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Schnappauf bezeichnet Kritik an Hochwasserschutzpolitik als "Wahlkampfgetöse"

Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) hat die Kritik an der bayerischen Hochwasserschutzpolitik zurückgewiesen. Wer sich aus der Ferne äußere, habe offensichtlich von der Sachlage keine Kenntnisse, sagte Schnappauf. Bayern habe seit dem Pfingsthochwasser 1999 im Jahresdurchschnitt deutlich mehr als 100 Millionen Euro in den Hochwasserschutz gesteckt. Die Kritik an den Maßnahmen des Landes sei "bloßes Wahlkampfgetöse".

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Pausenlos unterwegs ist derzeit auch der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf, CSU. Guten Morgen!

    Werner Schnappauf: Guten Morgen!

    Müller: Herr Schnappauf, wäre das Wort Entspannung ein Affront gegen die Betroffenen, gegen die Helfer?

    Schnappauf: Die Lage ist nach wie vor angespannt. Es hat zwar der Regen nachgelassen und in den unmittelbaren Schadensgebieten am Alpenrand ist Aufräumen im Gange. Aber die Welle bewegt sich nach wie vor über die großen Flüsse, Richtung Donau, Richtung Passau. Und letzten Endes können wir erst aufatmen, wenn die Hochwasserwelle wirklich durch ist, denn wir haben auch einige Deiche, zum Beispiel bei Moosburg an der Isar, wo wir massiv Deichverteidigung betreiben. Dort sickert Wasser schon in großem Umfang durch, also wir sind noch nicht über den Berg.

    Müller: Was hat Sie besonders beeindruckt?

    Schnappauf: Besonders beeindruckt mich immer wieder die Gemeinschaftsleistung, die ehrenamtlichen Helfer, ob Feuerwehr, THW, auch unsere Bundeswehr, Zusammenarbeit mit den Gemeinden, Landratsamt und den Wasserwirtschaftskundigen. Also das ist wirklich dann ein Geist: Jetzt gemeinsam Gefahren abwehren! Das ist das eine und zum anderen haben wir dieses Mal mit Freude feststellen können, dass die vielen Millionen, die wir seit dem Pfingsthochwasser in den Hochwasserschutz investiert haben in Bayern - das sind ja immerhin seit 1999 676 Millionen Euro, die zur Verbesserung der Hochwasserschutzvorkehrungen investiert wurden -, dass diese Maßnahmen gegriffen haben und zahlreiche Städte dadurch vor einer Katastrophe bewahrt werden konnten.

    Müller: Nun sind die bayerischen Investitionen in den Hochwasserschutz ja sehr umstritten, zumindest aus Bundessicht. Dort haben führende SPD-Politiker gesagt: Das was in Bayern passiert ist - auch mit den Kürzungen, die jetzt anstehen - das ist fahrlässig, grob fahrlässig, viel zu wenig. Welche Verantwortung hat die bayerische Landesregierung?

    Schnappauf: Also die, die sich jetzt aus der Ferne äußern, haben von der Sachlage offensichtlich überhaupt keine Kenntnisse. Und auch diejenigen, die zunächst gelobt haben, wie der Bundesumweltminister Trittin - was ja ohnehin überrascht hat, er hat ja Bayern den richtigen Weg bestätigt und auch erklärt, dass es ganz erfreulich ist, wie viele Millionen Euro wir in die Hand nehmen -, wenn er nach einer Vorausmeldung aus der Hannoverschen Allgemeinen von heute sagt, dass Bayern jetzt doch kürzt, dann kann ich all denen nur sagen: Kameraden, ihr seid hier auf dem Holzweg. Und dem Alt-Linken Trittin geht offensichtlich der Wahlkampfgaul durch. Denn Tatsache ist folgendes: Bayern hat in all den letzten Jahren, seit dem Pfingsthochwasser 1999, im jährlichen Durchschnitt deutlich über 100 Millionen Euro in den Hochwasserschutz hineingesteckt. Und wir haben uns zu einer langfristigen Aufgabe selbst verpflichtet durch Ministerratsbeschluss im Jahr 2000, dass wir 20 Jahre lang investieren in den Hochwasserschutz insgesamt 2,3 Milliarden Euro. Nach meiner Kenntnis gibt es das kein zweites Mal in Deutschland. Und wir machen auch in der Sache selbst einen absolut modernen, ökologisch verantwortlichen Hochwasserschutz, indem wir drei Säulen miteinander verzahnen, ein wirklich integratives Konzept realisieren, indem wir den natürlichen Hochwasserschutz forcieren. Dort zum Beispiel renaturieren wir 150 Moore in Bayern, wir pflanzen neue Au-Wälder, wir dynamisieren Fluss-Auen, um die Speicherfähigkeit der Landschaft zu verbessern. Das ist die eine große Säule, natürlicher Hochwasserschutz, die verzahnen wir mit dem technischen Hochwasserschutz, der zweiten Säule, das sind Dämme, Deiche. Aber wie Sie gerade am Beispiel Regensburg auch gesagt haben, mobile Wände, um so wunderschöne historische Altstädte, wie Regensburg oder auch Neuburg an der Donau und andere, mit Hochwasserschutz zu versorgen ohne, dass wir das Stadtbild deswegen zerstören. Und wir haben in Bayern sieben Polder in Planung und wie es der Zufall will, kommende Woche zum Beispiel ist die erste große Flutung, eine Iller-Umleitung für einen Rückhalteraum, einen neuen Polder mit weit über sechs Millionen Kubikmeter Rückhaltevolumen. Allein diese Maßnahme an der Iller kostete 100 Millionen Euro...

    Müller: Herr Schnappauf, wenn ich Sie hier mal...

    Schnappauf: ...und alles ist bayerischer Hochwasserschutz, insofern ist die Kritik wirklich substanzlos, haltlos und bloßes Wahlkampfgetöse.

    Müller: Heißt das aber auch, dass was bislang getan wurde reicht bei weitem nicht aus?

    Schnappauf: Auch das ist völlig klar, deshalb haben wir ja ein 20-Jahresprogramm beschlossen, durch Ministerratsbeschluss im Jahr 2000. Und darüber hinaus will ich ganz deutlich sagen, dass nach meiner festen Überzeugung, durch die Klima-Erwärmung wir auch eine Anpassungsstrategie brauchen, für einen verbesserten Hochwasserschutz. Bayern verfolgt insgesamt eine Doppelstrategie in dieser Frage, nämlich einen aktiven Klimaschutz, den brauchen wir weltweit, ob Bayern, Deutschland, Europa oder USA, China, andere. Alle müssen den Kohlendioxyd-Ausstoß reduzieren, denn ansonsten werden wir immer häufiger in diese Situation kommen, dass die Luft sich immer weiter anreichert, immer feuchter wird, und immer häufiger diese Starkregen-Ereignisse herunterkommen. Also, die Doppelstrategie heißt: Aktiver Klimaschutz auf der einen Seite, und zwar global, und auf der anderen Seite, eine konsequente Anpassungsstrategie an diese drohenden häufigeren Niederschlagswetterlagen, also das "Wetter-Extrem" wird immer mehr zum Normalfall werden. Und deshalb haben wir mit Baden-Württemberg ein fünfjähriges Projekt durchgeführt, das nannte sich KLIWA - Klima und Wasser - und als Ergebnis schlagen wir auf unsere neuen Hochwasserschutz-Planungen einen Klimaschutz-Faktor drauf, von im Schnitt 15 Prozent. Das heißt wir dimensionieren unsere neuen Hochwasserschutz-Einrichtungen um 15 Prozent größer, um die durch die Klima-Erwärmung erwarteten stärkeren Niederschlagsmengen auch sicher auffangen zu können.

    Müller: Herr Schlappauf, es hat in den vergangenen Tagen ja immer wieder Hinweise, Berichte darüber gegeben, dass dieses Hochwasserschutz-Programm, von dem Sie eben auch gesprochen haben, in den vergangenen Jahren nach 1999 oft in den betroffen Gemeinden auf Widerstand gestoßen ist, weil man sich dort gegenseitig - parteipolitisch wie auch immer motiviert - blockiert hat, haben Sie auch diese Erfahrung machen können?

    Schnappauf: Es ist an vielen Stellen in der Tat so, dass allein eine gute staatliche Planung nicht reicht, um eine gute Hochwasserschutz-Wirkung zu erzielen. Denn ich muss das Projekt ja vor Ort in die Lebenswirklichkeit umsetzen, das heißt ich brauche ein kommunales Einvernehmen, ich brauche einen Gemeinderatsbeschluss und ich brauche vor allen Dingen Grundstücke, um einen Deich zu bauen, oder um einen Polder zu verwirklichen, oder um eine natürliche Rezessionsfläche zu schaffen. Immer brauche ich private Grundstücke. Und hier haben wir in der Tat massiven Widerstand vor Ort zu überwinden. Ich darf Ihnen ein ganz konkretes Beispiel sagen, wir hatten ja vor vier Wochen schon ein Hochwasser und zwar im Berchtesgadener Raum. Dort ist die Hochwasserschutz-Planung fertig, wir brauchen aber 30 private Grundstücke, um eine sozusagen Ortsumleitung für das Hochwassergerinne zu schaffen, wir haben aber nur 15 Grundstücke bekommen, und wenn wir nicht alle Grundstücke haben, dann bedeutet es ein weiteres, staatliches Enteignungsverfahren durchzuführen, was wiederum Jahre in Anspruch nimmt, bis ich dann eine Besitzeinweisung durchführen kann. Nachdem Hochwasser haben dann weitere zwölf Grundstückseigentümer spontan gesagt: Na, jetzt ist doch der Druck so groß, jetzt geben wir die Grundstücke. Also, insofern mein Appell auch an alle Beteiligten, dass hier wirklich eine Solidaritätsaktion stattfindet, damit wir dann auch die Planungen, und die sind wirklich auf einem außerordentlich fortschrittlichen Niveau, indem wir das alles miteinander verzahnen. Das gab es noch nie. Und gibt es auch ansonsten in Europa nicht überall, dass man ein solch anspruchsvolles Konzept hat. Aber dann müssen wir es auch umsetzen können indem wir die Zustimmung von vor Ort erfahren.

    Müller: Der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf, CSU, war das. Vielen Dank!

    Schnappauf: Bitte sehr!