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Schottlands Labour-Partei
Kampf gegen den Niedergang

Schottlands Labour-Partei war viele Jahrzehnte die beherrschende Kraft im Norden Großbritanniens. Jetzt aber steckt sie tief in einer Identitätskrise, die die Siegeschancen des Labour-Oppositionsführers Ed Miliband für die Unterhauswahl im kommenden Mai empfindlich schwächt.

Von Jochen Spengler | 02.12.2014
    Die Niederlage für die schottische Unabhängigkeitsbewegung im September war ein Sieg für die Unionisten und insbesondere für die Labour-Partei. Nicht nur weil Labour selbst leidenschaftlich für die Einheit Großbritanniens geworben hatte – an vorderster Front und wortgewaltig in Person von Gordon Brown, Schotte, lange Jahre Schatzkanzler unter Tony Blair und dann bis 2010 Premierminister. Vor allem aber wurde die Entscheidung als für Labour wichtig interpretiert, weil die Partei damit scheinbar die Gefahr abgewehrt hatte, in absehbarer Zeit keinen britischen Premierminister mehr stellen zu können.
    Denn im Falle der Unabhängigkeit wären die schottischen Sitze im Parlament von Westminster weggefallen. Die aber benötigt der Labour-Oppositionsführer Ed Miliband, will er Regierungschef Großbritanniens werden. Von den 59 Abgeordneten, die Schottland nach Westminster schickt, gehören sechs zur Schottischen Nationalpartei, aber 41 zu Labour.
    Auch deshalb also war die Erleichterung groß in der Labour Party nach der Unabhängigkeitsschlacht und die Vorsitzende Johann Lamont erklärte:
    "Wir haben eine fantastische Arbeit geleistet über lange Zeit und es war auch ein großer Moment für die Schottische Labour-Partei. Wir haben mit anderen zusammengearbeitet, aber wir haben einen großen Anteil an der Kampagne. Wir sind als Labour-Partei aus ganz Großbritannien zusammengekommen, und wir wurden gestärkt von der Solidarität und der Gemeinschaft in unserer Bewegung."
    Doch davon ist heute, nur zehn Wochen später, nichts mehr übrig. Der Triumpf im September entpuppt sich für Labour als Pyrrhussieg. Auf dem Vormarsch ist der Verlierer des Referendums, die Schottische Nationalpartei. Mit Nicola Sturgeon hat die SNP eine neue Vorsitzende, die den polarisierenden Alex Salmond ablöste - auch als Ministerpräsidentin. Die 44-Jährige ist überaus beliebt, pflegt einen neuen, versöhnlichen Stil, will zwar weiter die Unabhängigkeit, appelliert aber an ihre Parteifreunde:
    "Nicht unseren Willen durchzudrücken und jene zu beschimpfen, die anderer Meinung sind. Sondern zu überzeugen, dass der beste Weg zu einem erfolgreicheren, wohlhabenderen Land und einer gerechteren Gesellschaft darin besteht, eine normale unabhängige Nation zu werden. Das ist unsere Aufgabe."
    Das Ende der ehemaligen Labour-Hochburg
    Nicola Sturgeon rückt die SNP programmatisch weiter nach links. Die Partei hat ihre Mitgliedszahlen in drei Monaten auf 85.000 verdreifacht und neue Umfragen signalisieren inzwischen eine Mehrheit in Schottland für die Unabhängigkeit. Schon bei den letzten Regionalwahlen 2007 und 2011 hat die SNP Labour als stärkste Kraft abgelöst. Jetzt aber glauben Meinungsforscher, dass Labour auch bei den allgemeinen Wahlen im Mai über die Hälfte ihrer schottischen Mandate in Westminster an die SNP verlieren wird.
    Schottland eine Labour-Hochburg? Das war einmal. 13.500 Mitglieder zählt die alte Arbeiterpartei noch nördlich des Hadrianswalls. Die Jahrzehnte lange Vorherrschaft ist vorbei. Mitte Oktober resignierte Schottlands Labour-Vorsitzende Johann Lamont; bitter warf die 59-Jährige den Dinosauriern in der Londoner Parteiführung vor, sie als bloße Filialleiterin behandelt zu haben, und trat zurück. Was Ex-SNP-Chef Alex Salmond süffisant kommentierte.
    "You can't survive in democratic political milieu as a branch office."
    In einem demokratischen Milieu wie in Schottland könne man halt nicht als Filialbüro überleben und das Zusammengehen beim Referendum mit den im Norden unbeliebten Tories werde ohnehin nicht verziehen. Dass Schottlands Labour-Partei inzwischen den siebten Chef in nur 15 Jahren sucht und dass der alte Recke Gordon Brown nicht seinen Hut in den Ring geworfen, sondern gestern sogar erklärt hat, auch nicht mehr für das Unterhaus zu kandidieren – das macht alles nicht gerade leichter.
    Zwischen drei Vorsitzenden-Bewerbern muss sich die Partei entscheiden. Die größten Chancen werden dem Westminster-Abgeordneten Jim Murphy zugetraut, der sich während der Referendums-Kampagne besonders profilierte:
    "Wir haben eine Menge Arbeit vor uns. Ich möchte mich beim schottischen Volk entschuldigen. Zweimal hat es votiert, 2007 und 2011, und wir haben nicht zugehört und es nicht kapiert. Dafür möchte ich mich entschuldigen."
    Am 13. Dezember wird das Ergebnis des komplizierten Abstimmungsverfahrens bekanntgegeben, in dem die Gewerkschaften Sonderstimmrechte haben. Gut möglich, dass deswegen Jim Murphy durchfällt; er gilt als nicht links genug.