupt keinen ernst zu nehmenden Zweifel!"
    Nein, es geht nicht um die Flüchtlingspolitik. Es geht um die Energiewende. Schleswig-Holstein gilt als Musterland in Sachen erneuerbare Energien. Und Ministerpräsident Albig hat auch weiterhin Großes vor:
    "Wir werden 2025 etwa 500 Anlagen mehr haben. Also, es kommen zu den 3.100 nach Schätzung meiner Fachleute 500 dazu."
    Zehn Gigawatt sollen diese Anlagen dann zusammen produzieren – genug, um die Bewohner von Schleswig-Holstein und Hamburg mit seinen zahlreichen Industriebetrieben zu versorgen.
    Windkraft wird zentrales Wahlkampfthema in Schleswig-Holstein
    Wie viel Platz darf die Windkraft in Schleswig-Holstein künftig haben – und wo im Land, zwischen den Meeren, wird ihr dieser Platz zugewiesen, darüber wird derzeit erbittert gestritten:
    Die CDU hat schon klargestellt, dass diese Frage ein zentrales Wahlkampfthema werden wird. Sie will den Unmut in der Bevölkerung für sich nutzen: Am 7. Mai wählen die Schleswig-Holsteiner einen neuen Landtag.
    Zudem stehen zwei Volksinitiativen in den Startlöchern, die zwei Ziele durchsetzen wollen: größere Mindestabstände zwischen Windrädern und Häusern. Und mehr Bürgerbeteiligung.
    Die Planung sei früher recht frei gewesen, sagt Albig – und spricht immer wieder von Wildwuchs. Denn bislang gab es im Norden kaum Richtlinien dafür, wer welche Windräder wie und wo errichtete. Das soll sich nun ändern:
    "Es ist uns gelungen, für das gesamte Land einen in sich konsistenten Rechtsrahmen zu geben, der die gleichen Regeln an jeder Stelle gleich anwendet."
    Künftig 1,98 Prozent Landesfläche für Windkraft
    Bisher waren rund 1,7 Prozent der Landesfläche für Windkraft ausgewiesen. Künftig sollen es 1,98 Prozent werden. Klingt nicht nach viel mehr, sorgt aber für heftige Diskussionen.
    Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Schleswig von Januar 2015 hat die Neuordnung dieser Pläne nötig gemacht. In einer Gemeinde einen Windpark nicht zu bauen, nur weil die Bevölkerung vor Ort dagegen sei, reiche nicht als Begründung, so die Richter – und forderten klare Kriterien. Und jetzt hat die Landesregierung gleich einen ganzen Kriterienkatalog entwickelt: Naturschutz, Denkmalschutz, Infrastruktur all das soll abgewogen werden. Am wichtigsten aber sei der Schutz des Menschen, betont Albig. 400 Meter Abstand sollen Windkraftanlagen künftig haben zu einem einzelnen Haus. Mindestens. 800 Meter zu einer Siedlung.
    Das Ergebnis erscheint ambivalent: In küstennahen Gebieten - wie in Nordfriesland und Dithmarschen - mit viel Wind soll es der Planung nach künftig sogar weniger Anlagen geben. Denn hier stehen viele Anlagen auf Flächen, die nach den neuen Kriterien nicht mehr geeignet wären. Im deutlich windärmeren Kreis Rendsburg-Eckernförde sehen die Pläne dagegen mehr Windräder vor.
    "Also, man kann schon von einer Ent-Demokratisierung dieses Prozesses sprechen, auf jeden Fall."
    Anja Prehn wohnt in besagtem Kreis Rendsburg-Eckernförde, genauer gesagt in Nübbel, einem 1.500-Einwohner-Ort fast in der Mitte von Schleswig-Holstein, nur einen Sprung vom Nord-Ostsee-Kanal entfernt. Die neuen Pläne der Landesregierung aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband haben zwei Gebiete am Rand von Nübbel ausgemacht, die für Windkraft geeignet seien. Anja Prehn kann das nicht nachvollziehen:
    "Hier in Nübbel haben wir zwei Bürgerentscheide durchgeführt, beide mit sehr hohen Beteiligungen von 70 Prozent und in beiden haben die Bürger gesagt, nein, wir möchten keine Windkraft haben. Und das ist natürlich schwierig, wenn ich die Bürger erst frage, und sage, ich gebe ihnen dieses Instrument Bürgerbeteiligung an die Hand und dann zu sagen, hat doch keine Bedeutung."
    Anja Prehn, die selber lange im Bereich Windkraft gearbeitet hat und sich seit Jahren im Gemeinderat gegen Windanlagen engagiert, findet es gut, dass die Landesregierung nun einheitliche Kriterien aufstellt für die Errichtung von Windkraftanlagen. Doch dabei müsse stärker auch die demografische Situation beachtet werden – in dem Fall von Nübbel, das dessen Einwohnerzahl sinke und das mit Windrädern der Ort bestimmt nicht attraktiver werde für Familien.
    Bürgerproteste gegen Windkraft
    "Und wenn ich zum Erreichen dieses politischen Ziels, so dorfnah die Windkraftanlagen zu errichten möchte, dann müsste ich vielleicht auch das politische Ziel infrage stellen."
    Schleswig-Holstein müsse notfalls seine Vorreiterrolle bei der Energiewende etwas kleiner denken, damit größere Abstände zwischen Windrädern und Dörfern sichergestellt werden, fordert die 49-Jährige.
    Reinhard Christiansen sieht das naturgemäß vollkommen anders. Christiansen ist Landesvorsitzender des Bundesverbands WindEnergie und ist Mitglied bei den Grünen. Er findet: Knapp zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft sei eindeutig zu wenig. Warum nicht 2,4 oder 2,5 Prozent?
    "Ich glaube, das Land kann auch mehr vertragen. Und wir haben auch Verantwortung, und wir sollten auch etwas mehr tun – wenn nicht wir Schleswig-Holsteiner, wer sollte es dann tun?"
    Ministerpräsident Torsten Albig weiß um den Gegenwind, den seine Pläne verursachen. Doch gibt er sich selbstbewusst. Oder sollte man sagen stur? Auf jeden Fall klingt seine Ansage wie eine Wette:
    "Was für eine erbärmliche Politik wäre es, die sagt, meine einzige Marschroute ist, ob ich damit drei Prozent mehr oder weniger habe. Ich habe Verantwortung für dieses Land. Also Schlussresümee ist: Es ist kein Risiko für den Wahlkampf, sondern es erhöht die Aussichten, dass du gewählt wirst."
    Sechs Monate haben die Bürger nun Zeit, ihre Einwände gegen die Windpläne zu äußern. Ob und wie das die Pläne verändern wird, ist die eine Frage. Ob Torsten Albig dann noch Ministerpräsident sein wird, die andere.