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Schulstart in Berlin
Neues Schuljahr, alte Probleme

In Berlin wurden für das neue Schuljahr zwar 2.700 neue Lehrkräfte eingestellt, der Lehrermangel ist damit aber noch längst nicht beseitigt. Und auch um viele Schulgebäude steht es nicht zum besten - von 700 werden 300 gerade saniert. Echte Verbesserungen wird es wohl nur langfristig geben.

Von Anja Nehls | 16.08.2018
    Die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres auf ihrer Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn 2018/19. Die Bildungssenatorin stellte die Daten und Schwerpunkte zum Schuljahresbeginn vor
    Die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres stellte die Daten und Schwerpunkte des neuen Schuljahres vor (imago / Christian Ditsch)
    Mit schwarzer Farbe sprüht Endric Schulze die Buchstaben S und U auf eine neongelbe Warnweste. SU steht für Schülerunion – die Schülernachwuchsorganisation der CDU. Mit diesen Westen, Trillerpfeifen und Plakaten wollen die Mitglieder der CDU-Nachwuchsorganisation heute vor der SPD geführten Berliner Bildungsverwaltung protestieren.
    "Wir haben hier auch ein Plakat '22 Jahre SPD-Politik, 22 Jahre Versagen', das ist leider Gottes einfach die Wahrheit, wir lernen heute mit den Mitteln von gestern für die Welt von morgen, das macht uns als Schüler ziemlich traurig, denn es geht hier nicht um irgendwas, es geht um unserer Zukunft."
    Die Situation in Berlin ist nach wie vor schwierig. Lehrkräftemangel und Sanierungsstau sind dabei die Hauptthemen. Bildungssenatorin Sandra Scheeres ist aber optimistisch, dass zum Schulbeginn am Montag auch vor jeder Klasse eine Lehrerin oder ein Lehrer stehen wird. 2.700 neue Lehrkräfte seien eingestellt worden, teilt sie heute mit. Nur ein Drittel davon seien aber richtige, dafür ausgebildete Lehrer, so Tom Erdmann von der GEW:
    "Die anderen sind Quereinsteiger oder sogar noch gravierender sogenannte Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung. Das sind Menschen, die haben irgendwas studiert, das kann zum Beispiel die Archäologin sein, die als Geschichtslehrerein eingesetzt wird. Allerdings ist da zu wenig Geschichte drin, als dass man das wirklich als Fach der Berliner Schule anerkennt. Diese Leute müssen schnellstmöglich nachqualifiziert werden und das ist eine riesengroße Herausforderung für die Berliner Schule."
    Von 700 Schulen werden 300 saniert
    Aber dafür gebe es noch kein schlüssiges Konzept, so die GEW. Für die Quereinsteiger mit wenigstens einem anerkannten Schulfach hatte die Senatsverwaltung einen einwöchigen Crashkurs als Vorbereitung auf den Schulalltag angeboten. Viel zu wenig, sagt der 17-jährige Timothey Schröder, der im Leistungskurs Mathematik an seinem Gymnasium von einem Quereinsteiger unterrichtet wird:
    "Wir haben einen sehr qualifizierten Lehrer, der auch promoviert hat, das heißt theoretisch sehr qualifiziert für das Fach ist. Das Problem ist nur leider, er kann nicht erklären, er erklärt auch nicht."
    Und das müssten die Schüler und künftigen Studenten dann ausbaden.
    "Ich befürchte eben, dass meine mathematischen Fähigkeiten dadurch beeinträchtigt sind durch den Lehrer, auch wenn er es versucht und dass mich das natürlich auch im Studium und vielleicht auch im beruflichen Leben hindern wird, eine gute Karriere zu machen."
    Die Zahl der Schüler in Berlin steigt seit Jahren, darauf hätte man rechtzeitig reagieren müssen, so die Schüler der Schülerunion. Mehr Schulplätze will Berlin jetzt mit einer Schulbauoffensive schaffen. Für Neubauten, Umbauten und Sanierungen stehen in den nächsten zehn Jahren 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung Von insgesamt knapp 700 Schulen in Berlin werden derzeit fast 300 saniert, freut sich Sandra Scheeres. Das liege auch daran, dass sich das Land mit den Bezirken jetzt besser abstimme:
    "Wir haben seit diesem Jahr erstmals einen Sanierungs- und Baufahrplan, das gab es ja bislang noch nie in der Geschichte Berlins, dass wir einen Überblick über jeden Bezirk, jede Schule, welcher Sanierungsbedarf vor Ort vorliegt und daran orientiert sich das Land mit den Bezirken, dass jedes Jahr weiter saniert wird."
    Besserung nur langfristig zu erwarten
    Immer wieder scheitern dringend nötige Arbeiten in Berlin allerdings daran, dass Personal in der Verwaltung fehlt, um die Bauvorhaben voranzutreiben und dass es zu wenig Baufirmen gibt, die genug Kapazitäten haben, um sie auszuführen. Den Schülern ist aber auch noch das Thema Digitalisierung wichtig, sagt Endric Schulze von der Schülerunion:
    "Digitalisierung ist in den Berliner Schulen nicht vorhanden. Wenn man überhaupt mehr als einen Computerraum hat und die Computer nicht mit Windows 98 laufen, dann hat man schon eine sehr gute Schule erwischt in dieser Stadt und das geht einfach nicht mehr."
    Verbesserungen der Berliner Situation sind in jedem Fall nicht schnell, sondern bestenfalls langfristig zu erwarten. Die Ausbildungskapazität für neue Lehrer an den Universitäten ist um 2.000 Plätze erhöht worden. Wenn am Montag der Unterricht beginnt, stehen vor den Schülern allerdings erstmal Quereinsteiger, reaktivierte Pensionäre, Lehramtsstudenten oder nicht ausgebildete, aber hoffentlich hochengagierte Lehrer ohne volle Lehrbefähigung.