Archiv


Schmoldt gegen einheitlichen Mindestlohn

Der Chef der IG Bergbau, Chemie und Energie, Hubertus Schmoldt hat sich gegen einen einheitlichen Mindestlohn ausgesprochen. Das Instrument werde nur da gebraucht, wo es keine entsprechenden tariflichen Regelungen gebe, sagte Schmoldt. Aufgeschlossen hingegen zeigte sich der Gewerkschaftschef gegenüber dem Modell von Kombilöhnen.

Moderation: Peter Lange |
    Lange: Die ersten 100 Tage, das ist seit Franklin Roosevelt die Schonfrist, die traditionell jeder neuen Regierung eingeräumt wird, bevor der Daumen zum ersten Mal gehoben oder gesenkt wird. 100 Tage ist es heute her, dass der schwarz-rote Koalitionsvertrag in Berlin geschlossen worden ist, Auftakt also für die 100-Tage-Bilanzen. Heute will die SPD-Spitze vor die Presse gehen, kommende Woche werden die Union und die Oppositionsparteien folgen. Für die Wirtschaftsverbände fällt das Fazit zwiespältig aus: Kein Fehlstart, meint gestern zwar der DIHK-Präsident Georg Ludwig Braun hier im Deutschlandfunk, aber sonst konnte er am Regierungsstart nicht viel Positives finden. Wie sehen das die Gewerkschaften? Am Telefon ist nun Hubertus Schmoldt, der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, guten Morgen Herr Schmoldt.

    Schmoldt: Guten Morgen Herr Lange.

    Lange: Herr Schmoldt, die Wirtschaft mäkelt an Schwarz-Rot, dann könnten die Gewerkschaften doch halbwegs zufrieden sein, oder?

    Schmoldt: Naja, das wäre ja nicht die logische Schlussfolgerung. Die Wirtschaft hat bisher in den letzten Jahren immer nur gemäkelt. Wichtig ist, dass die Koalitionsregierung die Konsequenzen aus dem Wahlergebnis vom 18. September zieht, das heißt: Reformen ja, aber sozial gerecht. Dazu sind ein paar Dinge auf den Weg gebracht, die ich auch von uns als Gewerkschaften begrüße und unterstützte. Es gibt auch ein paar Punkte, die wir für falsch halten, unter anderem die Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 - also eine eher gemischte Bilanz.

    Lange: Hat damit die große Koalition so agiert, wie Sie sich das vorgestellt haben?

    Schmoldt: Wir haben ja so viel Erfahrung mit großen Koalitionen nicht. Die letzte liegt ja nun schon mehr als 30 Jahre zurück. Die große Koalition hat natürlich eine Chance und die muss sie nutzen und diese Chance ist, dass sie mit der hohen Verantwortung, die ja in dem Wahlergebnis zum Ausdruck kommt, die grundsätzlichen Reformen in unserem Land auf den Weg bringt. Das ist natürlich zu allererst die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Da muss die Bundesregierung Rahmenbedingungen schaffen. Aber die Arbeitsplätze selber müssen in der Wirtschaft geschaffen werden. Da geht es um das nach wie vor skandalöse Problem: zu wenig Ausbildungsplätze - die hohe Jungendarbeitslosigkeit. Hier ist insbesondere die Wirtschaft gefordert. Aber da muss die Politik Druck machen, und es geht natürlich auch darum, die sozialen Sicherungssysteme - also Rente, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, auch Pflegeversicherung - für die nächsten Jahrzehnte krisenfest zu machen. Das alles ist eine gewaltige Aufgabe, lässt sich mit einer großen Koalition aber sicherlich eher schultern als in anderen Konstellationen.

    Lange: Sie sagen, die Regierung müsste mehr Druck machen, zum Beispiel für Ausbildungsplätze. Macht sie Ihnen zu wenig Druck?

    Schmoldt: Das tut sie, insbesondere nachdem die Wirtschaft ja auch im Jahr 2005 das selbstgesteckte Ziel - nämlich jedem, der einen Ausbildungsplatz sucht, auch einen anzubieten - wieder nicht erreicht hat und wenn die Wirtschaft in dieser Frage nicht endlich zur Vernunft kommt, dann gefährden wir damit die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wir können nur international wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir gut ausgebildete Menschen haben, die hoch innovative und hoch qualitative Produkte herstellen, die sich dann auch mit Hochlohnarbeitsplätzen bezahlen lassen.

    Lange: SPD und Union haben sich ja nach unserem Eindruck vor allem um Klimapflege und Stimmung bemüht. Sie sind deshalb die Dinge angegangen, in denen man sich weitgehend einig war. Wie erklären Sie sich, dass sich das in der Wählergunst zu Lasten der SPD und zu Gunsten der CDU auswirkt?

    Schmoldt: Natürlich ist die Ankündigung der Heraufsetzung des Rentenalters alles andere als das, was die Menschen erwartet haben, zumal jeder weiß, dass heute schon nicht genügend Arbeitsplätze für ältere Menschen zur Verfügung stehen und das wird ja mit der Heraufsetzung des Rentenalters nicht besser. Das Zweite ist, die Menschen sind zum Teil gesundheitlich gar nicht in der Lage, 65 Jahre zu erreichen. Wir waren ja vor gut zwei Tagen bei der Regierung eingeladen, bei Frau Kanzlerin Merkel und bei Vizekanzler Müntefering, der uns mitgeteilt hat, das durchschnittliche Rentenalter liegt bei knapp 61 Jahren. Wir könnten also zunächst einmal die 65 erreichen, hätten damit erhebliche Beitragseinnahmen, bevor man über eine Heraufsetzung redet. Das, was die Regierung derzeit tut, ist Rentenkürzung und das straft natürlich die Bevölkerung ab, indem sie bei den Sympathiewerten die Partei, von der sie eigentlich ja eher Vernunft erwartet, dann entsprechend negativ bewertet.


    Lange: Meinen Sie, es war ein Fehler, dass ausgerechnet die SPD da jetzt die Initiative ergriffen hat?

    Schmoldt: Man kann natürlich sagen, das ist ein Stück weit Ehrlichkeit. Dann soll man es aber auch so verkaufen, dann soll man sagen: Es gibt keine andere Möglichkeit. Wenn wir die Rentenversicherungsbeiträge nicht heraufsetzen wollen, dann können wir nur das Renteneintrittsalter verlängern. Aber es ist ja so deutlich nicht gesagt worden, sondern man hat gesagt, das sei wegen der demographischen Entwicklung notwendig. Und verschwiegen wurde, dass wir überhaupt nicht genügend Arbeitsplätze haben. Das ist keine offene und faire Verhaltensweise gegenüber den Bürgern.

    Lange: Die Koalition will im Herbst über gesetzliche Mindestlöhne entscheiden. Über Kombilohnmodelle wird ja auch diskutiert. Wolfgang Clement, der frühere Wirtschaftminister hält von all dem gar nichts. Was halten Sie davon?

    Schmoldt: Zunächst einmal kann niemand an der Tatsache vorbei, dass wir in bestimmten Bereichen Löhne und Arbeitsbedingungen haben, die man nur als menschenunwürdig bezeichnen kann und dafür brauchen wir Regelungen. Deshalb ist die Diskussion, die ja auch die Bundeskanzlerin unterstützt, richtig, dass wir sowohl über Kombilöhne reden, und damit will man ja und wollen wir diejenigen, die heute soziale Leistungen erhalten, für Arbeitslosigkeit, wieder in Arbeit zurückführen und das kann man für bestimmte Personengruppen mit Kombilöhnen erreichen, also Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Und wir müssen auch eine Lösung dafür schaffen, dass in bestimmten Bereichen Arbeitgeber Menschen zu unwürdigen Bedingungen beschäftigen. Das wäre ein notwendiger Riegel, den man mit Mindestlöhnen vorschieben kann. Allerdings - und da sind wir uns im Deutschen Gewerkschaftsbund nicht einig - wir wollen keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, sondern nur da Mindestlöhne, wo es keine tariflichen Regelungen gibt.

    Lange: Hätten denn solche Mindestlöhne mehr als nur einen Placeboeffekt? Am Ende muss das kontrolliert und durchgesetzt werden. Wer soll das dann machen?

    Schmoldt: Das müsste man entscheiden, wer hinterher die Kontrolle durchführen sollte. Es gibt ja heute schon beim Entsendegesetz auch schon entsprechende Kontrollmaßnahmen, die kann man auch dafür dann bei den Mindestlöhnen durchaus anwenden. Am Ende kommt es natürlich darauf an, dass der Bürger auch weiß, dass er darauf Anspruch hat und nicht zu anderen Bedingungen arbeitet. Also neben der Kontrolle muss auch der Einzelne dann die Einhaltung mit versuchen zu gewährleisten.

    Lange: Aber die Erfahrungen in den anderen Ländern sind ja so ermutigend nicht, da stehen die Mindestlöhne ja oft auf dem Papier, aber gezahlt werden sie nicht.

    Schmoldt: Dieses Wegducken und Umgehen muss man verhindern. Da hat heute niemand ein Patentrezept. Da muss man zunächst einmal die Instrumente dann nutzen, die wir haben. Wenn die nicht ausreichen, dann muss man zu anderen Lösungen kommen, aber wenn es einen Mindestlohn gibt und es gibt Arbeitgeber, die den nicht einhalten, kann man sie verklagen und das würde dann entsprechende gerichtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

    Lange: In den Informationen am Morgen war das Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Herr Schmoldt, ich danke Ihnen für das Gespräch, auf Wiederhören.

    Schmoldt: Ich bedanke mich auch, auf Wiederhören.