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"Schlichtweg umwerfend"

Die Ruine Leptis Magna gilt als das Pompeji Nordafrikas. Detlev Kreikenbom, Archäologe der Universität Mainz, ist der erste Deutsche, der dort vor Jahren eine Grabungslizenz erhalten hat. Als besonders eindrucksvoll beschreibt der das Kaiserforum.

Detlev Kreikenbom im Gespräch mit Karin Fischer | 24.03.2011
    Karin Fischer: Herr Kreikenbom, erzählen Sie, welche Bedeutung diese hierzulande ja eher unbekannte kulturhistorische Stätte für Archäologen und in der Kulturgeschichte hat.

    Detlev Kreikenbom: Sie haben eben schon das Stichwort Pompeji gegeben, und das ist insofern auch durchaus richtig, als der Erhaltungszustand der Ruinen in dieser Stadt ausgezeichnet ist. Man bekommt dort als Besucher eine wirklich komplett gute Anschauung einer Stadt. Aber es ist eben nicht wie Pompeji eine kleine Stadt, sondern es ist eine Großstadt gewesen, eine ganz bedeutende Handelsstadt mit einer über tausendjährigen Geschichte am Mittelmeer, die ganz besonders in der römischen Kaiserzeit sich zu einer Metropole entwickelte. Die genauen Einwohnerzahlen kennt man nicht, aber sie liegen so etwa zwischen 50.000 und 150.000. Das ist für eine antike Stadt schon ganz außergewöhnlich. Und die Ruinen, die man eben heute sehen kann - teilweise vergisst man fast, dass es Ruinen sind, so gut sind sie erhalten -, die sind einfach schlichtweg umwerfend.

    Fischer: Libyen ist ja kein Urlaubsland, aber ein bisschen Kulturtourismus gibt es dort seit einigen Jahren. Was ist das für ein Erlebnis, wenn man diese Stätte besichtigt? Was konkret sieht man?

    Kreikenbom: Das was besonders eindrucksvoll ist, ist ein riesiges Kaiserforum, das einzige Kaiserforum außerhalb von Rom. Aus Leptis Magna stammt ein bedeutender römischer Kaiser, aus einer Familie in Leptis Magna, Kaiser Septimius Severus, und der hat in seiner Geburts- und Heimatstadt ein ganz gewaltiges Forum gebaut, das eigentlich nur noch mit Rom vergleichbar ist. Auch das ist an seiner Außenwand bis zu 20 Meter hoch erhalten, und das ist einfach eindrucksvoll.

    Fischer: Die gesicherten Schätze unter anderem aus Leptis Magna sind zu besichtigen im Nationalmuseum in Tripolis, und das ist in genau jener Festung hinter dem Grünen Platz untergebracht, von der aus man Gaddafi auch einige seiner jüngeren Reden halten sah. Was sind das für Schätze, die dort ausgestellt sind?

    Kreikenbom: Es sind vor allem Skulpturen, die nicht nur aus Leptis Magna stammen, sondern auch aus den weiteren bedeutenden Städten im heutigen Libyen. Man sollte daran denken, dass es auch Sabratha als eine weitere Stadt gibt, die genau wie Leptis Magna auch UNESCO-Weltkulturerbe ist, und das sind Funde, die gehen hin bis nach Kyrene in Ost-Libyen, die dort jetzt in Auswahl konzentriert sind. Man hat in den regionalen Museen auch jeweils Objekte, Fundstücke aus den jeweiligen Grabungen, aber die Hauptwerke sind in Tripolis versammelt und das, was dort zusammengekommen ist, ist schon ein überaus bedeutendes Museum, und das ist ja auch von der UNESCO eingerichtet worden.

    Fischer: Welche Rolle, kann man das überhaupt sagen, welche Rolle spielt diese archäologische Vergangenheit für das kulturelle Selbstverständnis der Menschen in Libyen heute?

    Kreikenbom: Zunehmend. Das ist ganz interessant, dass das in den letzten Jahren gestiegen ist. Es gibt immer mehr - also ich kann es speziell für Leptis Magna sagen -, immer mehr Besucher, also Einheimische, Libyer, die dort hinkommen, Familienausflug machen und hoch interessiert dann auch sind und, wenn wir dort sind, dann auch stehen bleiben und sich sehr gerne informieren lassen. Man begreift das zunehmend als ein Erbe, als ein eigenes Erbe, und das ist wirklich eine Entwicklung, die in den letzten Jahren sehr stark erst eingesetzt hat.

    Fischer: Deutsche Archäologen sagen relativ übereinstimmend, die Zusammenarbeit mit dem Antiken-Dienst und der libyschen Antiken-Behörde sei immer denkbar unkompliziert verlaufen. Stellt man sich als Forscher die Frage überhaupt nach dem Warum und Wozu der eigenen Forschung, zum Beispiel unter den Bedingungen einer Diktatur?

    Kreikenbom: Man stellt sich die Frage, aber auf der einen Seite ist es ja so, dass man unabhängig von einem politischen System darauf angewiesen ist, nein dazu verpflichtet ist, sich mit einer historisch bedeutenden materiellen Hinterlassenschaft wo auch immer zu beschäftigen. Zum anderen ist es natürlich auch für die Kollegen in Libyen selbst eine ausgesprochen schöne Sache, wenn sie mit uns zusammenarbeiten können, mit uns sich unterhalten können, und ich kann nur bestätigen, dass sich die Kooperation mit dem libyschen Antiken-Dienst in den letzten Jahren auch ständig immer noch verbessert hat.

    Fischer: Wie schätzen Sie die Situation ein im Moment? Was haben Sie für Informationen über die mögliche Gefährdung dieser antiken Schätze durch den Krieg, oder durch Plünderungen zum Beispiel?

    Kreikenbom: Also aktuelle Informationen habe ich überhaupt nicht, und das gilt, glaube ich, auch, so weit ich weiß, für meine Kollegen. Ich gehe eigentlich davon aus, dass zumindest in den Bereichen, in denen keine kriegerischen Handlungen stattfinden, dass dort, wo das nicht stattfindet, dass dort eigentlich auch die materielle Hinterlassenschaft, die Kulturgüter unberührt sind und dass dort eigentlich nichts passiert. Speziell auch beim Museum in Tripolis, das Sie angesprochen haben, bei dem großen Nationalmuseum, habe ich eigentlich keine Angst im Augenblick.

    Fischer: Danke an Detlev Kreikenbom, Archäologe der Universität Mainz, für diesen Bericht. - Die UNESCO hat heute Truppen des Machthabers Muammar al-Gaddafi und das gegen sie kämpfende internationale Bündnis zum Schutz der Kulturgüter in Libyen aufgerufen. Das libysche Kulturgut sei wichtig für die gesamte Menschheit.