Archiv


Schleyer: EU-Antidiskriminierungs-Regelung belastet Betriebe

Die von der EU-Kommission geplante Richtlinie gegen Diskriminierung geht dem Zentralverband des Deutschen Handwerks zu weit. In der Bundesrepublik gebe es mit dem Gleichbehandlungsgesetz seit zwei Jahren bereits eine ausreichende Regelung, sagte der Generalsekretär des ZDH, Hanns-Eberhard Schleyer. Eine weitere Verschärfung würde zu einer großen finanziellen Belastung der Betriebe und einem noch größeren bürokratischen Aufwand führen.

Moderation: Jochen Fischer |
    Jochen Fischer: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. So steht es im Artikel III unseres Grundgesetzes. Das bedeutet: der Staat hat Vorkehrungen zu treffen, um die Verletzung dieses Artikels zu ahnden. Das geschieht in Deutschland zum Beispiel durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz "AGG", das vor zwei Jahren beschlossen wurde. Darin sind unter anderem Schutzregeln für den Arbeitsplatz vorgesehen. Da das Sozial- und das Arbeitsrecht auch Aufgabe der EU-Kommission ist, kommen auch von dort immer wieder Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung. Heute ist es wieder so weit.
    Die EU legt also bei den Regeln gegen Diskriminierung noch einmal nach. Das gefällt nicht jedem, schon gar nicht dem Handwerk. Der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks Hans-Eberhard Schleyer sagt, diese EU-Regelung belastet das Handwerk. Guten Morgen Herr Schleyer!

    Hanns-Eberhard Schleyer: Guten Morgen Herr Fischer.

    Fischer: Was ist denn daran nun so belastend?

    Schleyer: Ich glaube, dass die bisherige Gesetzgebung in Deutschland eigentlich alles das abdeckt, was wir an möglichen Antidiskriminierungstatbeständen haben und was wir auch gesetzlich regeln sollten. Es ist ja schon bei der letzten Antidiskriminierungsgesetzgebung in Deutschland sichergestellt, dass nicht nur das Arbeitsrecht davon erfasst war, sondern im Grunde genommen auch der gesamte Bereich des Zivilrechts - das was die europäische Gesetzgebung, wenn sie denn kommt, jetzt ebenfalls mit einbeziehen will. Von daher würde ich zunächst einmal sagen: Wir haben in Deutschland ausreichende Regelungen, die bislang schon mit erheblichen Kosten, mit erheblichen administrativen Belastungen für unsere Betriebe verbunden gewesen sind.

    Fischer: Muss denn gar nichts mehr gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz unternommen werden?

    Schleyer: Ich glaube nicht, dass gesetzlich noch etwas unternommen werden sollte. Wir haben auch bisher schon die Erfahrung gemacht, dass wir auf der einen Seite gezwungen gewesen sind, umfangreiche Vorkehrungen zu treffen, Dokumentationspflichten mit erheblichen finanziellen Belastungen. Wir haben das einmal durch eine Studie der Universität Dortmund ausrechnen lassen. Das sind bislang schon 1,73 Milliarden gewesen. Was uns aber mehr bekümmert an dieser neuen europäischen Initiative, das ist die Tatsache, dass man eigentlich nicht so recht weiß, wie umfassend eigentlich der Schutz vor Diskriminierung jetzt künftig geregelt werden soll. Also: Heißt umfassender Schutz vor Diskriminierung etwa für unsere Ladengeschäfte im Handwerk, dass künftig alle Fleischereien, Bäckereien barrierefrei sein müssen? Sind schon eine oder zwei Stufen vor dem Ladengeschäft schädlich? - Stellen Sie sich das mal vor bei etwa Bäckereien, die in denkmalgeschützten Gebäuden sind. - Muss eine Speisekarte in Blindenschrift künftig vorgehalten werden? - All das sind Konsequenzen, die sich aus dieser europäischen Richtlinie ergeben könnten, die so unklar ist, dass wir uns dann gegebenenfalls auch darauf einstellen müssen, dass die Rechtsprechung letztendlich dann in jedem Einzelfall entscheiden muss: Liegt eine Diskriminierung vor oder nicht. Und das führt zu einer Verunsicherung unserer Betriebe, die eigentlich für uns inakzeptabel ist.

    Fischer: Sie haben die Kosten eben angesprochen, auch die Bürokratie. Ist Ihnen das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe, der Chancengleichheiten dieses Geld denn nicht wert?

    Schleyer: Dazu will ich nur sagen, dass das selbstverständlich ist, dass die deutsche Wirtschaft - wir haben das nicht nur immer gesagt, sondern ich glaube das ist auch die Realität im betrieblichen Alltag - gegen jede Form der Diskriminierung ist. Was mich in dieser Diskussion auch bekümmert ist, dass ebenso auf der Grundlage der Diskussion jetzt um eine Verschärfung, die aus Europa auf uns zukommt, diese gesellschaftliche Realität in der öffentlichen Wahrnehmung durch eine ausufernde europäische Antidiskriminierungsgesetzgebung in zunehmendem Maße verzerrt wird. Wir sind gegen Diskriminierung. Ich glaube wir haben alle Voraussetzungen, auch gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, um in einer sinnvollen und angemessenen Weise dagegen vorgehen zu können. Aber wir sind gegen eine Verschärfung, die ein hohes Maß an Verunsicherung bedeutet, die teilweise auch zu abstrusen Konsequenzen - ich habe Ihnen das Beispiel von Geschäftslokalen genannt - führen kann. Deshalb halten wir auf Deutschland bezogen eine weitere Verschärfung für nicht akzeptabel.

    Fischer: In Deutschland gilt ja seit zwei Jahren das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - Sie haben es auch schon angesprochen -, das die Situation am Arbeitsplatz und auch in anderen Lebensbereichen regelt, also genau das, was die neue EU-Richtlinie jetzt für alle anderen Länder, die nicht ein so fortschrittliches Gleichbehandlungsgesetz haben, regeln soll. Wozu denn dann die ganze Aufregung?

    Schleyer: Weil nach den vorliegenden Texten die neue Richtlinie den Anwendungs- und Schutzbereich noch einmal erweitert. Demnach soll der Zugang zu Sozialschutz, sozialer Sicherung, zum Gesundheitswesen, zu Bildung, Waren und Dienstleistungen, die der Allgemeinheit zugänglich sind, zusätzlich erfasst werden. Daraus ergeben sich eben diese Verschärfungstatbestände mit Konsequenzen, die finanziell und vom administrativen Aufwand von gerade den kleinen und mittleren Betrieben, den Handwerksbetrieben gar nicht mehr zu leisten sind. Und das alles in einer Situation, wo wir für Deutschland jedenfalls sagen müssen, wir haben alles nach unserem Dafürhalten getan, dass es zu keiner Diskriminierung aus welchen Gründen auch immer kommt.

    Fischer: Herr Schleyer, wenn es vor 50 Jahren nicht das Gleichberechtigungsgesetz gegeben hätte, dann wären Frauen und Männer heute weit weniger gleichberechtigt, als sie es heute sind. Stimmen Sie dem zu?

    Schleyer: Dem stimme ich zu und deshalb gibt es das Allgemeine Gleichstellungsgesetz in Deutschland. Es ist so umfassend geregelt, dass alles das, was jetzt an zusätzlichen Auflagen, Verschärfungen kommen würde, aus meiner Sicht eher kontraproduktiv ist, weil es in der Realität zu erheblichen finanziellen Belastungen führt, auch zu abstrusen Ergebnissen führt. Wir brauchen das in Deutschland nicht.

    Fischer: Damals hat ja die Konkretisierung des Verfassungsrechtes, das es ja gab - es heißt ja: Frauen und Männer sind gleichberechtigt -, ja nun auch dazu geführt, dass sozusagen in der Gleichberechtigung Fortschritte gemacht wurden. Könnte dieses Schicksal nicht auch auf europäischer Ebene nun bei der Antidiskriminierungsrichtlinie eintreten?

    Schleyer: Das halte ich auch für ein durchaus legitimes Ziel. Die Frage ist nur, mit welchen Mitteln man dieses Ziel erreicht. Ich bleibe dabei: Die gesellschaftliche Wirklichkeit, die Wirklichkeit in unseren Betrieben ist so, dass Diskriminierung nicht stattfindet, jedenfalls nicht in dem Bereich, der überhaupt gesetzlich zu regeln ist. Wir haben, wenn ich das noch hinzufügen darf, im Handwerk ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Das wird eigentlich auch immer wieder auch von den europäischen Institutionen unter dem Stichwort "corporat social responsibility" festgestellt. Wir gehen damit verantwortungsvoll um - gegenüber den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch gegenüber den Kunden. Aber wir wehren uns gegen eine Verschärfung, gegen eine Ausdehnung auf Lebens- und Schutzbereiche, wo wir sagen müssen, das ist überhaupt nicht mehr handhabbar. Und ich will eben verhindern, dass die Rechtsprechung zunehmend dafür in Anspruch genommen wird, offene Tatbestände auszufüllen mit all den Folgen der Verunsicherung und der Belastung für unsere Betriebe.

    Fischer: Aber Herr Schleyer, es gibt ja auch Verfahren gegen Deutschland. Hinsichtlich des Diskriminierungsschutzes sind auch deutsche Betriebe betroffen. Also geht es hier dennoch auch um den Diskriminierungsschutz bei der Arbeit?

    Schleyer: Die Verfahren, die Sie meinen, die Vertragsverletzungsverfahren, die die Europäische Kommission gegen die Bundesrepublik angestrengt hat, die sind für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Wenn hier eine Frist in Zweifel gezogen wird, die es nach dem deutschen Allgemeinen Gleichstellungsgesetz gibt, innerhalb derer man Schadensersatzansprüche geltend machen muss, nämlich einer Frist von zwei Monaten, und die Kommission der Meinung ist, dass es sich hier um mindestens drei Monate handeln muss, dann findet das weder seine Grundlage in der entsprechenden Richtlinie, noch ist es sinnvoll. Wenn jemand etwas geltend zu machen hat, dann muss eine Frist von zwei Monaten ausreichen. Also von diesem Vertragsverletzungsverfahren darauf zu schließen, dass wir gegen Sinn und Zweck der europäischen Richtlinie verstoßen, das ist für mich nicht nachvollziehbar.

    Fischer: Der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks Hans-Eberhard Schleyer. Vielen Dank und auf Wiederhören.