"Was würden Sie jetzt lieber tun?"
Ein knappes Dutzend Schülerinnen geht kreuz und quer durch einen Unterrichtsraum. Keine Tische und Stühle, nur freie Fläche. Die Teenager tragen bequeme Kleidung. "Grundkurs Darstellendes Spiel" steht auf den Stundenplänen der elften Klasse. Die Kursleiterin, Anja Engel, stellt kurze Fragen. Nachdem sie in die Hände geklatscht hat, sollen die Schülerinnen mit einer Pose darauf antworten.
"Welche Rolle würden Sie hier gerne mal spielen?"
Fenja Schnaidt, 15 Jahre alt, geht in die Hocke und verzieht das Gesicht zu einer Fratze. Es liegt ihr, sich in fremde Figuren einzufühlen. Sie möchte später einmal Schauspielerin werden. Deshalb hat sie den Grundkurs "Darstellendes Spiel" gewählt. Ab dem kommenden Sommer wird sie den neuen Leistungskurs belegen; weil sie sich auf ihren künftigen Beruf vorbereiten will. Aber: Der neue LK ist nicht nur für Nachwuchs-Schauspieler gedacht.
"Es ist für jeden etwas, auf jeden Fall, der Lust hat, was Neues auszuprobieren und der mit anderen Leuten zusammenarbeiten will und auch kann. Und man braucht allerdings vielleicht auch außerhalb der Schule ein bisschen Zeit dafür. Also es ist schon zeitaufwendiger als Mathe."
Zeitaufwendiger als Mathe, aber ebenfalls ein Schulfach. Die Schüler lernen, sich auf der Bühne zu präsentieren, sich im Tanz oder Schauspiel auszudrücken. Dazu kommt theoretisches Hintergrundwissen. Als Grundkurs bietet die Oberschule am Leibnizplatz "Darstellendes Spiel" schon seit mehreren Jahren an. Der Leistungskurs wird ab dem kommenden Sommer drei Jahre lang erprobt. Danach entscheidet die Kultusministerkonferenz, ob das bundesweit einmalige Angebot dauerhaft erhalten bleibt.
Unterricht mit der Bremer Shakespeare Company
Dass die KMK dem Schulversuch überhaupt zugestimmt hat, liegt auch an den langjährigen Erfahrungen, die die Oberschule im Bereich Schauspiel gesammelt hat. Von Anja Engels Unterrichtsraum sind es keine fünf Gehminuten zum Theater am Leibnizplatz, wo die Bremer Shakespeare Company ihr Quartier hat. Die Profi-Schauspieler waren schon in den letzten Jahren fest eingebunden, so soll es auch künftig sein.
Anja Engel:
"Im Prinzip haben die Schauspieler die Aufgabe, in unseren Unterricht zu kommen und mit den Schülern theatral zu arbeiten, ihnen zu zeigen, wie bei ihnen Proben ablaufen, wie sie sich aufwärmen. Und das ist nicht unbedingt was anderes als das, was wir machen; mit dem Unterschied, dass wir Lehrerinnen sind und ein ganz anderes Verhältnis entstehen kann zwischen den Schauspielern und den Schülern. Weil: Wir sind Schule, wir bewerten ja immer. Leider. In dem Fall leider."
Die Abiturprüfungen für den Leistungskurs "Darstellendes Spiel" werden einen theoretischen und einen praktischen Teil enthalten. Theatergeschichte, Dramaturgie, Regie und Schauspieltheorie werden per Klausur abgeprüft – das ist die leichtere Aufgabe. Die Praxisaufgaben verlangen den Schülern viel mehr ab, meint die Lehrerin:
"Da haben die Schüler 45 Minuten Zeit eine Inszenierung zu entwickeln, eine fünfminütige. Und die müssen sie dann, direkt vor der Kommission, vorspielen. Das ist eine hohe Anforderung, hohes Maß an Stress. In diesem Moment, bei der Darstellenden-Spiel-Prüfung, muss ich präsentieren und muss es auf den Punkt genau bringen."
Zwölf Anmeldungen für den Leistungskurs
Das Curriculum für den LK steht, zwölf Schüler haben sich bis dato angemeldet, die Lehrerinnen sind bereit, und die Schauspieler sind es auch. Das Einzige, was Sorgen bereitet, ist die Finanzierung der Partner: der Schauspieler von der Shakespeare Company und dem Tanzwerk Bremen. Die Bremer Bildungsbehörde kann sie nicht bezahlen, aber ohne sie würde etwas Wichtiges fehlen, sagt Martin Kurp, Oberstufenleiter an der Oberschule am Leibnitzplatz:
"Die Schauspieler sind sozusagen das i-Tüpfelchen. Die sind dafür da, das kreative Potenzial der Schüler möglichst noch weiter zu pushen. Das Zusammenspiel zwischen Lehrern und Schauspielern – wenn das funktioniert, dann wird es richtig gut."
Kurp hofft deshalb auf finanzielle Unterstützung von außen; Projektpartnern, die eine Art Patenschaft für den Leistungskurs "Darstellendes Spiel" übernehmen. Denn für umsonst kann die Bremer Shakespeare Company auf Dauer nicht mit den Schülern arbeiten, sagt auch Peter Lüchinger, Schauspieler und Regisseur des Ensembles:
"Wir haben gesagt, dass wir die Leistung, die wir reinstecken, irgendwie bezahlt haben müssen. Grundsätzlich ist es nicht unser Ziel, da Geld reinzugeben, sondern da gibt es ja auch Stiftungen, die vielleicht auch solche Experimente unterstützen. Das wird gesucht."