Dienstag, 14. Mai 2024

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"Schluss mit dem Bullshit"
Suche nach dem verlorenen Verstand

Der Begriff "Bullshit" klingt nach Cowboy-Slang, stammt aber, wie Tobias Hürter und Max Rauner in ihrem Buch erklären, aus dem Französischen: "Boul" bedeutet Täuschung. Die Autoren geben ihren Lesern Hinweise, wie man verbalen Bullshit erkennt, und begeben sich auf die Suche nach dem verlorenen Verstand - vergeblich.

Rezension von Michael Lange | 07.12.2014
    Fast überall werden die Bullshit-Jäger fündig: Bei einer Schulung für Eliteverkäufer, bei Verfechtern alternativer Heilmethoden, in der Werbung, in der Religion, Politik, in den Medien, der Wirtschaft und natürlich in der Esoterik. Die Meinungsfreiheit und das Internet erlauben es jedem, eine Verschwörungstheorie zu erdenken, sich seine eigene Wahrheit zurechtzulegen und offensiv dafür zu werben. Dagegen ist nichts einzuwenden. Dass die Verbreiter der zweifelhaften Aussagen selbst an den eigenen Bullshit glauben, macht ihn aber nicht weniger gefährlich. Sie bauen ein Gedankengebäude, dessen Fundamente sie nicht mehr in Frage stellen. Das kann für die, die daran glauben, ernsthafte Konsequenzen haben. Wer sich in die Hände eines Bullshitters begibt, wird nicht selten in eine neue Welt entführt und verliert den Kontakt zur alten Welt.
    Coverfoto des Buches von Tobias Hürter und Max Rauner: Schluss mit dem Bullshit. Auf der Suche nach dem verlorenen Verstand
    Tobias Hürter und Max Rauner: Schluss mit dem Bullshit. Auf der Suche nach dem verlorenen Verstand (Piper Verlag)
    Als bullshitfreie Zone müsste da die Wissenschaft gelten, denn die überprüft nach eigenem Selbstverständnis ihre Aussagen mit Experimenten und Studien. Wissenschaftlicher Bullshit müsste im Konkurrenzkampf der Forscher schnell entdeckt und von den Selbstreinigungskräften der organisierten Wissenschaft beseitigt werden. Das ist im Prinzip richtig, funktioniert aber in der Praxis nicht immer. Vor allem bei Trendthemen wie Nanotechnologie und Neurowissenschaften sind echte Wissenschaft und Pseudowissenschaft kaum auseinander zu halten. Was ist eine diskussionswürdige Theorie und was nur aufgeblasener Bullshit? Auch wenn die beiden Autoren ihre Kriterien für Bullshit klar benennen, so ist die Grenze doch schwer zu ziehen – und manchmal ist der Bullshit von heute die Lehrmeinung von morgen.
    Hürter und Rauner geben ihren Lesern Hinweise, wie man Bullshit erkennt und fordern mehr Respekt vor der Wahrheit. Ihre Sprache allerdings ist wenig respektvoll und wechselt ständig zwischen Sachlichkeit und Polemik. Den verlorenen Verstand, den die beiden Autoren (laut Untertitel) suchen wollten, können sie bis zum Ende des Buches nicht vorweisen. Stattdessen dreschen sie unverdrossen auf alles ein, was sie als Bullshit ausgemacht haben.
    Tobias Hürter und Max Rauner: Schluss mit dem Bullshit. Auf der Suche nach dem verlorenen Verstand
    ISBN: 978-3-49-205626-7
    Piper Verlag, 304 Seiten, 16,99 Euro