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Schmerzmittel im Fußball
Doping... oder nicht?

Ibuprofen und Paracetamol: Viele Fußballerinnen und Fußballer nehmen Schmerzmittel - auch Amateure. Oft wird der Gebrauch zum Missbrauch. In einer Dokumentation der ARD-Dopingredaktion und des Recherchezentrums Correctiv spricht ein Experte von Doping.

Von Josef Opfermann | 09.06.2020
Bunte Pillen in einer Glastasse vor weißem Hintergrund.
Schmerzmittel sind im Profi- und im Amateur-Fußball nichts Ungewöhnliches. (Unsplash / Adam Niescioruk)
"Wie ich das erlebt habe, sind Schmerzmittel überall, sind gang und gäbe in Trainingseinheiten, in Spielen, sie gehören dazu."
"Ibuprofen wird wie Smarties verteilt."
"Wenn du jetzt die Schmerztabletten nicht nimmst, dann… dann spielst du nicht."
Jonas Hummels, Neven Subotic, Dani Schahin. Es sind Aussagen, die man so aus dem Hochglanzprodukt Profifußball selten bis nie hört. Die Recherchen der ARD-Dopingredaktion und des Recherchezentrums Correctiv zeigen: Schmerzmittelmissbrauch im Fußball - offenbar allgegenwärtig. Ex-Profi Dani Schahin spielte in der Bundesliga für Mainz, Freiburg und Düsseldorf. Er sagt über seine Karriere:
"Wenn man drauf angewiesen ist, zu spielen, dann ist es einfach nicht realistisch, ohne Schmerzmittel weiterzumachen. Weil, wenn du halt ein gewisses Level halten möchtest, dann musst du ja halt irgendwie auch schmerzfrei sein, oder du musst ja irgendwie Leistung bringen."
Schmerzmittel, um die Karriere zu verlängern
Der Druck - immens. Schahin sagt, in den letzten drei bis vier Jahren ging in seiner Karriere gar nichts mehr ohne Schmerzmittel:
"Ohne Schmerzmittel hätte ich früher mit der Karriere Schluss machen müssen, weil ich einfach Probleme hatte, die Bewegungen, die notwendig sind, auszuführen."
Mit 30 folgte für ihn im vergangenen Jahr das Karriereende. Sein Profikollege Neven Subotic, früher Borussia Dortmund, heute Union Berlin, sagt nach 14 Jahren im Profifußball:
"Für jedes kleine Aua gibt es quasi pauschal Ibuprofen. Auch viele Spieler eben, die ich kennengelernt habe, die Woche für Woche quasi dann direkt vor dem Spiel nochmal Schmerzmittel brauchen."
Umfrage unter Amateuren: Schmerzmittel weit verbreitet
Er selbst halte sich von Schmerzmitteln so gut es gehe fern. Anders sieht das zuweilen im Amateurbereich aus. Eine deutschlandweite Umfrage der ARD-Dopingredaktion und Correctiv unter 1.142 Fußballerinnen und Fußballern ergab: Fast jeder Zweite greift mehrmals pro Saison zu Schmerzmitteln. Jeder Fünfte sogar mehrmals pro Monat. Als Grund gaben 41,6 Prozent der Konsumenten an, Einfluss auf die Leistungfähigkeit nehmen zu wollen. Auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur stehen Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol zwar nicht. Experten aber wie der Biochemiker Hans Geyer vom renommierten Dopingkontrolllabor in Köln sehen im Schmerzmittelmissbrauch Doping:
"Man kann bessere Leistungen bringen, wie man normalerweise erbringen könnte, wenn man Schmerzmittel nimmt, und die Nebenwirkungen von Schmerzmitteln können gravierend sein."
DFB-Präsident will Spielerinnen und Spieler sensibilisieren
Mit den Ergebnissen der Schmerzmittel-Umfrage konfrontiert, zeigte sich der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes Fritz Keller schockiert und kündigte Konsequenzen an:
"Da müssen wir unbedingt an unsere Landesverbände gehen und über Fußballlehrer, über Trainer einfach eine Sensibilisierung hinkriegen."
Die Recherchen der ARD-Dopingredaktion und Correctiv zeigen: Schmerzmittelmissbrauch im Fußball - es gibt ihn von ganz unten bis ganz oben. Die Grenzen zum Doping verschwimmen oft. Auch darüber dürfte jetzt mehr denn je diskutiert werden.
Die neue ARD-Dokumentation aus der Reihe "Geheimsache Doping" mit dem Titel "Hau rein die Pille!" gibt es in der ARD-Mediathek. Alle Ergebnisse der Recherchen finden Sie unter www.pillenkick.de.