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Schriftsteller Karel Sabina
Unbekannt trotz Welterfolg

Vor 200 Jahren kam der tschechische Schriftsteller Karel Sabina auf die Welt. Obwohl er literarisch produktiv war, ist er bei uns kaum bekannt. Eins seiner Werke erlangte aber Weltruhm: das Libretto für Bedrich Smetanas Oper "Die verkaufte Braut".

Von Doris Liebermann | 29.12.2013
    "Millionen haben in allen Opernhäusern der Erde die hinreißenden Melodien von Smetanas komischer Oper ‚Die verkaufte Braut‘ gehört. Aber nur selten fragt jemand: wer hat das Textbuch geschrieben? Es ist Karel Sabina, dem ein Teil des Welterfolgs zu danken ist und er ist ziemlich unbekannt geblieben."
    Max Brod hat in seinem Buch "Die verkaufte Braut. Der abenteuerliche Lebensroman des Textdichters Karel Sabina" dem Prager Schriftsteller ein literarisches Denkmal gesetzt. Geboren wurde Karel Sabina am 29. Dezember 1813 als unehelicher Sohn einer Hausmeisterin in der Prager Altstadt. Er studierte in Prag und Wien Philosophie und Rechtswissenschaft und arbeitete als Erzieher in bürgerlichen Häusern. Bald veröffentlichte er erste Texte. Er schrieb gesellschaftskritische Romane, Dramen, Libretti, politische Aufsätze - und Gedichte:
    "Bleicher Mond - mein armes Sein,
    Nachtgewölk - die Lebensreise;
    Dunkle Sterne - meine Tage,
    Wann beschließt Ihr eure Kreise!"
    Sabina war in seiner Zeit ein angesehener Schriftsteller in Böhmen. Die Honorare waren erbärmlich, außerdem machten ihm Zensur, Hausdurchsuchungen und Verhöre das Leben schwer. Böhmen und Mähren waren damals Teil der Habsburger Monarchie. Sabina trat gegen die Fremdherrschaft als mitreißender Volksredner hervor und gehörte einem nationalen Geheimbund an. Max Brod:
    "Sabina hat im Jahre 1848 an exponierter Stelle an den Freiheitskämpfen seines Volkes teilgenommen, wurde nach dem Scheitern der Revolution von der österreichischen Regierung zum Tode verurteilt, dann zu lebenslänglichem Kerker begnadigt und nach zehn Jahren aus dem Olmützer Gefängnis entlassen. Fortan stand er unter besonderer Aufsicht der Polizei und der Zensur, die seine Lebensmöglichkeiten so sehr einengten, dass er in äußerste Armut geriet und sich zuletzt als Polizeispion anwerben ließ."
    Nach der Haft kehrte Sabina nach Prag zurück und war eine Zeitlang Dramaturg am Tschechischen Interimstheater. 1864 entstand das Libretto zur Oper "Die verkaufte Braut", die Bedrich Smetana, damals Kapellmeister am Prager Nationaltheater, vertonte. Zwei Jahre später wurde die Oper zum ersten Mal aufgeführt. Gerade einmal 20 Gulden soll Sabina von Smetana bekommen haben.
    1872 berichteten Prager Blätter, dass Sabina schon jahrelang Polizeispitzel sei. Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein: der bekannte Patriot und Freiheitskämpfer ein Denunziant? Sabina wurde von einem tschechischen Geheimgericht, das aus seinen ehemals besten Freunden bestand, des Landes verwiesen. Sein Sohn und seine Tochter rückten von ihm ab. Heimlich kehrte Sabina nach Prag zurück und ging nur noch nachts verkleidet auf die Straße. Als die Polizeiakten 1918 zugänglich wurden, bestätigte sich der Verrat, aber es waren auch viele Gerüchte über den Verfemten verbreitet worden. In einem Brief an seine Tochter hatte Sabina geschrieben:
    "Was habe ich ihnen ... denn verraten? Dass man neben der russischen Kirche in Prag eine russische Schule einrichten will und dass der Russe Schorroff sie leiten soll. Als ob das nicht per Amtsschimmel dem Herrn Präsidialisten längst gemeldet worden wäre, es steht ja in den offiziellen Akten ..."
    Nach Max Brods Meinung hatte Sabina in der "verkauften Braut" verschlüsselt sein eigenes Schicksal beschrieben, um sich vor seinen Landsleuten zu rechtfertigen. Wie in der Oper Hans den Heiratsvermittler Kezal habe Sabina den k. und k. Polizeirat Javurek an der Nase herumgeführt:
    "Habe ihm zum Schein die Braut verkauft, das geliebteste auf Erden, mein Vaterland, meine Nation. Aber ich habe streng darauf gesehen, dass er nicht den geringsten Vorteil davon hat. Ihn habe ich betrogen, nicht das Vaterland."
    Während die Oper "Die verkaufte Braut" Weltruhm erlangte, ging Sabina elend zugrunde. Sogar sein Name fehlte lange Zeit auf den Ankündigungen. Karel Sabina starb am 8. November 1877 an Hunger und Entkräftung im Alter von 64 Jahren.