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Schostok: Wulff hat sich selber um Sponsoren bemüht

Stefan Schostok, SPD-Fraktionschef in Niedersachsen, wirft Bundespräsident Christian Wulff vor, sich als Ministerpräsident persönlich um Sponsoren für die Veranstaltung "Nord-Süd-Dialog" bemüht zu haben. Größere Unternehmen hätten dies bestätigt. Einen Rücktritt Wulffs fordert Schostock explizit nicht.

Das Gespräch führte Bettina Klein |
    Bettina Klein: Bereits am Wochenende wurde es gemeldet: Die SPD in Niedersachsen will den Fall vor den Staatsgerichtshof des Landes bringen. Es geht um die Frage, wie die Veranstaltung "Nord-Süd-Dialog" seinerzeit, in Zeiten des Ministerpräsidenten Wulff, finanziert wurde. Die Aussage der Landesregierung war, es gab keine Staatsmittel. Doch nach neuesten Informationen sind doch einige Tausend Euro geflossen. – Wir wollen darüber sprechen mit dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Landtag von Hannover, Stefan Schostok. Guten Morgen!

    Stefan Schostok: Guten Morgen!

    Klein: Herr Schostok, der jetzige Bundespräsident Wulff hat sich dazu gestern bei einer Veranstaltung in Berlin bereits geäußert. Wir hören direkt zu Beginn unseres Gespräches mal zusammen in den kurzen Ausschnitt hinein.

    O-Ton Christian Wulff: "Wir haben im Landtag gesagt, in diese Veranstaltung ist kein Steuergeld geflossen, und das nach bestem Wissen und Gewissen. Sollte jetzt doch Steuergeld hineingeflossen sein, hätten wir dem Parlament gegenüber nicht die Wahrheit gesagt. Das ist ein ernster Vorgang, der zurecht jetzt vermutlich vom Staatsgerichtshof geklärt werden wird."

    Klein: So weit also Christian Wulff gestern. Hat Sie das überrascht, dass der Bundespräsident sich da eigentlich ganz entspannt und aufgeschlossen zeigt?

    Schostok: Mir kam das natürlich gar nicht so entspannt vor. Wenn man weiß, dass wir ja auch nicht ohne Grund vor zwei Jahren diese Anfrage gestellt haben, dann kommt einem das eher normal vor, vielleicht auch eher etwas kleinlaut, weil wir das natürlich vor zwei Jahren schon im Landtag erlebt haben. Wir haben das damals um den "Nord-Süd-Dialog" bewusst zum Thema gemacht und wollten wissen, ob Steuergelder verwendet wurden, oder ob von der Landesregierung Sponsoren geworben wurden für diese PR-Veranstaltung, und hatten, obwohl wir Erkenntnisse hatten und auch die vorgebracht hatten, eine Auskunft bekommen, dass es keine Beteiligung oder Finanzierung bei dieser Veranstaltung gegeben hat, und uns wurde damals die Auskunft gegeben, es sei eine reine Privatveranstaltung gewesen, und das kam uns sehr unglaubwürdig vor.

    Klein: Aber das klingt jetzt eigentlich nicht so, als ob Herr Wulff etwas zu verbergen hätte.

    Schostok: Es ist schon trotzdem merkwürdig, wenn man über viele Wochen viele einzelne öffentliche Hinweise darauf hat und auch viele schon zugegeben haben, dass Sponsoren angesprochen worden sind, und wir auch schon die Bestätigung dafür erhalten haben, dass Herr Wulff selber Sponsoren angesprochen hat und das auch seit Wochen schon durch die Zeitungen geht. Dann ist diese Erklärung also das Mindeste, und das ist, glaube ich, auch das Äußerste, was er machen muss. Was soll er in der Situation denn sagen? Soll er dann weiter daran festhalten und sagen, es gab keinerlei Beteiligung oder es gab überhaupt gar keine Suche nach Sponsoren seitens der Staatskanzlei? Dann hätte er sich noch unglaubwürdiger gemacht.

    Klein: Na ja, er klingt zumindest besorgt und er sagt, dass ihm davon nichts bekannt gewesen sei.

    Schostok: Da schon bekannt ist, dass er selber Sponsoren angesprochen hat, muss ihm das ja bekannt gewesen sein. Er hat ja die entsprechenden Aufträge zur Weiterbearbeitung dann der Sponsorensuche auch an seinen damaligen Staatssekretär und Regierungssprecher gegeben, und von daher wird ihm das bekannt gewesen sein und ich glaube, er ist jetzt eher in größerer Sorge. Ich ging auch schon letzte Woche davon aus, als die Staatsanwaltschaft Hannover die Wohnungen von Herrn Glaeseker und von Herrn Schmidt, diesem Event-Manager, der diese Veranstaltung dann im Auftrag ausgeführt und durchgeführt hat, als die durchsucht wurden und die Akten beschlagnahmt worden sind und Materialien beschlagnahmt worden sind, da ging ich auch davon aus, dass Herr Wulff da schon in größter Sorge war.

    Klein: Sie sagen, Wulff habe selbst Sponsoren angesprochen. Was genau meinen Sie damit?

    Schostok: Ja es gibt entsprechende Belege und auch Eingeständnisse, dass Herr Wulff selber sich um Sponsoren bemüht hat. Die haben ...

    Klein: Eingeständnisse von ihm?

    Schostok: Die sind bestätigt worden von größeren Unternehmen in Niedersachsen, zum Beispiel von der TUI oder auch von der Talanx ist bestätigt worden, dass sie angesprochen worden sind.

    Klein: Sie haben das Stichwort des Mitarbeiters Glaeseker gerade auch noch mal angesprochen. Auch dazu hat sich der Bundespräsident gestern geäußert und wir hören mal seine Meinung.

    O-Ton Christian Wulff: "Auch Herr Glaeseker, der jetzt Beschuldigter ist, hat die Unschuldsvermutung für sich, und so lange gilt er als unschuldig, solange ihm nicht etwas nachgewiesen wird. Ich finde, das ist ein wichtiger Punkt, das ist auch eine zivilisatorische Errungenschaft, die wir da haben, und die wird manchmal ein bisschen vergessen."

    Klein: Herr Schostok, muss man nicht wirklich mal abwarten, was dieser Anfangsverdacht jetzt ergibt bei Herrn Glaeseker, denn die Nachforschungen sind ja noch längst nicht am Ende?

    Schostok: Das ist das, was er zum Ausdruck gebracht hat, und ist natürlich eine Selbstverständlichkeit. Wie gesagt, wir erleben nur jetzt seit sehr langer Zeit, dass wir wissen, dass wir nicht vollständig und auch nicht wahrheitsgemäß unterrichtet worden sind im niedersächsischen Landtag. Das ist eine sehr bedenkliche Angelegenheit, weil es sich hier dann um einen Verstoß gegen die niedersächsische Verfassung handeln würde. Und von daher gehen wir mit diesen Informationen, die wir bekommen haben, natürlich auch sorgfältig um und prüfen auch jeden einzelnen Schritt. Aber natürlich gelten solche Selbstverständlichkeiten, dass das natürlich nicht bewiesen ist. Aber wenn wir jetzt mittlerweile für viele Details auch sagen können, dass sie mittlerweile auch Belege darstellen und das von uns so bewertet wird, und wir daher natürlich dann auch entsprechende rechtsstaatliche Verfahren einleiten, müsste ihm auch bekannt sein, dass uns das natürlich auch bekannt ist.

    Klein: Sie werden jetzt den Staatsgerichtshof anrufen. Wie genau ist das weitere Verfahren dann?

    Schostok: Ja, wir bereiten jetzt unsere Klageschrift vor. Es ist, um es genau zu sagen, so, dass ein Abgeordneter von uns, der ehemalige niedersächsische Innenminister Herr Bartling, sein Recht nutzt. Er hat damals die kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt, hat die entsprechende Antwort bekommen und stellt heute halt fest, dass nicht umfassend und auch nicht wahrheitsgemäß geantwortet worden ist, und lässt das jetzt natürlich vor dem Staatsgerichtshof prüfen. Wir gehen davon aus, dass wir innerhalb der nächsten zwei Wochen das juristisch fertigstellen können und dann beim Staatsgerichtshof einreichen. Das ist ein Recht, das ihm auch nach der Verfassung zusteht, nach Artikel 54.1. Da geht es um Streitigkeiten über Rechte und Pflichten. Insofern kann er als Abgeordneter das ausnutzen, und wir unterstützen das natürlich als Landtagsfraktion.

    Klein: Von welchen Fristen gehen Sie aus? Wann wird der Staatsgerichtshof das dann geklärt haben?

    Schostok: Wenn so ein Verfahren eingeleitet wird, würde ich das jetzt nicht prognostizieren wollen. Das obliegt dann wirklich auch dem Staatsgerichtshof, wie er sich das einteilt und was er selber auch an Bemühungen dann unternimmt. Es gibt einige Vorerfahrungen in Niedersachsen, zwei oder drei Verfahren gab es schon in dieser Hinsicht, wo Abgeordnete dann Auskünfte von der Landesregierung einholen wollten über Anfragen und dann durch den Staatsgerichtshof das haben überprüfen lassen, und da gab es die unterschiedlichsten zeitlichen Räume. Also das kann ein, zwei, drei Monate dauern.

    Klein: Das ist eine notwendige Überprüfung auf Landesebene. Das hat Christian Wulff auch selbst eingeräumt. Aber welche Folgen hat das dann für den Bundespräsidenten jetzt?

    Schostok: Nach unserer Ansicht – und das habe ich auch ausdrücklich immer gesagt – wir prüfen als niedersächsische Landtagsfraktion der SPD -, konzentrieren wir uns nicht darauf, auf das Thema Bundespräsident. Es hat natürlich indirekte Auswirkungen, wenn einem ehemaligen Ministerpräsidenten, Herrn Wulff, bescheinigt wird, dass er mehrfach gegen die niedersächsische Verfassung verstoßen hat. Es gibt ja schon ein Eingeständnis von ihm. Bei dem damaligen Fall der Flugmeilen, Bonusmeilen, nicht bei den Bonusmeilen, sondern bei dem Fall eines Upgrades gab es schon einen Nachweis, und das wäre jetzt dann der zweite Fall. Dann wird er Schwierigkeiten haben, sich im Amt zu halten. Jemand, der als Ministerpräsident sich nicht an die Verfassung, vor allen Dingen hier an die niedersächsische Verfassung hält, der wird die Legitimation für seine jetzige Tätigkeit und die Glaubwürdigkeit auch nicht aufrechterhalten können.

    Klein: Schließen Sie sich also vorbehaltlos Ihrem Grünen-Fraktionskollegen Stefan Wenzel an, der hier im Deutschlandfunk am Samstag Christian Wulff einen Lügner nannte und ganz klar seinen Rücktritt gefordert hat?

    Schostok: Wir fordern ausdrücklich keinen Rücktritt. Es gibt ja auch keinen unmittelbaren juristischen Zusammenhang und keinen zwingenden Grund, dann zurückzutreten. Ich sage das ausdrücklich: Das ist auch eine Frage der politischen Kultur. Wir haben in anderen Zusammenhängen auch Vorwürfe, was Verstöße gegen das Ministergesetz angeht, und man stelle sich nur vor, die wesentlichen Beweise und Belege kommen dafür auf den Tisch und es wird nachgewiesen, dass er als Ministerpräsident gegen Verfassung und gegen Ministergesetz verstoßen hat. Dann ist da schon ein Ausdruck auch für eine Form von politischer Kultur, die er hier etabliert hat. Wir sagen ausdrücklich jetzt keine Rücktrittsforderung, weil das eine andere Angelegenheit ist.

    Klein: Vielen Dank! – Das sagt Stefan Schostok, der SPD-Landespolitiker in Niedersachsen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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