Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Schulstudie aus Finnland
Die Grenzen des digitalen Unterrichts

Eine Studie der Universität Helsinki stellt die Digitalisierung des Schulunterrichts infrage. Lernergebnisse werden demnach durch den Einsatz digitaler Medien nicht zwangsläufig besser, schwächere Schüler könnten davon sogar überfordert werden und weiter zurückbleiben.

Von Carsten Schmiester | 13.03.2019
Ein Grundschüler in Marseille mit einem Lernprogramm auf einem Tablet
Tablets und PC sind aus dem Schulunterricht nicht mehr wegzudenken (Bertrand Langlois / AFP)
"Wir haben hier jeder ein eigenes I-Pad und damit machen wir ein Projekt. Da geht es um Wälder und Bäume und Tiere hier in Finnland. Wir machen das Projekt in der Gruppe, gehen dabei selbst hinaus in die Natur, fotografieren und drehen kurze Videos zum Beispiel über Bäume."
Maja geht in die sechste Klasse der "Wäinö Aaltonen"-Schule in Turku, benannt nach einem Bildhauer. Englisch hat Maja in den USA gelernt, da hat sie eine Weile mit ihren Eltern gelebt. Ihren Tablet-PC hat sie von der Schule bekommen wie alle anderen auch. Damit fotografiert sie, schneidet das Wald-Video, schreibt begleitende Texte. Ganz so, wie es der finnische Lehrplan vorsieht, der seit 2016 Digitalisierung ganz groß schreibt und fächerübergreifenden "projektbasierten" Unterricht dazu.
Besseres Lernen - oder "Daddeln"?
Das Ganze birgt aber auch Risiken. Die Studie der Uni Helsinki zeigt, dass mehr Computer in der Schule nicht unbedingt schlauer machen, oft im Gegenteil. Disziplinierte Schüler, die die Computer lernorientiert nutzen, profitieren. Schüler, die mit den Tablets zum Beispiel bei der Projektarbeit "daddeln", die sich ablenken lassen, werden schwächer. Laura Saarman-Töringe ist Lehrerin im Südwesten Finnlands, wo auch viel Schwedisch gesprochen wird. Sie gibt dem Lehrplan die Schuld:
"Da steht nirgendwo, was man den Kindern zu computertechnischen Fragen beibringen soll. Das Thema ist weder Bestandteil eines bestimmten Faches noch für eine bestimmte Jahrgangsstufe vorgesehen. Das ist ein großes Problem, denn so liegt die Verantwortung bei allen und niemandem."
Digitale Medien fordern Schüler und Lehrer
Sie fühlt sich allein gelassen, so wie es offenbar viele Schüler mit ihren PCs im Unterricht sind, kritisiert die Studie. Schulleiter Mikael Eriksson hält dagegen:
"Wir kennen doch alle Kinder, die fantastische Dinge im Internet gemacht haben, sowohl Schularbeiten als auch andere kreative Produktionen. Die Möglichkeiten sind enorm. Digitalisierung als große Bedrohung abzutun, ist also nicht korrekt. Es geht vielmehr darum, dass kompetente Lehrer hiermit ein weiteres tolles Instrument zur Verfügung haben."
…was die finnische Digitalexpertin Linda Mannila dann wieder relativiert:
"Die Studie bestätigt, was die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, bereits 2015 gesagt hat: Dass Lernergebnisse durch digitale Medien in den Schulen nicht besser werden. Allerdings sagt sie auch, dass Computer nicht aus der Schule wegzudenken sind. Deshalb müssen Lehrer und alle, die in Schulen arbeiten, ausreichend Zeit und Ressourcen bekommen, um die Einsatzmöglichkeiten entsprechend zu entwickeln."
Computertechnik bleibt in der Schule
Das finnische Bildungsministerium sieht die Sache offenbar ganz genau so: Computertechnik sei nun einmal eine Realität und sie werde in der Schule bleiben, denn die Schüler müssten den Umgang damit schließlich lernen. Allerdings, und das scheint die Konsequenz aus der Studie zu sein, wird das künftig wesentlich kontrollierter als bisher passieren und damit nicht mehr dümmer machen, aber wohl auch nicht mehr so viel Spaß.