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Schnellerer Schutz für die Atmosphäre

Umwelt. - Die Erwärmung des Klimas und der Anstieg des Kohlendioxids haben ein anderes drängendes Thema in den Hintergrund gedrückt: die angegriffene Ozonhülle der Erde. Weil in Schwellenländern die Nachfrage nach kritischen Chemikalien steigt, drängen die Vertragsstaaten der Montrealer Konferenz auf einen schnellen Abschied von FCKW-Ersatzstoffen.

Von Volker Mrasek |
    "Es gibt noch immer viel zu tun. Packen wir es an, und zwar lieber schneller als geplant!"

    Nach diesem Motto wollen die Vertragsstaaten des Montreal-Protokolls jetzt den Abschied von weiteren Industriegasen beschleunigen. Dabei geht es nicht mehr um Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die bekanntesten Ozon-Killer: Sie sind heute weitgehend verboten. Statt der FCKW geraten ihre Ersatzstoffe immer stärker in den Blickpunkt, vor allem so genannte H-FCKW. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Abkürzungen ziemlich ähnlich klingen. Der Ozon-Experte Geir Braathen von der Welt-Meteorologieorganisation WMO in Genf:

    "Ein Beispiel für eine Substanz, die uns Sorgen macht, ist H-FCKW 22. Sie wird in Klimaanlagen verwendet. Messungen zeigen uns, dass die Konzentration dieses Stoffes in der Atmosphäre ziemlich rasch ansteigt. Er ist zwar nicht so stark chloriert und daher auch nicht so gefährlich für die Ozonschicht wie ein reines FCKW. Aber ein gewisses Potential, Ozon zu zerstören, hat auch dieser Ersatzstoff. Wenn er weiter so zunimmt, kann er auf jeden Fall zu einer neuen Bedrohung für die Ozonschicht werden."

    Der norwegische Atmosphärenchemiker hat die Verhandlungen in Montreal mitverfolgt. Seine Organisation, die WMO, versorgte die Delegierten dabei mit wichtigen Hintergrund-Daten. Sie stammen aus einem aktuellen wissenschaftlichen Report über die Ozonzerstörung in der Atmosphäre, gemeinsam verfasst von der Welt-Wetterbehörde und dem Ozon-Sekretariat der Vereinten Nationen. Wer den Bericht liest, entdeckt rasch einen weiteren Grund, warum es die Montreal-Protokollstaaten mit dem Ausstieg aus der H-FCKW-Produktion inzwischen eiliger haben:

    "Es gibt viele Gase, die nicht nur Ozon zerstören, sondern auch noch eine Treibhauswirkung besitzen. Das gilt für FCKW und genauso für deren Ersatzstoffe: Sie alle sind zugleich auch Treibhausgase."

    Steigt man schneller aus der Herstellung der H-FCKW aus, hat das folglich einen doppelten Nutzen: Nicht nur die Ozonschicht profitiert, sondern auch das Klima. Hier kann man erneut auf H-FCKW 22 zu sprechen kommen. Bei der Herstellung des Kühlmittels entsteht als Nebenprodukt ein fluorhaltiger Kohlenwasserstoff. Seine Emissionen haben sich in den Jahren von 1990 bis 2000 mehr als verdoppelt - und das, obwohl das Gas ein zigfach höheres Treibhaus-Potential besitzt als etwa ein Molekül Kohlendioxid. Auch das steht in dem erwähnten wissenschaftlichen Report. Der Bericht von Geir Braathen und anderen UN-Experten motivierte die Delegierten auch in anderer Weise. Denn er machte ihnen deutlich: Ein früherer Verzicht auf H-FCKW ist wie Medizin für die Ozonschicht:

    "Wer wollte, konnte in dem Bericht auch Zahlen dazu finden, wie sehr sich die Heilung der Ozonschicht beschleunigt, wenn man dieses oder jenes Schadgas zügiger verbietet."

    Gesetzt den Fall, von heute auf morgen würden keine ozonschädlichen technischen Gase mehr freigesetzt: Dann würde die Ozonschicht 15 Jahre früher in einen Zustand zurückkehren, den man als stabil bezeichnen kann. Das rechnen die Autoren in ihrem Bericht vor. Zugleich bestätigen sie: Die Atmosphäre ließe sich am stärksten vom wichtigsten Ozon-Killer Chlor entgiften, wenn man etwas bei den H-FCKW 22 unternimmt. Was die Verhandlungen in Montreal gleichwohl erschwert hat, ist, dass es Entwicklungsländern nicht leicht fällt, auf Ersatzstoffe der Ersatzstoffe umzustellen. Technologien dafür existieren zwar, sind aber teuer. Es kommt also nun wirklich darauf an, ärmeren Ländern zusätzliche Finanzhilfen zu gewähren, wenn die Welt weitere Erfolge beim Schutz der Ozonschicht erreichen will.