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Schuldenbremse beschlossen

Der Bundesrat hat einer schärferen Schuldenbremse für Bund und Länder zugestimmt. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) lobte die entsprechende Grundgesetzänderung. Die derzeitigen milliardenschweren Konjunkturprogramme zeigten, dass eine klare Regelung wichtig sei.

Günther Oettinger im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Die Krise der Landesbanken dauert eigentlich schon länger als die Finanzkrise. Die Geldhäuser ringen um ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell. Und die Milliardenverluste, die die verschiedenen öffentlich-rechtlichen Kredithäuser im Zuge der Finanzkrise aufhäuften, haben viele Kritiker auf den Plan gerufen.

    Beitrag zum Thema: Zukunft der Landesbanken

    Verschiedene Stimmen zu den Landesbanken. Das Bundeskabinett hat in dieser Woche beschlossen, auch den Landesbanken die Möglichkeit zu geben, faule Wertpapiere in sogenannte Bad Banks auszulagern, also in Auffanginstitute, die die Geldhäuser kurzfristig von ihren schlechten Bilanzen entlasten sollen. Doch im Gegenzug verlangt der Bund, dass sich die Landesbanken rasch neu organisieren, zusammenschließen und so sparen.

    Mit im Strudel steckt auch die Landesbank Baden-Württemberg, kurz: LBBW. Sie galt vor Kurzem noch als ein Vorzeigemodell einer gut wirtschaftenden Landesbank. Nun braucht auch sie Staatshilfen. Am Telefon ist nun Günther Oettinger, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Guten Morgen!

    Günther Oettinger: Guten Morgen!

    Engels: Existiert in zwei bis drei Jahren noch eine Landesbank Baden-Württemberg?

    Oettinger: Ja, wir haben hier ein Geschäftsmodell und einen Markt um Kunden. Wir haben mit der BW-Bank die Marktführerschaft im Mittelstand in Baden-Württemberg. Wir haben mit den Töchtern in Rheinland-Pfalz - der Rheinland-Pfalz-Bank - und in Sachsen - der Sachsen-Bank - Entwicklungsperspektiven, das heißt: Wir müssen dort, wo die Landesbanken wie alle großen Geschäftsbanken Probleme haben, im Kapitalmarktgeschäft, korrigieren, aber im Kundengeschäft werden wir unser Politik fortsetzen, alleine oder aber im Verbund mit anderen.

    Engels: 5 Milliarden Kapitalerhöhung ist für die LBBW vorgesehen, dazu 12,7 Milliarden als Risikoschirm des Landes. Eigentlich müsste man das Geld ja erst einmal wieder herausholen, bevor die LBBW wieder lukrativ wirtschaftet. Ist das überhaupt vorstellbar?

    Oettinger: Wir bekommen ja für diese Kapitalstreckung eine sehr angemessene Vergütung. Das heißt, das Ganze ist für die Träger kein Verlustgeschäft. Und zum Zweiten haben wir in der Tat vorgesehen, nach etwa fünf Jahren, wenn das Kapitalmarktgeschäft entsprechend verkleinert worden ist - was nicht von jetzt auf nachher geht, sondern über Jahre hinweg gemacht werden kann -, dann auch wieder die Eigenkapitalbasis entsprechend zu verringern und trotzdem prozentual zu halten. Bei geringerem Bilanzvolumen kann man das Eigenkapital in Stufen absenken und hält die Eigenkapitalquote, die weltweit als Standard gefordert [ist], trotzdem gleich.

    Engels: Muss denn die LBBW nicht Mitarbeiter abbauen und Standorte schließen?

    Oettinger: Unsere Standorte sind - je einzeln - sinnvoller. An den Marktplätzen der großen Kreisstädte in Baden-Württemberg, als Stadtsparkasse in Stuttgart oder als Haus- und Hauptbank für den großen Mittelstand sind wir nicht nur im Markt notwendig, sondern auch erfolgreich.

    Ansonsten werden wir in der Tat weiter mit einem Einsparplan alles tun, um strukturelle Kosten zu senken und dadurch wieder in operativ schwarze Zahlen zu kommen.

    Engels: Herr Oettinger, das klingt irgendwie nach einem "Weiter so". Wo soll denn nun gespart werden; gerade auch mit Blick darauf, dass Sie sich ja eigentlich mit anderen Häusern zusammenschließen wollen?

    Oettinger: Wenn man mit anderen zusammengeht, braucht man im Ausland nicht mehrere Filialen; dann kann man in New York, in Singapur, in Tokio, in Moskau oder in Shanghai auch mit einer leistungsfähigen Auslandsfiliale gemeinsam arbeiten. Und dann werden wir, wie gesagt, beim Kapitalmarktgeschäft wie andere Banken, namentlich auch die Geschäftsbanken, die Volumina eindampfen - und damit auch Mitarbeiter abbauen können.

    Engels: Das heißt: Die anderen sollen dann sparen, wenn sie sich mit Ihnen zusammenschließen, oder macht das die LBBW doch?

    Oettinger: Das geht nur gemeinsam.

    Engels: Können Sie da konkreter werden? Wie soll es gehen?

    Oettinger: Wie in jeder Fusion wird man einige Stäbe und einige Filialen vor Ort und einige Fachbereiche zusammenlegen, und dann ist Mitarbeiterabbau möglich und damit auch Kostenabbau.

    Engels: Mit welchen Häusern anderer Landesbanken wollen Sie die LBBW zusammenbauen?

    Oettinger: Wir waren in der Vergangenheit - und sind auch in der nahen Zukunft - gesprächsbereit für jede sinnvolle Fusion. Sie müssen ja sehen, dass die Landesbank Baden-Württemberg mit der Integration von Rheinland-Pfalz schon vor vielen Jahren und mit der von Sachsen vor einigen Jahren ihre Bereitschaft zur Neuordnung bewiesen hat. Unsere Landesbank ist heute eine für ein Geschäftsgebiet von drei Ländern - und die setzen wir gerne fort. Und deswegen sind wir in den nächsten Monaten zu ganz konkreten Gesprächen bereit, und klar muss eines sein: Das Ganze macht dann Sinn, wenn es kein Nachteil für den Markt und die Banken ist.

    Ich sage ein Beispiel: Wer jetzt auf ersten Juli eine Zwangsfusion machen würde - wie es ja gerne die öffentliche Meinung in Berlin anstrebt, nach dem Motto: Veränderung ist ein Ziel an sich -, der wird es zu einer neuen Landesbank des Ratings der beteiligten schlechtesten Landesbanken in Kauf nehmen und damit allen anderen schaden.

    Wer jetzt eine Zwangsfusion zum 1.7. macht, hätte in der Refinanzierung nicht die Potenziale, die die Banken haben, sondern ein weit geringeres Potenzial und damit weit weniger Möglichkeiten, den Kunden mit Krediten in dieser schwierigen Zeit zu helfen.

    Engels: Aber mittelfristig hätte man vielleicht weniger Risiken, wenn man jetzt zusammenfasst oder vielleicht auch einige Institute schließt.

    Oettinger: Wer Institute schließt, handelt fahrlässig. Landesbanken werden gebraucht, weil die Sparkassen alleine als wichtigste Säule in der deutschen Bankenlandschaft ohne Landesbanken ihr Geschäft nicht hinbekommen. Wir müssen das Ganze in sinnvollen Stufen vornehmen. Und noch mal: Ich rate jedem, der hier jetzt Tempo einfordert, sich mit der Sache zu beschäftigen.

    Die Fachleute raten von einer Zwangsfusion sofort dringend ab, allerdings haben wir deswegen mit 2010 ein klares Zeitziel ja vor - und dies auch gegenüber der Öffentlichkeit zugesagt.

    Engels: Kommen wir noch auf ein anderes Sparvorhaben zu sprechen, Herr Oettinger.

    Im Bundesrat steht heute ein lange umstrittenes Reformvorhaben zur Abstimmung: die Föderalismusreform II. Im Kern steht dabei die sogenannte Schuldenbremse. Sie sieht vor, dass die Bundesländer sich mittelfristig gar nicht mehr verschulden dürfen und der Bund auch nur noch in geringem Maß.

    Sie haben lange dafür gekämpft, aber ist das angesichts der neuen Schulden, die Sie gerade aufnehmen, überhaupt realistisch?

    Oettinger: Ja, ich glaube, dass gerade diese Schulden in der Krise aufzeigen, dass eine klare Schuldenregel richtig ist, zum Einen, um den Abbau dieser Schulden, nun den Weg aus der Schuldenfalle zu erzwingen, und zum Zweiten haben wir ja in unserer Schuldenregel vorgesehen, dass in Jahren der wirtschaftlichen Krise, wenn die Wirtschaft schrumpft und die Steuereinnahmen wegbrechen - aber nur dann -, Schulden erlaubt sind.

    Das Problem der letzten Jahrzehnte war doch, dass wir auch in den Wachstumsjahren einen Teil unserer Aufgaben und Ausgaben nicht mit Steuereinnahmen, sondern durch neue Schulden finanziert haben.

    Engels: Na, aber Finanzminister waren immer sehr kreativ in der Geschichte der Bundesregierung, Ausnahmesituationen zumindest auch auf dem Papier so darzustellen, um sich neu verschulden zu können. Da haben sie doch ein gewaltiges Schlupfloch.

    Oettinger: Nein. Wir haben ja in unserem Entwurf und in der Textierung und Begründung ganz klar und sehr eng definiert, wann und warum Schulden möglich sind, und wir haben gesagt, dass dann die nicht auf Dauer gemacht werden dürfen, sondern mit einen konkreten Tilgungsplan innerhalb von vier, fünf, sechs Jahren zurückzuführen sind.

    Hinzu kommt: Mit dieser Schuldenregel, die im Grundgesetz stehen wird und die in die Landesfassungen kommt, haben die Landtagsfraktionen die Möglichkeiten, hat die Bundestagsfraktion die Möglichkeit, aus der Opposition heraus auch zu klagen und dann die Rechtswidrigkeit von Schulden auch festgestellt zu bekommen.

    Ich glaube, dass die neue Schuldenregel sehr viel konkreter und schärfer ist als die Schuldenregeln der Vergangenheit.

    Engels: Dann machen wir es doch konkret: Wollen Sie die Schuldenbremse vor allem, um mögliche Nachschläge der neuen Länder zum Solidarpakt II zu verhindern, wenn 2019 die Mittel auslaufen?

    Oettinger: Wir haben ja gemeinsam, die neuen Länder und die alten Bundesländer, die Schuldenregel beschlossen. Und sie wird ja heute auch von einer Mehrzahl der neuen Länder mitgetragen, indem wir sagen: Wir haben jetzt eine Übergangszeit bis 2019 und dann treffen drei neue Welten zusammen, zum Einen ist dann der Länderfinanzausgleich ausgelaufen, zum Zweiten ist der Aufbau Ost ausgelaufen, der jetzt in Stufen nach unten geht, und zum Dritten bestehen keine Schuldenrechte mehr.

    Deswegen werden wir dann noch einmal über die Finanzierung von Aufgaben und die Struktur der Haushalte sprechen müssen, aber das Ziel war ja von vornherein - und das haben wir weiter verfolgt -, dass dann die neuen Länder nicht mehr besondere Länder sind, sondern finanzstärkere oder finanzschwächere, und werden im künftigen Länderfinanzausgleich gleich behandelt werden können wie finanzschwächere oder finanzstärkere Länder in Westdeutschland.

    Engels: Und für Baden-Württemberg geben Sie die Garantie: ab 2020 keine neuen Schulden?

    Oettinger: Die Garantie gibt jeder ab, weil es so im Grundgesetz stehen wird, und Baden-Württemberg hat ja in guten Jahren, nämlich im letzten Jahr und auch in diesem Jahr, in einem schwierigen Jahr, sein Ziel vor Augen - wir haben es im letzten Jahr erreicht, werden es in diesem Jahr auch erreichen -, nämlich einen Haushalt ohne Schulden aufzustellen und auch zu vollziehen. Und was 2008 und 2009 möglich ist, muss auch im Jahr 2019 möglich sein.

    Engels: Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank!

    Oettinger: Einen guten Tag!