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Schönheit in Zeiten der Finanzkrise

Anlässlich der Eröffnung der Verkaufsmesse "Art Forum Berlin" hat Deutschlandfunk-Redakteur Stefan Koldehoff bezweifelt, dass alle roten Punkte an den Kunstwerken auch tatsächlich einen Verkauf bedeuteten. Es sei schwierig das zu überprüfen. Gleichwohl strahle der Kunsthandel in Zeiten der Finanzkrise "viel Optimismus" aus, so Koldehoff.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Kersten Knipp |
    Kersten Knipp: Zuvor aber beschäftigen wir uns mit dem "Art Forum Berlin", das in diesen Minuten eröffnet wird. Auch auf dem Kunstmarkt debattiert man derzeit ja über die Auswirkungen des Finanzcrashs. Frage darum an meinen Kollegen Stefan Koldehoff, ist der auch in Berlin ein Thema?

    Stefan Koldehoff: An den Auktionen, die vor zwei Wochen stattgefunden haben in New York kann natürlich keiner vorbei. Da sind bis zu 50 Prozent der Werke liegen geblieben, die Sotheby's, Christie's und Philipps angeboten werden. Wenn aber hier auf der Messe mit Galeristen spricht, dann scheint das so gar nicht stattgefunden zu haben. Die erzählen einem nämlich alle überwiegend mit strahlendem Gesicht, nein, man merke überhaupt nichts, nein, die Nachfrage nach guter Kunst sei ungebrochen. Man würde auch prima verkaufen. Es prangen auch eine ganze Reihe roter Punkte schon an Bildern in den Kojen, unter anderem ist bereits ein Bild von Neo Rauch verkauft worden, während der sogenannten Vernissage, dem Preview für geladene Gäste, für immerhin 500.000 Euro. Ob das nun alles so stimmt, ob jeder rote Punkt auch tatsächlich schon ein Verkauf ist, da kann natürlich niemand so richtig hinter die Kulissen gucken. Aber jedenfalls nach außen getragen, scheint viel Optimismus nach wie vor da zu sein.

    Knipp: Das ist ja ungefähr auch das Thema, das Hans-Jürgen Haffner aufnimmt in seinem Titel "Difference, what difference". Das ist der Vortrag, den er halten wird. Darin geht es um die Frage nach der Stellung von Kunstwerken zwischen Kunstmarkt und Ausstellung. Wie positioniert sich das Kunstwerk denn in diesem Verhältnis?

    Koldehoff: Er hat hier auf der Messe auch eine kleine Sondershow dazu kuratiert und versucht, in der Architektur dieser Sondershow merkantile Aspekte der Kunst hervorzuheben, Kunst wird regelrecht präsentiert und angepriesen. Das ist natürlich nicht wirklich ein neues Thema, und das ist eigentlich auf einer Kunstmesse auch ein wenig originelles Thema. Machen wir uns nichts vor, auf Kunstmessen werden keine Trends gesetzt, da wird nicht tatsächlich geguckt, was gibt es wirklich Neues, da stellen die Galeristen für die relativ hohe Standmiete, die sie bezahlen müssen, das aus, wovon sie erwarten, dass sie es auch verkaufen können. Mich hat das ehrlich gesagt nicht so wirklich vom Stuhl gehauen. Auf der anderen Seite natürlich keine schlechte Überlegung für eine Kunstmesse auch die eigene Existenz mal kritisch zu reflektieren. Es ist übrigens ja die letzte Messe die Sabrina van der Leyen kuratiert, die scheidende Messechefin. Im nächsten Jahr werden andere übernehmen, unter anderem der ehemalige Pressechef der Art Basel. Insofern ist schon zu erwarten, dass natürlich das Verkaufen, Verkaufen, Verkaufen weiterhin im Vordergrund stehen wird.

    Knipp: Es gibt überhaupt eine ganze Reihe von Veranstaltungen derzeit. Dazu gehört ja sicher auch die provisorische Kunsthalle, die gestern eröffnet worden ist. Kann man da von einer konzertierten Aktion reden, kann man es sich vorstellen, dass vielleicht da etwas ganz Großes in Gang gebracht werden soll, um das Publikum erneut und mit neuer Vehemenz zu begeistern für die Kunst oder ist das zu weit gedacht?

    Koldehoff: Es ist schon einiges los, vor allen Dingen im Bereich der Gegenwartskunst. Es kommt ja noch dazu, dass am Freitagabend Peter-Klaus Schuster, der langjährige Generaldirektor der Berliner Museen verabschiedet wird, dem man immer wieder vorgeworfen hat, er würde sich für die Kunst der Gegenwart überhaupt nicht interessieren, sie würde deswegen in den Berliner Museen auch gar nicht stattfinden. Das hatte in den letzten Jahren dazu geführt, dass immer private Sammlermuseen hier in Berlin eröffnet haben, unter anderem die Sammlung "Boros". Und das führt natürlich auch dazu, dass es jetzt, diese private Initiative, einer, wie immer betont wird, Temporären Kunsthalle auf dem Schlossplatz stattgefunden hat. Das muss man schon alles zusammen sehen. Es sind zwar unterschiedliche Initiativen, unterschiedliche Initiatoren vor allen Dingen auch, aber man spürt in diesen Tagen, in dieser Stadt schon sehr stark den Willen von der Stadt der klassischen Moderne und der alten Meister auch wieder zur Stadt der Gegenwart zu werden.

    Knipp: Diese Gegenwartskunst vertritt ja in diesen Tagen ein Name, der viel von sich hat reden gemacht, Marco Evaristti, der mit seinem Rolex Gate, einem in Gold gegossenen Tor des Konzentrationslagers Auschwitz von sich reden gemacht hat.

    Koldehoff: Ich hab das Gefühl, dass es überhaupt nicht richtig wahr genommen wird. Das ist eine relativ kleine Installation aus Gold, lassen Sie es mal 70, 80 cm breit sein. Das Bahntor, das Eingangsgebäude zum Konzentrationslager Auschwitz ganz aus Gold gearbeitet, ein kleiner mit Brillianten besetzter Zug sitzt davor und Totenköpfe schauen aus den Fenstern und oben ist statt einer richtigen Uhr tatsächlich eine Rolex. Ich vermag ehrlich gesagt weder einen kritischen Aspekt zu erkennen, noch tatsächlich den moralischen Zeigefinger. Es ist auch dadurch, dass eigentlich nur eins zu eins abgebildet wird, und das einzig Originelle an diesem, übrigens auch handwerklich ganz schlecht gearbeiteten Stück, das Material Gold ist. Es ist nicht wirklich zu erkennen, dass der Künstler damit irgendeine Absicht oder irgendeinen, und das sollte man ja bei guter Kunst voraussetzen, neuen Blick auf die Realität vermitteln wollte.

    Knipp: Stefan Koldehoff über das heute beginnende Art Forum Berlin.