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Schulbildung
"Digitalisierung ist eine Ergänzung"

Die Kultusministerin von Baden-Württemberg Susanne Eisenmann warnt davor, unter dem Stichwort Digitalisierung an Schulen alles zu hinterfragen. Schule sei ein Ort der Wissensvermittlung - das müsse im Mittelpunkt der Fächer stehen, sagte die CDU-Politikerin im DLF. Digitales Lernen sieht sie vor allem als eine Ergänzung.

Susanne Eisenmann im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann spricht und gestikuliert.
    Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) prägte den Satz "Ersetze Buch durch Laptop ist keine Pädagogik". (picture alliance / dpa / Franziska Kraufmann)
    Manfred Götzke: In diesem Jahr rufen die Bildungsunternehmen hier auf der weltgrößten Bildungsmesse endgültig das Ende der Kreidezeit aus. Was sie damit meinen: Weg mit Kreide und Tafel, her mit Smartboard und Tablet. Digitale Bildung spielt auf dieser Didacta eine besondere Rolle, denn die Bundesregierung, die hat den Schulen fünf Milliarden Euro für das digitale Lernen zugesagt, aber ist dieses Geld wirklich gut angelegt – darüber habe ich hier vorhin mit Susanne Eisenmann gesprochen. Sie ist Kultusministerin in Baden-Württemberg, und sie hat kürzlich den Satz geprägt: "Ersetze Buch durch Laptop ist keine Pädagogik." Ich habe sie erst mal gefragt deshalb, ob sie hier auf der Didacta schon einen Digitalkoller bekommen hat.
    Susanne Eisenmann: Nein, gar nicht. Die Aussage ist auch nicht zu werten im Sinne von, dass wir keine Medien einsetzen sollen, aber ich glaube, dass es schon unsere Aufgabe ist, dass wir ein pädagogisches Konzept hinterlegen und nicht einfach sagen, wir ersetzen das. Ich bekomme dafür auch viel Zustimmung, das wird eigentlich allgemein auch so gesehen, und deshalb ist es unsere Aufgabe, zu sehen, wie wollen wir den Medieneinsatz, altersgerecht, schulartgerecht optimal bringen, und da gehört halt eine Pädagogik dazu, und da brauchen wir erst eine Pädagogik und dann den technischen Einsatz, aber ich glaube, das ist überhaupt kein Dissens, schon gar nicht hier auf der Didacta.
    "Ich habe kein Problem, wenn Grundschulkinder programmieren"
    Götzke: Hier gibt es ja sehr viele auch unterschiedliche pädagogische Konzepte, die vorgestellt werden. Hier ein paar Hallen weiter programmieren Grundschulkinder – da haben Sie mal gesagt, das geht gar nicht.
    Eisenmann: Ich habe überhaupt kein Problem, wenn Grundschulkinder insgesamt programmieren. Wogegen ich mich wehre, weil ich glaube, dass das nicht der richtige Ansatz ist, wenn Programmieren in der Grundschule ein eigenständiges Fach werden würde und es dort in den Mittelpunkt rücken würde. Ich glaube, Lesen, Schreiben, Rechnen und auch Grundkompetenzen wie ein Stück weit Konzentrationsfähigkeit, Geduld, zur Ruhe kommen, sind Dinge, die Kinder im Alter der Grundschule durchaus brauchen. Dass die natürlich einen Umgang mit Medien haben, haben müssen, dass man sie auch über Medien und ihre Folgen, ihre Vorteile und Nachteile aufklären muss, altersgerecht, keine Frage.
    Götzke: Aber ist das hier auf der Didacta vielleicht auch ein Problem, dass viel zu sehr über Digitales geredet wird, über den Einsatz von Medien, neuen Medien, verschiedene Hardware ist hier zu sehen, und man die Standards – Lesen, Schreiben, Rechnen haben Sie gesagt –, dass die zu kurz kommen, dass man die vergisst?
    Eisenmann: Ich glaube, dass es schon eine gute Mischung hier auf der Didacta gibt, aber wir müssen schon aufpassen, alle gemeinsam, dass wir jetzt unter dem Stichwort Digitalisierung nicht alles neu machen und alles hinterfragen. Wir haben in der Schule, mit der Schule einen Ort der Wissensvermittlung, und es muss auch für mich stark im Mittelpunkt stehen in den einzelnen Fächern, in den unterschiedlichen Kompetenzen, und dafür brauchen wir gezielte Maßnahmen, gezielte Förderung, gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Die Digitalisierung ist eine Ergänzung, die im pädagogischen Bereich, wenn sinnvoll einsetzbar, helfen kann, besser zu vermitteln, leichter zum Üben zu führen und solche Dinge.
    Götzke: Jetzt hat ja die KMK im Dezember erst beschlossen, dass in jedem Fach irgendwo digitale Kompetenzen erworben werden, also ist das nicht gerade das, was Sie befürchten und angesprochen haben?
    Eisenmann: Nein, gar nicht, weil es einfach … Das ist wieder der Satz für mich, also "Ersetze Buch durch Laptop", ist eben keine Pädagogik, sodass die Frage ist, wie kann ich es ergänzend machen. Ich glaube, dass wir auch noch in zehn oder fünfzehn Jahren mit Büchern arbeiten müssen und dass Kinder auch Texte lesen müssen im Buch, auch das ist eine Entwicklung, die wir auch künftig brauchen, und deshalb: Die Digitalisierungsstrategie der KMK, die ich auch mit begleitet habe, setzt ja darauf an, wo macht der Einsatz Sinn, ergänzend – Naturwissenschaften liegt ein Stück weit auf der Hand –, und wo macht er eben keinen Sinn.
    "Auf die Mischung kommt es an"
    Götzke: Wo macht es denn aus Ihrer Sicht überhaupt keinen Sinn?
    Eisenmann: Also wo ich es momentan noch gar nicht richtig erkennen kann, ist beispielsweise natürlich auch in Fächern wie Geschichte oder Ähnliches. Natürlich kann ich einen Film zeigen über irgendwelche Vorgänge, die dann visualisiert sich erklären, aber insgesamt glaube ich, dass wir auch in den Geisteswissenschaften da und dort eine Ergänzung brauchen können, aber ich glaube nicht, dass ein Einsatz dort in der Form, beispielsweise in weiterführenden Schulen, tatsächlich Sinn macht, zumindest konnte mich davon bisher noch nichts überzeugen, wie beispielsweise Naturwissenschaften, wo ich visualisieren kann, wie physikalische Vorgänge sind oder biochemische Vorgänge sind, da bietet sich das ein Stück weit stärker an. Deshalb: Auf die Mischung kommt es an.
    Götzke: Hier gibt es zum Beispiel auf der Didacta so was wie virtuelle Klassenräume, virtuellen Unterricht, da hantieren Schüler mit VR-Brillen und Sensoren an den Händen. Ist das was, wo Sie sagen, ist super, kann man machen, ergänzend oder völlig übertrieben?
    Eisenmann: Uns muss halt eins klar sein: Wir haben eh zunehmend individualisierte Kinder, wir haben zunehmend Einzelkinder, wir haben zunehmend Kinder, wo das soziale Umfeld kindgerecht mit anderen Kindern eher zu kurz kommt, und deshalb kann ich Ihnen nur sagen, das wäre für mich ein Einsatz, den ich nicht in der ganzen Bandbreite haben möchte. Ich glaube, dass eine Klassengemeinschaft, ein Klassenerleben, auch soziale Abläufe innerhalb einer Klasse, wo man nebeneinander sitzt, wo man auch mal noch miteinander spricht, wertvoller sind denn je und auch wertvoller bleiben denn je. Wenn ich sehe, dass Kinder nebeneinander sitzen, jeder hat sein Handy oder sein Mobilgerät in der Hand, die reden schon gar nicht mehr miteinander. Ich glaube, wenn Schule da ein bisschen auch ein Gegengewicht bringt und auch Gemeinschaft und auch Abläufe in einer Gemeinschaft – Toleranz, Wertschätzung, all diese Dinge –, auch dieses gehört für mich an einen Ort der Wissensvermittlung.
    "Die Frage ist, wer finanziert die Folgeanschaffungen"
    Götzke: Die Geräte, die man dafür braucht, die könnten vielleicht bald vom Bund finanziert werden. Der Bund hat letztes Jahr gesagt, es gibt fünf Milliarden Euro. Sie haben sich da jetzt auch mehrfach skeptisch geäußert, was diesen Digitalpakt angeht. Warum trauen Sie den Milliarden, die Frau Wanka, die Bundesbildungsministerin geben will, nicht?
    Eisenmann: Also nicht trauen ist vielleicht der falsche Ansatz, aber wir haben ja seitens der KMK auch beschlossen, dass jetzt im Rahmen einer Arbeitsgruppe Bund und Länder gemeinsam erarbeitet wird, wie diese Mittel, wenn sie denn kommen nächstes Jahr, im Rahmen des Digitalpakts eingesetzt werden müssen, wobei Frau Professor Wanka die Bundesregierung eher an die technische Ausstattung von Gebäuden oder Ähnlichem denkt, und an den Geräten sehen Sie das eigentlich relativ gut: Wir haben die Hoheit, die Bildungshoheit der Länder, und das ist richtig, und das ist auch gut so. Wenn der Bund finanzieren würde die Anschaffung von Geräten, wäre das zunächst mal ein Vorgehen. Die Frage ist, wer finanziert die Folgeanschaffungen, wer finanziert den laufenden Betrieb, und es sind natürlich schon Themen, die wir gemeinsam erörtern müssen, aber ich bin da zuversichtlich, weil auch Frau Professor Wanka deutlich gemacht hat, dass es ihr nicht um die Frage der Länderhoheit geht, sondern dass wir gemeinsam ein Konzept entwickeln, wie wir damit umgehen können, aber wir legen großen Wert drauf seitens Baden-Württemberg, dass dieses so auch eingehalten wird.
    Götzke: Das heißt, Sie bekommen das Geld und können sich freuen.
    Eisenmann: Also wir freuen uns zunächst mal immer über Geld, das gilt auch für die anderen Bundesländer, aber klar ist, wir arbeiten momentan konstruktiv daran, wie wir dieses umsetzen können, und fünf Milliarden sind ein hervorragendes Angebot, wofür wir als Länder auch zunächst mal dankbar sind. Jetzt wird ausgehandelt, wie dieses funktionieren kann, deshalb keine Skepsis, sondern Aufgeschlossenheit und Offenheit, aber wir gucken uns schon genau an, inwieweit das im Zusammenspiel der Länder mit dem Bund funktioniert.
    Götzke: Sagt Susanne Eisenmann, die Chefin der Kultusministerkonferenz und Kultusministerin hier in Baden-Württemberg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.