Silvia Engels: Gestern kündigte Bundeskanzlerin Merkel unter dem Eindruck des Geschehens in Japan an, dass sieben deutsche Atomkraftwerke vorübergehend vom Netz genommen werden. Das betrifft Meiler, die vor Ende 1980 in Betrieb genommen wurden. Das war das zentrale Ergebnis eines Gesprächs der CDU-Chefin mit den Ministerpräsidenten, in deren Ländern Kernkraftwerke stehen, und es entspricht einem radikalen Bruch mit der bisherigen schwarz-gelben Atompolitik. Doch nun wachsen Zweifel, ob der Schritt rechtmäßig ist.
Zugeschaltet ist uns der Landes- und Fraktionschef der CDU in Schleswig-Holstein. Das ist ein Bundesland, wo drei Atomkraftwerke stehen. Christian von Boetticher heißt der Landes- und Fraktionschef. Guten Morgen!
Christian von Boetticher: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Wir haben es gerade gehört: Rechtliche Bedenken aus Teilen der Bundestagsfraktion, dass diese zwischenzeitliche Abschaltung überhaupt rechtmäßig ist. Braucht das eine gesetzliche Grundlage?
von Boetticher: Also ich glaube, die Bevölkerung hat im Augenblick relativ wenig Verständnis dafür, wenn wir uns jetzt um Rechtsgrundlagen streiten. Wir brauchen die Betreiber sicherlich am Tisch. Ich glaube nicht, dass es klug wäre von einem Betreiber, jetzt darauf zu bestehen, ein Kernkraftwerk laufen zu haben. Da braucht man eine Verständigung. Dann wird die Rechtsfrage auch in den Hintergrund treten. Richtig ist, dass die Regierung jetzt gehandelt hat, und richtig ist auch, dass wir europaweit – das hat der Kommissar Oettinger deutlich gemacht – eine Überprüfung brauchen, ob wir in Stressszenarien die Stromzufuhr für Kernkraftwerke sicherstellen können, dass ein ähnliches Szenario wie in Japan in Europa nicht geschieht.
Engels: Bleiben wir noch mal bei der Rechtsfrage. Sie sagen, die könne jetzt auch mal in den Hintergrund rücken. Aber Sie müssen doch auf Basis von Recht und Gesetz entscheiden, sonst machen Sie sich doch abhängig von dem Wohlwollen der AKW-Betreiber.
von Boetticher: Das Interessante ist ja, dass die Grünen immer aufgefordert haben, möglichst schnell abzuschalten. Ich selber war für das Kraftwerk Krümmel ein halbes Jahr verantwortlicher Minister; die Grünen haben immer gesagt, ich soll durchsetzen, dass ich abschalte. Natürlich geht das nicht, in der Tat, weil wir an Recht und Gesetz gebunden sind. Dass jetzt diejenigen, die mich in all den Jahren aufgefordert haben, schnell zu handeln, auch gegen Recht und Gesetz, sich als Wahrer des Rechts aufspielen, das ist schon eine sehr interessante Situation. Ich glaube in der Tat, wir brauchen die Kraftwerksbetreiber am Tisch.
Engels: Aber noch mal die Frage: Machen Sie sich nicht abhängig ...
von Boetticher: Ich glaube auch, dass der ... - Wieso machen wir uns abhängig? – Nein, im Gegenteil! Ich glaube, es geht hier nicht um Abhängigkeit, sondern es geht hier darum, in einer Sondersituation Lösungen herbeizuführen, und auch die Kraftwerksbetreiber müssen ein Interesse daran haben, dass nach außen dort, wo es gewährleistet ist, dokumentiert wird, dass ihre Kraftwerke auch in Stressszenarien den Leistungsanforderungen standhalten. Daran haben Kraftwerksbetreiber ein Interesse. Darum glaube ich nicht, dass es gegen eine solche Anordnung irgendeine Klage geben wird. Es gibt einen Anordnungsparagrafen, den haben Sie vorhin genannt. Ob der für einen solchen Sonderfall, wie wir ihn jetzt haben, geeignet ist, da werden vielleicht Gerichte entscheiden. Ich hoffe, dass es dazu nicht kommt, weil alle Einsicht genug zeigen, dass wir in einer solchen Zeit wie dieser berechtigten Interessen auch der Bevölkerung, die wissen wollen, wie belastbar unsere Kernkraftwerke sind, dass man dem in Ruhe nachgeht, und darum glaube ich, war das eine richtige Entscheidung.
Engels: Das Handeln für die Bevölkerung in allen Ehren, aber für die Betreiber geht es ja um Millionengeschäfte und möglicherweise jetzt Millionenverluste. Denken Sie nicht, dass diese Betreiber für ihr Stillhalten jetzt irgendwann eine Kompensation fordern?
von Boetticher: Also wir werden in der Tat darüber reden müssen, was langfristig geschieht. Das muss gewährleistet sein. Und ich glaube, dass wir hier einen Übergang brauchen, der vielleicht schneller ist als derjenige, den wir bisher verabredet haben. Schleswig-Holstein stand immer dafür, wir sind ein Land der erneuerbaren Energien. Wir haben drei Kraftwerke, von diesen drei Kraftwerken liegen derzeit zwei still. Das weitere Schicksal ist wie gesagt im Augenblick unklar, zumal auch bisher kein Antrag auf Wiederanfahren gestellt worden ist. Also bei uns in Schleswig-Holstein ergibt sich diese Situation schon deshalb nicht, weil die beiden Reaktoren bisher gar nicht gelaufen sind. Also insofern rate ich hier zu ein wenig mehr Nüchternheit, überhaupt in der Gesamtdebatte zu ein wenig weniger Bauchgefühl. Ich glaube, eine solche Debatte aus einer Angst heraus ist nie gut. Wir brauchen eine seriöse Überprüfung unserer Kraftwerksstrukturen. Wir müssen schneller kommen zu regenerativen Energien, da haben wir auch in Schleswig-Holstein was von, auch die Menschen haben was davon, und wenn wir darüber in Ruhe jetzt mit der Kanzlerin reden können, dann ist das eine gute Entwicklung.
Engels: Aber eine mittelfristige finanzielle Kompensation für die Ausfälle der AKW-Betreiber durch den Staat schließen Sie auch nicht aus?
von Boetticher: Nein, das will ich nicht ausschließen. Wenn das der vernünftige Weg am Ende ist, wo wir Bevölkerung mitnehmen, wo wir selber in die neue Zeit von erneuerbaren Energien gehen, dann kann auch das eine vernünftige Reaktion sein. Ich glaube, wir brauchen dort eine gesamtstaatliche Betrachtung, wir brauchen vor allen Dingen am Ende eine Überzeugung, dass diese Brücke, die wir noch brauchen, und die Kernkraft, die wir noch für eine Übergangszeit brauchen, dass die auch sicher ist, dass die Kraftwerke belastbar sind. wenn das der Fall bei allen Kraftwerken sein sollte, dann ist auch das ein Ergebnis. Ob das am Ende herauskommt, das wird sich zeigen. Wir brauchen diese Zeit für die Überprüfung, die ist jetzt da, und auch die Betreiber sollten ein großes Interesse daran haben, dass dieser Nachweis erbracht werden muss und hoffentlich auch erbracht werden kann.
Engels: Herr von Boetticher, dann schauen wir auf die Lage in Schleswig-Holstein. Sie haben es angesprochen: Drei Atomkraftwerke stehen in Ihrem Bundesland. Das sind Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel. Zwei davon sind derzeit ohnehin ausgeschaltet wegen früherer Störungen. Brokdorf ist ein neueres AKW und derzeit von dem Moratorium nicht betroffen. Aber dann schauen wir mal speziell auf Krümmel. Das ist eigentlich ein neueres AKW. Wenn es also jetzt nicht stillgelegt wäre, dann wäre es von dem Moratorium nicht betroffen. Heißt das nicht auch, dass dieses Moratorium, alte AKW stillzulegen, eigentlich willkürlich ist, denn auch neuere AKW können Probleme machen?
von Boetticher: Ja, in der Tat: Das wird sich zeigen, ob die alten immer die Schlechten sind und die neuen immer die Guten. Ich rate ohnehin, ein wenig mehr die langfristige Perspektive zu sehen. Schleswig-Holstein, die Union hier im Norden hat immer gesagt, wir wollen den Weg in die regenerativen Energien gehen, weil wir weg wollen von den fossilen Stoffen Öl, Kohle und auch Uran. Wenn wir eine Chance haben, uns nachhaltig, uns regenerativ zu versorgen, dann ist das der Weg dahin. Ich habe nie auch als zuständiger Fachminister Panik geschoben, was die Sicherheit angeht. Wir haben selbst in Krümmel, wo wir mit dem Betreiber große Probleme gehabt haben aufgrund von Informationspannen, aufgrund eines externen Transistorbrandes, nie einen Störfall gehabt nach der europäischen Störfallverordnung. Da müssen wir immer mal genau hingucken. Das was wir in Deutschland als Störfall betrachten, ist häufig international gesehen gerade mal ein meldepflichtiges Ereignis, weit unterhalb der Störfallskala. Insofern ein bisschen mehr Ruhe und Sachlichkeit in die Debatte, aber auch Ernsthaftigkeit und der klare Wille, schnellstmöglich aus der Kernenergie, auch gerne aus der Kohleenergie auszusteigen, aber dann muss es einen vernünftigen Plan geben zum Ausbau der erneuerbaren Energien, und das wird uns mit Sicherheit noch 15 bis 20 Jahre kosten.
Engels: Sie mahnen zu Ruhe und Gelassenheit, aber der dramatische Kurswechsel kam ja nun gerade aus Reihen der CDU, gefolgt von der FDP. Wie wollen Sie da den Menschen begreiflich machen, dass plötzlich der jahrzehntelange Satz Ihrer Partei, "Atomkraftwerke sind sicher", nicht mehr so recht zu Ihrer praktischen Politik passt?
von Boetticher: Also wir haben – vielleicht muss man das in Erinnerung rufen – schon im Jahre 2008 mit dem Kollegen Andreas Jung aus Baden-Württemberg auf dem Bundesparteitag einen sensationellen Durchbruch gehabt, weil nämlich die Union zum ersten Mal klar sich dazu bekannt hat, dass auch für sie Kernkraft nur Übergangstechnologie ist. Und seitdem geht es nicht mehr darum, ob wir dauerhaft die Kernkraft haben, sondern nur, wie lange wir sie noch brauchen, um diesen Übergang zu gestalten. Das war ein großer Erfolg. Und genau um diese Frage geht es jetzt: Wie lange noch und mit welchen Meilern schaffen wir dann diesen Übergang? Und dann muss klar sein, dass alle die Meiler, die wir für diesen Übergang brauchen, auch das absolute Maß an Sicherheit gewährleisten.
Engels: Das heißt, Brunsbüttel und Krümmel werden Ihrer Einschätzung nach nie wieder ans Netz gehen?
von Boetticher: Das hängt von der Überprüfung ab. Wir haben jetzt gesagt, weil wir mit Vattenfall als Betreiber in Krümmel große Probleme gehabt haben – da ging es um die Glaubwürdigkeit, da ging es um Kommunikationskonzepte – und weil Brunsbüttel in der Tat einer der älteren Meiler ist, haben wir uns entschlossen, jetzt noch einmal an Vattenfall und mit Vattenfall auch einzutreten in die Verhandlungen, damit Vattenfall auf die Wiederanfahrgenehmigung verzichtet. Es geht nach Recht und Gesetz, da haben Sie recht. das heißt, wenn ein Antrag vorliegt, dann muss der im Augenblick abgearbeitet werden. Da kann man nicht politisch sagen, wollen wir oder wollen wir nicht, sondern das muss man mit dem Betreiber vereinbaren. Ich glaube aber auch, wenn das Stressszenario ergibt, dass diese Meiler eben nicht die Sicherheitsanforderungen haben, weil es vielleicht Siedewasser-Reaktoren sind, dann kommt man am Ende zu einem anderen Ergebnis. Aber da braucht man die Betreiber mit im Boot und hier ist es wichtig, dass man das sehr transparent gestaltet, damit die Öffentlichkeit eben ganz klar erkennt, wenn es Mängel gibt, wo sind die, warum schaltet man das eine ab und warum schaltet man das andere vielleicht nicht ab.
Engels: Wir sprachen mit dem Landes- und Fraktionschef der CDU in Schleswig-Holstein - das ist ein Bundesland, wo drei Atomkraftwerke stehen -, wir sprachen mit Christian von Boetticher. Vielen Dank für das Gespräch heute Früh.
von Boetticher: Herzlichen Dank, Frau Engels.
Anderer Meinung ist SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz:
<li_1412663 "wenn="" man="" aussteigt,="" muss="" das="" richtig="" und="" korrekt="" machen"="" -="" spd-politiker="" wiefelspütz:="" atom-moratorium="" durch="" parlament="" (dlf)<="" li_1412663=""></li_1412663>
Zugeschaltet ist uns der Landes- und Fraktionschef der CDU in Schleswig-Holstein. Das ist ein Bundesland, wo drei Atomkraftwerke stehen. Christian von Boetticher heißt der Landes- und Fraktionschef. Guten Morgen!
Christian von Boetticher: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Wir haben es gerade gehört: Rechtliche Bedenken aus Teilen der Bundestagsfraktion, dass diese zwischenzeitliche Abschaltung überhaupt rechtmäßig ist. Braucht das eine gesetzliche Grundlage?
von Boetticher: Also ich glaube, die Bevölkerung hat im Augenblick relativ wenig Verständnis dafür, wenn wir uns jetzt um Rechtsgrundlagen streiten. Wir brauchen die Betreiber sicherlich am Tisch. Ich glaube nicht, dass es klug wäre von einem Betreiber, jetzt darauf zu bestehen, ein Kernkraftwerk laufen zu haben. Da braucht man eine Verständigung. Dann wird die Rechtsfrage auch in den Hintergrund treten. Richtig ist, dass die Regierung jetzt gehandelt hat, und richtig ist auch, dass wir europaweit – das hat der Kommissar Oettinger deutlich gemacht – eine Überprüfung brauchen, ob wir in Stressszenarien die Stromzufuhr für Kernkraftwerke sicherstellen können, dass ein ähnliches Szenario wie in Japan in Europa nicht geschieht.
Engels: Bleiben wir noch mal bei der Rechtsfrage. Sie sagen, die könne jetzt auch mal in den Hintergrund rücken. Aber Sie müssen doch auf Basis von Recht und Gesetz entscheiden, sonst machen Sie sich doch abhängig von dem Wohlwollen der AKW-Betreiber.
von Boetticher: Das Interessante ist ja, dass die Grünen immer aufgefordert haben, möglichst schnell abzuschalten. Ich selber war für das Kraftwerk Krümmel ein halbes Jahr verantwortlicher Minister; die Grünen haben immer gesagt, ich soll durchsetzen, dass ich abschalte. Natürlich geht das nicht, in der Tat, weil wir an Recht und Gesetz gebunden sind. Dass jetzt diejenigen, die mich in all den Jahren aufgefordert haben, schnell zu handeln, auch gegen Recht und Gesetz, sich als Wahrer des Rechts aufspielen, das ist schon eine sehr interessante Situation. Ich glaube in der Tat, wir brauchen die Kraftwerksbetreiber am Tisch.
Engels: Aber noch mal die Frage: Machen Sie sich nicht abhängig ...
von Boetticher: Ich glaube auch, dass der ... - Wieso machen wir uns abhängig? – Nein, im Gegenteil! Ich glaube, es geht hier nicht um Abhängigkeit, sondern es geht hier darum, in einer Sondersituation Lösungen herbeizuführen, und auch die Kraftwerksbetreiber müssen ein Interesse daran haben, dass nach außen dort, wo es gewährleistet ist, dokumentiert wird, dass ihre Kraftwerke auch in Stressszenarien den Leistungsanforderungen standhalten. Daran haben Kraftwerksbetreiber ein Interesse. Darum glaube ich nicht, dass es gegen eine solche Anordnung irgendeine Klage geben wird. Es gibt einen Anordnungsparagrafen, den haben Sie vorhin genannt. Ob der für einen solchen Sonderfall, wie wir ihn jetzt haben, geeignet ist, da werden vielleicht Gerichte entscheiden. Ich hoffe, dass es dazu nicht kommt, weil alle Einsicht genug zeigen, dass wir in einer solchen Zeit wie dieser berechtigten Interessen auch der Bevölkerung, die wissen wollen, wie belastbar unsere Kernkraftwerke sind, dass man dem in Ruhe nachgeht, und darum glaube ich, war das eine richtige Entscheidung.
Engels: Das Handeln für die Bevölkerung in allen Ehren, aber für die Betreiber geht es ja um Millionengeschäfte und möglicherweise jetzt Millionenverluste. Denken Sie nicht, dass diese Betreiber für ihr Stillhalten jetzt irgendwann eine Kompensation fordern?
von Boetticher: Also wir werden in der Tat darüber reden müssen, was langfristig geschieht. Das muss gewährleistet sein. Und ich glaube, dass wir hier einen Übergang brauchen, der vielleicht schneller ist als derjenige, den wir bisher verabredet haben. Schleswig-Holstein stand immer dafür, wir sind ein Land der erneuerbaren Energien. Wir haben drei Kraftwerke, von diesen drei Kraftwerken liegen derzeit zwei still. Das weitere Schicksal ist wie gesagt im Augenblick unklar, zumal auch bisher kein Antrag auf Wiederanfahren gestellt worden ist. Also bei uns in Schleswig-Holstein ergibt sich diese Situation schon deshalb nicht, weil die beiden Reaktoren bisher gar nicht gelaufen sind. Also insofern rate ich hier zu ein wenig mehr Nüchternheit, überhaupt in der Gesamtdebatte zu ein wenig weniger Bauchgefühl. Ich glaube, eine solche Debatte aus einer Angst heraus ist nie gut. Wir brauchen eine seriöse Überprüfung unserer Kraftwerksstrukturen. Wir müssen schneller kommen zu regenerativen Energien, da haben wir auch in Schleswig-Holstein was von, auch die Menschen haben was davon, und wenn wir darüber in Ruhe jetzt mit der Kanzlerin reden können, dann ist das eine gute Entwicklung.
Engels: Aber eine mittelfristige finanzielle Kompensation für die Ausfälle der AKW-Betreiber durch den Staat schließen Sie auch nicht aus?
von Boetticher: Nein, das will ich nicht ausschließen. Wenn das der vernünftige Weg am Ende ist, wo wir Bevölkerung mitnehmen, wo wir selber in die neue Zeit von erneuerbaren Energien gehen, dann kann auch das eine vernünftige Reaktion sein. Ich glaube, wir brauchen dort eine gesamtstaatliche Betrachtung, wir brauchen vor allen Dingen am Ende eine Überzeugung, dass diese Brücke, die wir noch brauchen, und die Kernkraft, die wir noch für eine Übergangszeit brauchen, dass die auch sicher ist, dass die Kraftwerke belastbar sind. wenn das der Fall bei allen Kraftwerken sein sollte, dann ist auch das ein Ergebnis. Ob das am Ende herauskommt, das wird sich zeigen. Wir brauchen diese Zeit für die Überprüfung, die ist jetzt da, und auch die Betreiber sollten ein großes Interesse daran haben, dass dieser Nachweis erbracht werden muss und hoffentlich auch erbracht werden kann.
Engels: Herr von Boetticher, dann schauen wir auf die Lage in Schleswig-Holstein. Sie haben es angesprochen: Drei Atomkraftwerke stehen in Ihrem Bundesland. Das sind Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel. Zwei davon sind derzeit ohnehin ausgeschaltet wegen früherer Störungen. Brokdorf ist ein neueres AKW und derzeit von dem Moratorium nicht betroffen. Aber dann schauen wir mal speziell auf Krümmel. Das ist eigentlich ein neueres AKW. Wenn es also jetzt nicht stillgelegt wäre, dann wäre es von dem Moratorium nicht betroffen. Heißt das nicht auch, dass dieses Moratorium, alte AKW stillzulegen, eigentlich willkürlich ist, denn auch neuere AKW können Probleme machen?
von Boetticher: Ja, in der Tat: Das wird sich zeigen, ob die alten immer die Schlechten sind und die neuen immer die Guten. Ich rate ohnehin, ein wenig mehr die langfristige Perspektive zu sehen. Schleswig-Holstein, die Union hier im Norden hat immer gesagt, wir wollen den Weg in die regenerativen Energien gehen, weil wir weg wollen von den fossilen Stoffen Öl, Kohle und auch Uran. Wenn wir eine Chance haben, uns nachhaltig, uns regenerativ zu versorgen, dann ist das der Weg dahin. Ich habe nie auch als zuständiger Fachminister Panik geschoben, was die Sicherheit angeht. Wir haben selbst in Krümmel, wo wir mit dem Betreiber große Probleme gehabt haben aufgrund von Informationspannen, aufgrund eines externen Transistorbrandes, nie einen Störfall gehabt nach der europäischen Störfallverordnung. Da müssen wir immer mal genau hingucken. Das was wir in Deutschland als Störfall betrachten, ist häufig international gesehen gerade mal ein meldepflichtiges Ereignis, weit unterhalb der Störfallskala. Insofern ein bisschen mehr Ruhe und Sachlichkeit in die Debatte, aber auch Ernsthaftigkeit und der klare Wille, schnellstmöglich aus der Kernenergie, auch gerne aus der Kohleenergie auszusteigen, aber dann muss es einen vernünftigen Plan geben zum Ausbau der erneuerbaren Energien, und das wird uns mit Sicherheit noch 15 bis 20 Jahre kosten.
Engels: Sie mahnen zu Ruhe und Gelassenheit, aber der dramatische Kurswechsel kam ja nun gerade aus Reihen der CDU, gefolgt von der FDP. Wie wollen Sie da den Menschen begreiflich machen, dass plötzlich der jahrzehntelange Satz Ihrer Partei, "Atomkraftwerke sind sicher", nicht mehr so recht zu Ihrer praktischen Politik passt?
von Boetticher: Also wir haben – vielleicht muss man das in Erinnerung rufen – schon im Jahre 2008 mit dem Kollegen Andreas Jung aus Baden-Württemberg auf dem Bundesparteitag einen sensationellen Durchbruch gehabt, weil nämlich die Union zum ersten Mal klar sich dazu bekannt hat, dass auch für sie Kernkraft nur Übergangstechnologie ist. Und seitdem geht es nicht mehr darum, ob wir dauerhaft die Kernkraft haben, sondern nur, wie lange wir sie noch brauchen, um diesen Übergang zu gestalten. Das war ein großer Erfolg. Und genau um diese Frage geht es jetzt: Wie lange noch und mit welchen Meilern schaffen wir dann diesen Übergang? Und dann muss klar sein, dass alle die Meiler, die wir für diesen Übergang brauchen, auch das absolute Maß an Sicherheit gewährleisten.
Engels: Das heißt, Brunsbüttel und Krümmel werden Ihrer Einschätzung nach nie wieder ans Netz gehen?
von Boetticher: Das hängt von der Überprüfung ab. Wir haben jetzt gesagt, weil wir mit Vattenfall als Betreiber in Krümmel große Probleme gehabt haben – da ging es um die Glaubwürdigkeit, da ging es um Kommunikationskonzepte – und weil Brunsbüttel in der Tat einer der älteren Meiler ist, haben wir uns entschlossen, jetzt noch einmal an Vattenfall und mit Vattenfall auch einzutreten in die Verhandlungen, damit Vattenfall auf die Wiederanfahrgenehmigung verzichtet. Es geht nach Recht und Gesetz, da haben Sie recht. das heißt, wenn ein Antrag vorliegt, dann muss der im Augenblick abgearbeitet werden. Da kann man nicht politisch sagen, wollen wir oder wollen wir nicht, sondern das muss man mit dem Betreiber vereinbaren. Ich glaube aber auch, wenn das Stressszenario ergibt, dass diese Meiler eben nicht die Sicherheitsanforderungen haben, weil es vielleicht Siedewasser-Reaktoren sind, dann kommt man am Ende zu einem anderen Ergebnis. Aber da braucht man die Betreiber mit im Boot und hier ist es wichtig, dass man das sehr transparent gestaltet, damit die Öffentlichkeit eben ganz klar erkennt, wenn es Mängel gibt, wo sind die, warum schaltet man das eine ab und warum schaltet man das andere vielleicht nicht ab.
Engels: Wir sprachen mit dem Landes- und Fraktionschef der CDU in Schleswig-Holstein - das ist ein Bundesland, wo drei Atomkraftwerke stehen -, wir sprachen mit Christian von Boetticher. Vielen Dank für das Gespräch heute Früh.
von Boetticher: Herzlichen Dank, Frau Engels.
Anderer Meinung ist SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz:
<li_1412663 "wenn="" man="" aussteigt,="" muss="" das="" richtig="" und="" korrekt="" machen"="" -="" spd-politiker="" wiefelspütz:="" atom-moratorium="" durch="" parlament="" (dlf)<="" li_1412663=""></li_1412663>