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'Schreiber ist die personifizierte Unglaubwürdigkeit'

Engels: Der Waffenhändler und Lobbyist Karl-Heinz Schreiber gilt als Schlüsselfigur im CDU-Spendenskandal, und er ist immer für Überraschungen gut. Das zeigte sich auch gestern bei seiner Befragung durch Mitglieder des Untersuchungsausschusses im kanadischen Toronto. Schreiber gab sich wie gewohnt nebulös und widersprüchlich, erhob aber Anschuldigungen in Richtung CSU. Danach soll auch die Schwesterpartei der CDU Zugriff auf Spendenkonten gehabt haben. Vor knapp zwei Stunden sprachen wir mit dem CDU-Obmann im Spendenuntersuchungsausschuss, Andreas Schmidt, der auch an der Befragung in Kanada teilnimmt. Ihn habe ich zunächst nach seinem Eindruck von Karl-Heinz Schreiber gefragt.

    Schmidt: Mein Eindruck hat sich durch die Vernehmung bestätigt. Herr Schreiber ist eine schillernde Persönlichkeit. Er ist voller Widersprüche. Er ist für mich die personifizierte Unglaubwürdigkeit. Die ganze Art und Weise, wie er sich dem Untersuchungsausschuss dargestellt hat, hat eigentlich diesen Eindruck bei mir bestätigt.

    Engels: Dreh- und Angelpunkt in dieser Frage scheint ja, was die Aussagen in Richtung CSU angeht, die Herr Schreiber gemacht hat, das eingerichtete Konto mit Namen 'Maxwell' zu sein, auf das ja wohl mehrere Millionen Mark geflossen sein sollen. Welches ist denn Ihr letzter Kenntnisstand nach den Aussagen von Herrn Schreiber?

    Schmidt: Mein Eindruck ist, dass er Max Strauß und Herrn Pfahls entlasten will, das sind seine persönlichen Freunde. Und er versucht offensichtlich eine falsche Spur Richtung CSU zu legen, weil eins klar ist: Er ist stinksauer auf die Landesregierung in Bayern, weil sie das Ermittlungsverfahren gegen ihn nicht gestoppt hat. Er hat eine seltsame Auffassung vom Rechtsstaat. Er glaubt einfach, dass die CSU in der Lage wäre, ein Ermittlungsverfahren gegen Schreiber stoppen zu können.

    Engels: Zunächst, so sagen es die Agenturen, habe Schreiber gesagt, die CSU hätte Zugriff auf dieses eben angesprochene Konto gehabt. Später sprach er von einer angeblichen Gruppe 'Port Atlantis'. Hat er sich denn zu der personellen Zusammensetzung dieser Gruppe geäußert?

    Schmidt: Nein, dazu hat er sich nicht geäußert, das ist im Nebulösen geblieben, und das zeigt ja die ganze Unglaubwürdigkeit und die Widersprüche. Zunächst sagt er, die CSU habe fünf Millionen bekommen, dann musste er nach Nachfrage zugestehen, dass dieses Geld noch vorhanden ist, und dass diese sogenannte Kensington-Gruppe, zu der er wohl auch gehört, die Verfügungsgewalt über dieses Geld hat. Damit ist das Geld nie bei der CSU gelandet. Insofern war auch die von ihm zunächst gemachte Aussage falsch.

    Engels: Was hat denn Karl-Heinz Schreiber in irgendeinem Zusammenhang zu Edmund Stoiber gesagt?

    Schmidt: Er hat fast nichts zu Edmund Stoiber gesagt. Er hat in einem Nebensatz gesagt, dass auch Herr Stoiber wohl von diesen Vorgängen Kenntnis haben müsste, aber Edmund Stoiber hat in diesem Zusammenhang keine Rolle gespielt. Er spielt wohl dann immer eine Rolle, wenn er sagt, Herr Stoiber müsse eigentlich dafür sorgen, dass er sich als freier Mann in Deutschland bewegen müsse. Das ist eben das völlig falsche Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, was Herr Schreiber hat, und dafür macht er offensichtlich Herrn Stoiber verantwortlich, allerdings ohne Grund.

    Engels: Nun sagt ja Ihr SPD-Kollege, Volker Neumann, der Vorsitzende des Ausschusses, dass es zumindest Aufklärungsbedarf, auch möglicherweise in Richtung CSU nach diesen Aussagen gäbe. Können Sie das teilen?

    Schmidt: Wissen Sie, Herr Neumann ist natürlich Mitglied der Sozialdemokraten, und wir sind im Wahlkampf. Deswegen ist es auch seine Aufgabe, die er von Herrn Müntefering bekommen hat, das so zu sagen. Ich glaube nicht, dass es durch die Aussage von Schreiber, der ja völlig unglaubwürdig ist, einen weiteren Aufklärungsbedarf gibt. Außerdem sind wir am Ende der Beweisaufnahme. Wenn wir noch Zeit hätten, würden wir ganz andere Themen behandeln, aber ganz sicher nicht die Thematik um Herrn Schreiber.

    Engels: Zumindest haben damals Aussagen von Herrn Schreiber den CDU-Spendenskandal mit angestoßen. Ist er da wirklich komplett unglaubwürdig?

    Schmidt: Ja, er ist unglaubwürdig, weil er sich in vielen Dingen mehrfach widersprochen hat, auch in der Baumeister-Spende, nicht nur im Bereich CSU, sondern auch in diesem Bereich. Insofern ist er wirklich eine schillernde, unglaubwürdige Persönlichkeit. Das hat sich eigentlich in Toronto durch unseren Eindruck bestätigt.

    Engels: Mit welchen Hoffnungen gehen Sie nun in den zweiten Tag? Hoffen Sie noch auf Belege von Herrn Schreiber?

    Schmidt: Er hat ja schon angedeutet - wenn ich das richtig verstanden habe -, dass er keinen konkreten Belege hat. Er hat auch keine Zeugen, die er für seine Version benennen kann, und das zeigt, wie unglaubwürdig er ist. Aber wir werden versuchen, ihm nochmal auf den Zahn zu fühlen und die Unglaubwürdigkeit noch ein bisschen herauszustellen, damit wir uns noch ein klares Bild machen können, aber ich habe wenig Hoffnungen, dass wir zu konkreten Ergebnissen kommen.

    Engels: Betrifft das nur diesen Komplex rund um die CSU oder auch andere Themen?

    Schmidt: Wissen Sie, wir haben nur noch bis 13 Uhr Zeit, hier in Toronto Fragen zu stellen. Leider hat der Ausschussvorsitzende die Vernehmung abgebrochen, obwohl wir noch viel Zeit gehabt hätten. Auch dies habe ich nicht verstanden. Das ist kein Beitrag zur Aufklärung gewesen. Ich glaube nicht, dass wir noch viele Komplexe ansprechen können. Ich würde mir noch viele Themenkomplexe wünschen, z.B. würde ich den Vorgang um die Baumeister-Spende nochmals beleuchten, weil er sich ja auch da widersprochen, und für mich ist klar, dass hier Wolfgang Schäuble die Wahrheit gesagt hat. Das könnte man noch einmal beleuchten, wenn man mehr Zeit hätte, aber ich glaube, dass uns die Zeit leider nicht zur Verfügung stehen wird.

    Engels: Den derzeit untergetauchten Staatssekretär Pfahls hat er ja entlastet.

    Schmidt: Wissen Sie, Herr Pfahls ist ein guter Freund von Schreiber, zumindest gewesen. Er behauptet jetzt, er hätte seit langem keinen Kontakt mehr zu ihm, aber ganz eindeutig will er ihn entlasten, und deswegen ist meine Vermutung und mein Verdacht, dass er eine falsche Spur in Richtung CSU legt, um den Verdacht von Pfahls abzulenken.

    Engels: Sie hatten sich im Vorfeld gegen diese Befragung von Schreiber ausgesprochen. Ändern Sie Ihre Meinung?

    Schmidt: Wir haben keine neuen Erkenntnisse gewonnen, die wirklich überprüfbar und belastbar sind, und das wird sich auch nicht verändern. Ich glaube, das Gesamtergebnis wird sein: Außer Spesen nichts gewesen, und das auf Kosten der Steuerzahler.

    Engels: Die Zeugenbefragung der gesamten Arbeit des Untersuchungsausschusses geht nun dem Ende zu. Wissen Sie schon, in welche Richtung Ihr Zwischenfazit geht.

    Schmidt: Ja, es gibt mehrere Ergebnisse. Die Union hat natürlich Verfehlungen im Spendenbereich zu verantworten, die SPD aber auch, das hat sie in Köln und Wuppertal gezeigt. Und ein dritter Punkt, der entscheidend ist: Die Regierung Helmut Kohl war nicht bestechlich. Auch dies ist ein konkretes Ergebnis dieser Ausschussarbeit.

    Engels: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio