Silvia Engels: Die Bundesregierung hat nach Medienberichten ihren Streit um die geplante Rentenerhöhung so gut wie beigelegt. Danach sollen wie geplant ab diesem Sommer die Renten außerplanmäßig um 1,1 Prozent steigen. Parallel dazu wollte Bundesarbeitsminister Scholz die Rücklagen der Rentenversicherung stark aufstocken und dafür die Rentenbeiträge erst später sinken lassen. Doch nun ist ein anderer Kompromiss im Gespräch.
Am Telefon ist nun Professor Reinhold Schnabel, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Essen. Guten Tag Herr Schnabel!
Reinhold Schnabel: Guten Tag!
Engels: Wie beurteilen Sie den sich abzeichnenden Kompromiss?
Schnabel: Ich halte diesen ganzen Kompromiss, diesen Vorschlag der Großen Koalition für Vorwahlkampf-Populismus. Wir haben eine Rentenformel, die vor einigen Jahren beschlossen wurde, und ich kann nur davor warnen, ad hoc diese Beschlüsse wieder außer Kraft zu setzen.
Engels: Nun dreht man ja an drei Stellschrauben gleichzeitig. Erstens Rentenerhöhung, zweitens Rücklagenaufstockung und drittens Beitragssenkung. Wird durch dieses gleichzeitige Verschieben dann verschleiert, dass dieses Geschenk, wie sie es nennen, an die Rentner teuerer wird als gedacht?
Schnabel: Dieses Geschenk wird natürlich teuer. Es wird einige Milliarden kosten.
Engels: Können Sie sagen wie viel ungefähr?
Schnabel: Das hängt davon ab, wann dieses Geschenk wieder zurückgenommen wird, und das ist ja genau der Punkt, dass es sehr unglaubwürdig ist, dass die Politik jetzt behauptet, sie würde in zwei, drei Jahren dieses Geschenk wieder zurücknehmen. Das ist deshalb unglaubwürdig, weil wir ja schon ein solches Geschenk hatten, das in den Jahren 2004, 2005, 2006 gemacht wurde. Damals hätten ja eigentlich die Renten sinken müssen und die Rentner wurden bei schlechter Konjunktur geschützt vor einem Sinken der Renten. Diese dreieinhalb Milliarden, die sind ja immer noch da und auch die müssen noch nachgeholt werden. Es ist vollkommen unglaubwürdig, jetzt zu sagen, man würde diese Belastungen und die neuen Belastungen, die jetzt kommen, in den Jahren 2011, 2012 wieder zurückholen. Das kann man einfach nicht glauben. In schlechten Zeiten hat sich die Regierung nicht an die Rentenformel gehalten; in guten Zeiten tut sie es auch nicht. Wer will denn dann noch glauben, dass die Rentenpolitik das Papier wert ist, auf dem sie steht.
Engels: Herr Schnabel das läuft dann darauf hinaus, wenn ich Sie richtig verstehe, dass wir uns mittelfristig nicht auf sinkende, sondern auf höhere Rentenbeiträge gefasst machen müssen, denn irgendwo muss das Geld ja wieder reinkommen.
Schnabel: Wir müssen uns auf mittlere Sicht auf höhere Beiträge gefasst machen als die, die ursprünglich vor einigen Jahren prognostiziert wurden. Das heißt, dass wir vermutlich nicht ein Sinken der Beiträge sehen werden, wie es ursprünglich ja geplant war ab dem Jahre 2011, 2012, sondern dass wir vielleicht damit rechnen müssen, dass der Rentenbeitragssatz doch bleibt wo er heute ist, nämlich bei 19,9 Prozent.
Engels: Das heißt die ursprüngliche Rentenreform wird derzeit durch diese kleinen Schritte nach und nach wieder zurückgenommen?
Schnabel: Genau das ist der Punkt und wir müssen ja sehen: wir haben immer noch dreieinhalb Millionen Arbeitslose in Zeiten der gut laufenden Konjunktur. Wenn die Konjunktur schlechter läuft, wird es auch dort wieder schlechter werden. Die Rentner können hier nicht besser behandelt werden als der übrige Teil der Bevölkerung, als die Erwerbsfähigen, für die es ja auch lange Zeit keine Erhöhungen gab und für die es steigende Arbeitslosigkeit gab.
Engels: Was würden Sie also vorschlagen?
Schnabel: Ich würde ganz klar vorschlagen, der Großen Koalition ganz klar zurufen, lasst den Rentenfaktor, lasst die Rentenanpassung so wie sie eigentlich geplant war, und das wären nun mal nur 0,5 Prozent. Das ist schade, das ist traurig, klar, aber damit geht es den Rentnern auch genauso gut oder genauso schlecht wie dem Rest der Bevölkerung.
Engels: Was bedeutet diese Entscheidung oder sage ich mal dieser Kompromiss, der sich jetzt abzeichnet, für die Wirkung der Rentenpolitik? Ist das der Einstieg in die Rente nach Kassenlage, oder denken Sie das waren jetzt einmalige Ausnahmen, vielleicht auch ein Vorwahlgeschenk und man findet zurück zu den Strukturen einer langfristig orientierten Rentenpolitik?
Schnabel: Genau das, was Sie gesagt haben. Die Befürchtung ist die, dass wir eine Rentenpolitik nach aktueller politischer Opportunität bekommen, dass wir also Wahlgeschenke bekommen. Es ist ja nicht das erste Mal, dass hier eingegriffen wird. Dieses Signal werden natürlich die Bürger hören. Das werden auch diejenigen hören, die jetzt eigentlich in ihre private Vorsorge investieren sollten. Die werden sich denken na, dann können wir uns ja darauf einrichten, dass es in Zukunft mit den Renten gar nicht so schlimm wird, wir brauchen gar nicht so viel vorzusorgen. Hier gibt es also auch ganz massive negative Auswirkungen auf das Sparverhalten der zukünftigen Rentner.
Engels: Professor Reinhold Schnabel, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Essen. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Schnabel: Danke!
Am Telefon ist nun Professor Reinhold Schnabel, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Essen. Guten Tag Herr Schnabel!
Reinhold Schnabel: Guten Tag!
Engels: Wie beurteilen Sie den sich abzeichnenden Kompromiss?
Schnabel: Ich halte diesen ganzen Kompromiss, diesen Vorschlag der Großen Koalition für Vorwahlkampf-Populismus. Wir haben eine Rentenformel, die vor einigen Jahren beschlossen wurde, und ich kann nur davor warnen, ad hoc diese Beschlüsse wieder außer Kraft zu setzen.
Engels: Nun dreht man ja an drei Stellschrauben gleichzeitig. Erstens Rentenerhöhung, zweitens Rücklagenaufstockung und drittens Beitragssenkung. Wird durch dieses gleichzeitige Verschieben dann verschleiert, dass dieses Geschenk, wie sie es nennen, an die Rentner teuerer wird als gedacht?
Schnabel: Dieses Geschenk wird natürlich teuer. Es wird einige Milliarden kosten.
Engels: Können Sie sagen wie viel ungefähr?
Schnabel: Das hängt davon ab, wann dieses Geschenk wieder zurückgenommen wird, und das ist ja genau der Punkt, dass es sehr unglaubwürdig ist, dass die Politik jetzt behauptet, sie würde in zwei, drei Jahren dieses Geschenk wieder zurücknehmen. Das ist deshalb unglaubwürdig, weil wir ja schon ein solches Geschenk hatten, das in den Jahren 2004, 2005, 2006 gemacht wurde. Damals hätten ja eigentlich die Renten sinken müssen und die Rentner wurden bei schlechter Konjunktur geschützt vor einem Sinken der Renten. Diese dreieinhalb Milliarden, die sind ja immer noch da und auch die müssen noch nachgeholt werden. Es ist vollkommen unglaubwürdig, jetzt zu sagen, man würde diese Belastungen und die neuen Belastungen, die jetzt kommen, in den Jahren 2011, 2012 wieder zurückholen. Das kann man einfach nicht glauben. In schlechten Zeiten hat sich die Regierung nicht an die Rentenformel gehalten; in guten Zeiten tut sie es auch nicht. Wer will denn dann noch glauben, dass die Rentenpolitik das Papier wert ist, auf dem sie steht.
Engels: Herr Schnabel das läuft dann darauf hinaus, wenn ich Sie richtig verstehe, dass wir uns mittelfristig nicht auf sinkende, sondern auf höhere Rentenbeiträge gefasst machen müssen, denn irgendwo muss das Geld ja wieder reinkommen.
Schnabel: Wir müssen uns auf mittlere Sicht auf höhere Beiträge gefasst machen als die, die ursprünglich vor einigen Jahren prognostiziert wurden. Das heißt, dass wir vermutlich nicht ein Sinken der Beiträge sehen werden, wie es ursprünglich ja geplant war ab dem Jahre 2011, 2012, sondern dass wir vielleicht damit rechnen müssen, dass der Rentenbeitragssatz doch bleibt wo er heute ist, nämlich bei 19,9 Prozent.
Engels: Das heißt die ursprüngliche Rentenreform wird derzeit durch diese kleinen Schritte nach und nach wieder zurückgenommen?
Schnabel: Genau das ist der Punkt und wir müssen ja sehen: wir haben immer noch dreieinhalb Millionen Arbeitslose in Zeiten der gut laufenden Konjunktur. Wenn die Konjunktur schlechter läuft, wird es auch dort wieder schlechter werden. Die Rentner können hier nicht besser behandelt werden als der übrige Teil der Bevölkerung, als die Erwerbsfähigen, für die es ja auch lange Zeit keine Erhöhungen gab und für die es steigende Arbeitslosigkeit gab.
Engels: Was würden Sie also vorschlagen?
Schnabel: Ich würde ganz klar vorschlagen, der Großen Koalition ganz klar zurufen, lasst den Rentenfaktor, lasst die Rentenanpassung so wie sie eigentlich geplant war, und das wären nun mal nur 0,5 Prozent. Das ist schade, das ist traurig, klar, aber damit geht es den Rentnern auch genauso gut oder genauso schlecht wie dem Rest der Bevölkerung.
Engels: Was bedeutet diese Entscheidung oder sage ich mal dieser Kompromiss, der sich jetzt abzeichnet, für die Wirkung der Rentenpolitik? Ist das der Einstieg in die Rente nach Kassenlage, oder denken Sie das waren jetzt einmalige Ausnahmen, vielleicht auch ein Vorwahlgeschenk und man findet zurück zu den Strukturen einer langfristig orientierten Rentenpolitik?
Schnabel: Genau das, was Sie gesagt haben. Die Befürchtung ist die, dass wir eine Rentenpolitik nach aktueller politischer Opportunität bekommen, dass wir also Wahlgeschenke bekommen. Es ist ja nicht das erste Mal, dass hier eingegriffen wird. Dieses Signal werden natürlich die Bürger hören. Das werden auch diejenigen hören, die jetzt eigentlich in ihre private Vorsorge investieren sollten. Die werden sich denken na, dann können wir uns ja darauf einrichten, dass es in Zukunft mit den Renten gar nicht so schlimm wird, wir brauchen gar nicht so viel vorzusorgen. Hier gibt es also auch ganz massive negative Auswirkungen auf das Sparverhalten der zukünftigen Rentner.
Engels: Professor Reinhold Schnabel, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Essen. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Schnabel: Danke!