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Schottisches Referendum
Londoner Politiker auf Werbe-Tour

Alarmstimmung unter Großbritanniens Politikern: Jüngsten Umfragen zufolge könnten die Schotten – entgegen bisheriger Erwartungen – doch für ihre Unabhängigkeit stimmen. Allerhöchste Zeit für David Cameron und Co., nach Schottland aufzubrechen, um für die Union zu werben.

Von Jochen Spengler | 10.09.2014
    Rühren die Werbeltrommel für die Unabhängigkeit: die blau-weiße YES-Scotland Bewegung
    Die Unterstützer der schottischen Unabhängigkeit haben in jüngsten Umfragen zugelegt (AFP / Andy Buchanan)
    Noch acht Tage bis zum Referendum über Schottlands Unabhängigkeit und das politische Klima heizt sich weiter auf. In London forderten Abgeordnete, die das Ende Großbritanniens befürchten, die Queen möge doch helfen, die Union zusammenzuhalten. Im Gegensatz dazu deklamierte ein zuversichtlicher Separatistenführer Alex Salmond in Edinburgh:
    "Ich glaube, ihre Majestät die Königin wird stolz sein, Königin der Schotten zu sein, so wie wir stolz sind, sie als Monarchin dieses Landes zu haben."
    Der Buckingham-Palast aber erklärte ungewöhnlich deutlich: "Jede Andeutung, die Queen würde das Ergebnis der gegenwärtigen Referendums-Kampagne beeinflussen wollen, ist grundsätzlich falsch. Ihre Majestät ist der Meinung, dass das eine Sache des schottischen Volkes ist."
    Schottische Flagge in der Downing Street
    Beide Seiten, die Umfragen zufolge Kopf an Kopf liegen, müssen ohne die Unterstützung der Monarchin auskommen. Um noch zu retten, was zu retten ist, haben heute die Vorsitzenden der drei großen Unionisten-Parteien ihre Parlamentstermine abgesagt und sind von London nach Edinburgh gereist. Premierminister David Cameron ließ als Zeichen seiner Verbundenheit die schottische Flagge in der Downing Street hissen und erklärte:
    "Ich sorge mich leidenschaftlich um unser Vereinigtes Königreich und will alles was ich kann versuchen, die Argumente dafür den Menschen nahe zu bringen. Am Ende muss das Schottische Volk entscheiden, aber ich will, dass sie wissen, dass der Rest des United Kingdom möchte, dass es bleibt."
    In einer schottischen Zeitung erinnerte Cameron daran, was man gemeinsam in der Geschichte erreicht habe und erwähnt die Abschaffung der Sklaverei, die Aufklärung, den Sieg über den Faschismus und den Aufbau des Nationalen Gesundheitssystems.
    Auch Ed Miliband, Chef der Labour-Opposition, und der liberale Vizepremier Nick Clegg stoßen ins gleiche Horn wie Cameron:
    "Alle von uns sorgen sich sehr um das Ergebnis des Referendums, da geht's nicht um Parteien, sondern um die Zukunft unseres Landes. "
    "Dies ist eine gewaltige Entscheidung mit Folgen für Generationen. Ich glaube einfach, dass das Vereinigte Königreich eine bemerkenswert erfolgreiche Familie von Nationen ist."
    Am Ende eine kontraproduktive Reise?
    Doch ob die panische Reise-Aktion der Parteichefs nicht viel zu spät ist und überhaupt ankommt oder womöglich sogar kontraproduktiv wirkt an der Basis, ist keineswegs ausgemacht.
    "Ich glaube nicht, dass das hilfreich ist, nein."
    "Ich finde, sie haben genug gesagt und es ist immer dasselbe."
    "Sie sollten schon mehr das Positive der Union herausstreichen, warum es wichtig ist, sie zu behalten. Momentan hören wir sehr viel Gepolter von Alex Salmond."
    Der schottische Regierungschef Alex Salmond geriert sich seit Jahren als Rebell gegen die von ihm so genannte Westminster-Elite, die das arme Schottland bevormunde; er hat die Verdrossenheit seiner Landsleute mit den Unions-Politikern erfolgreich geschürt, auch indem er diese immer wieder persönlich attackiert und verspottet:
    "Das sind fantastische Nachrichten für unsere Unabhängigkeitskampagne. David Cameron ist der unpopulärste Tory-Premierminister in der schottischen Geschichte, Ed Miliband ist der Labour-Anführer, dem die wenigsten in der Geschichte vertrauen – minus 50 der eine, minus 46 der andere. Und sie kommen vereint, um uns zu sagen, was wir tun müssen. Wenn sie mit dem Bus kämen, würde ich ihnen ein Ticket spendieren; das ist ein fantastischer Anschub für die Ja-Kampagne."
    Cameron, Miliband, Clegg reisen aber weder vereint an, noch sind gemeinsame Auftritte geplant. Und wenn sie heute eines vermeiden werden, dann ist es, bevormundend zu wirken.