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Schriftsteller Peter Schneider
"Es läuft auf die Abschaffung der Demokratie hinaus"

Die deutsch-türkischen Beziehungen befinden sich auf einem Tiefpunkt, seit der türkische Präsident Deutschland "Nazi-Methoden" unterstellt hat. Nach dem Putsch lief die Abschaffung der Demokratie an, die jetzt im Referendum ihre Vollendung findet, so die deutlichen Worte des Schriftstellers und PEN-Mitglieds Peter Schneider.

Peter Schneider im Gespräch mit Karin Fischer | 12.03.2017
    Peter Schneider im Funkhaus
    Der Schriftsteller Peter Schneider (Deutschlandradio / Oranus Mahmoodi)
    Der Schriftsteller Peter Schneider wirft der Bundesregierung vor "viel zu schüchtern" auf den Nazi-Vergleich des türkischen Präsidenten reagiert zu haben. "Bei einem Macho-Politiker ist es vielleicht viel besser, man zeigt ihm seine Grenzen auf", sagte Schneider, der sich in den vergangenen Monaten länger in der Türkei aufhielt.
    "Ich finde es äußerst beunruhigend, wenn 60 Prozent der bei uns lebenden Türken für Erdogan und vermutlich auch für ein Referendum stimmen, das eindeutig ein Weg nicht etwa, wie es verharmlosend heißt, in einen autoritären Staat, sondern in eine Diktatur ist. Es läuft auf die Abschaffung der Demokratie hinaus."
    Schneider verwies im Interview mit dem Deutschlandfunk auf die Folgen der Maßnahmen Erdogans nach dem Putsch 2016 für Tausende von Menschen in der Türkei: "Wenn sie aufgrund einer Denunziation ihren Job verlieren, verlieren sie nicht nur sofort alle Bezüge und Pensionen, sondern auch die Ausbildungstitel. Sie sind nicht mehr Ingenieur oder Doktor etc., sie sind gar nichts. Sie können keine Anstellung mehr in der Türkei bekommen. Das ist eine echte Existenzvernichtung, und das betrifft Hunderttausende von Leuten, wenn man ihre Familien dazu rechnet."
    Die Verhältnisse in der Türkei bezeichnet Schneider als "reine Terrorherrschaft": "Es gibt keine Begründung, man kann nicht gegen eine Verhaftung klagen, eines der wichtigsten Charaktere der Demokratie, die Gewaltenteilung, ist außer Kraft gesetzt."
    Nach dem Putsch, so Schneider, "lief die Abschaffung der Demokratie an, die jetzt im Referendum ihre Vollendung findet."
    Schneider verwies darauf, dass – wie im Fall Deniz Yücel – Menschen, die beide Pässe haben, von der türkischen Regierung unter völligen Ignorierung des deutschen Passes als Türken behandelt würden.
    Hinweis: Das Gespräch können Sie mindestens sechs Monate lang als Audio-on-demand abrufen.