Gerner: Da ist nicht nur von Abbrechen die Rede beim jüngsten Vorfall, sondern auch von Kalben, wie es in Agenturmeldungen heißt. Können Sie uns das erklären?
Rack: Ja, genau, das ist eigentlich der Fachausdruck. Wenn Eisberge von sogenannten Schelfeisen, das sind schwimmende Eisplatten, die an der seewärtigen Kante bis zu 200, 250 Meter dick sind, wenn die abbrechen, dann spricht man von Kalben. Das heißt, Eisberge kalben in das Meer. Das ist eigentlich nur der Fachausdruck, aber es ist nichts anderes, als dass ein Tafeleisberg von diesem Schelfeis abbricht, das den antarktischen Kontinent zum großen Teil umgibt.
Gerner: Nun haben wir eben vom Ross-Schelf gesprochen. Ein anderes, das Larsen-Schelfeis hat neulich einen Brocken verloren, wie gemeldet wurde von der Gesamtfläche des Saarlandes. Ist das eine andere Qualität?
Rack: Das ist von der Größe her auch ein relativ kleines Ereignis, aber es ist insofern von einer anderen Qualität, weil es hier tatsächlich eine Reaktion auf eine Klimaänderung gibt, die wir dort auch beobachtet haben und es ist so, dass dort diese Eisberge, Eismassen, die dort abbrechen unter dem vorherrschenden Klima nicht mehr fest werden. Also dort sind wirklich irreversible Vorgänge im Gange. Wie das jetzt im globalen Kontext zu betrachten ist, ist noch ungeklärt.
Gerner: Sie sagen, dieses große Teil, was da abbrach, sei immer noch kein großes. Wo sind denn die größten gemeldeten Abbrüche erfolgt?
Rack: Man muss sich vorstellen, die wirklich großen Schelfeise sind bis zu 500.000 Quadratkilometern groß, vergleichbar Frankreich. Und Eisberge, die dort abbrechen in der Größe in einzelnen Stücken von bis zu 10.000 Quadratkilometern Größe sind nicht wirklich besondere Ereignisse. Am Larsen-Schelfeis sind insgesamt Eisberge in der Größe von 3.600 Quadratkilometern weggebrochen in Form vieler kleiner Eisberge. Aber dort sind in den letzten Jahren sehr oft signifikante Schmelzen im Sommer beobachtet worden und es ist so, dass diese Temperaturerhöhung im Sommer diese Schelfeisabbrüche gemacht hat.
Gerner: Sie haben von irreversiblen Vorgängen gesprochen. Was ist im schlimmsten Falle zu erwarten?
Rack: Für die Antarktis hat das eigentlich keine Auswirkungen. Für uns ist es insofern ein sehr interessanter Fall, weil wir diese Mechanismen zwischen vorgelagertem Schelfeis und dahinterliegendem festaufliegendem Eis studieren können.
Gerner: Also keine Folgen für Schiffsverkehr in der Gegend, für den Meeresspielegel etc.?
Rack: Vorerst nicht, das wird auch sehr genau beobachtet, wie sich diese Eisberge bewegen.
Gerner: Wir beobachten mit Ihnen weiter, ganz herzlichen Dank. Das war Wolfgang Rack vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung mit Sitz in Bremerhaven.