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"Schulz & Böhmermann"
Theater für die Mattscheibe

Mit der ersten Sendung von "Schulz und Böhmermann" - ausgestrahlt bei ZDFneo - gibt es eine weitere Talkshow in der deutschen Fernsehlandschaft. Sie ist eine Neuauflage von vor drei Jahren, damals mit Charlotte Roche statt Olli Schulz. Vieles ist ähnlich geblieben. Und es gibt Kritik. Trotzdem ist es gutes Fernsehen, meint unser Autor Hendrik Efert.

Von Hendrik Efert |
    Olli Schulz, Jan Böhmermann
    Olli Schulz und Jan Böhmermann. (dpa / picture alliance / Henning Kaiser)
    "Das heutige Sit-In steht unter der Überschrift Trauma und Überwindung."
    Auch wenn Autorin Sibylle Berg zu Beginn der Sendung mit diesem Einleitungssatz eigentlich die Gäste der Sendung beschreiben will, so passt er auch auf die Sendung selbst. Denn anscheinend brauchte Gastgeber Jan Böhmermann über drei Jahre um sein Trauma des abrupten Endes seiner ganz ähnlich konzipierten Talkshow "Roche & Böhmermann" zu überwinden und das damals so abgefeierte Konzept nun wiederzubeleben. Diesmal mit dem neuen Partner: Olli Schulz.
    "Oder ob diese Konstellation vollkommender Bullshit ist. Wir erleben es jetzt."
    Neuauflage mit Olli Schulz
    Leider ist diese Neuauflage unter dem Namen "Schulz & Böhmermann", nicht ohne Einbeziehung der damaligen Sendung "Roche & Böhmermann" zu betrachten. Was machte also die Sendung einst zu einem so besonderen Fernsehereignis?
    Zunächst das Design: Reduziert-schick, ein dunkler runder Tisch, intime Beleuchtung, Whisky und die Erlaubnis zum Rauchen. Fünf Gäste, die mehrheitlich noch nicht durch eine hohe Talkshowbesuchsfrequenz aufgefallen sind. Und darin als Gastgeber: Jan Böhmermann, frech, anmaßend, aber gut vorbereitet und mit einer klaren Haltung. Und Charlotte Roche - anmaßend, unvorbereitet, haltlos.
    "Gerade bei der Redaktionssitzung haben wir überlegt dass deine Texte heute viel schlechter sind als die früher waren. Und deswegen dachten wir, dass die früher, weil da warst du so jung, von Fremden geschrieben worden."
    "Ich glaube, ihr beide kennt mein Album nicht."
    "Das ist erst mal ganz sicher."
    Roche und Böhmermann waren sich lediglich darin einig, jede unverblümte Frage stellen zu dürfen. Ansonsten verfolgten sie ganz unterschiedliche Konzepte: Roche hatte Lust auf Krawall, Böhmermann auf intellektuellen Schlagabtausch im Geiste der 70er-Jahre-Talkshows. Die beiden waren nicht im Reinen miteinander. Das zusammengenommen forderte sie selbst, die Gäste und die Fernsehzuschauer heraus.
    "Ich hab ja gar nichts gesagt. Mir tut das die ganze Zeit total Leid, weil Charlotte dich viel zu hart dran nimmt. Ich will nicht, dass wir hier einen Graben durch den Tisch ziehen, aber ich finde das total krass, mir tut das total Leid."
    Leider entzweite sich das ungleiche Paar nach zwei Staffeln.
    Vieles ist ähnlich geblieben
    Zurück in die Gegenwart: nun also Schulz statt Roche. Ansonsten ist vieles ähnlich - erfreulicherweise: der Tisch, die schummrige Beleuchtung, Trinken und Rauchen. Jetzt besser: Es gibt nur noch vier statt fünf Gäste. In der ersten Ausgabe: Drehbuchautorin Annika Decker, der Wetterexperte Jörg Kachelmann*, Gangsta-Rapper Kollegah und Hochstapler Gert Postel.
    "Da hab ich gleich mal eine Frage an Kollegah: Ist man als Rapper nicht auch immer gleich ein Hochstapler? Du erzählst so wahnsinnige Storys in deinen Texten, was für ein Leben du führst."
    "Also ich würde mal sagen 90 Prozent der Rapper die es gibt, sind auf jeden Fall mehr Hochstapler als er, weil er hat immerhin zwei Jahre Knasterfahrung."
    Und in der Theorie ist Olli Schulz auch definitiv der bessere Partner für Böhmermann in dieser Sendung: Im Gegensatz zu Charlotte Roche ist Schulz wahninnig unterhaltend, dabei aber äußerst uneitel und durchaus intelligent. Seit gut drei Jahren moderieren die beiden bereits gemeinsam die Radiosendung "Sanft und Sorgfältig" in der sie sich über nichts anderes als sich selbst unterhalten. Da gibt es Reibereien nur auf ironisch-überhöhtem Niveau, keine echten Auseinandersetzungen. Sie kennen sich, sie mögen sich. Leider.
    Denn in der Praxis war es mit Roche spannender. Es fehlen nun die ernsthaften Reibereien auf Moderatorenebene, das machte nämlich großen Spaß und machte die Sendung erst zu dem, was sie eigentlich sein will: eine Kritik an der Talkshow. Durch die permanente Offenlegung von Ideen, Produktionsweise und Gefühlen entlarvte "Roche & Böhmermann" den damaligen und bis heute anhaltenden Talkshowwahn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Jetzt ist es nur noch eine Talkshow.
    Liebevoll produziert
    Aber: eine gute. Eine richtig gute. Betrachtet man "Schulz & Böhmermann" ohne Einbeziehung des genialen Vorläufers muss ganz eindeutig gesagt werden: Das ist gutes Fernsehen! Liebevoll produziert, engagiert, nicht austauschbare Moderatoren und Gäste, die etwas zu erzählen haben. Oder wenn nicht, dann erzählen sie eben nichts.
    Dieser Talkshow-Darwinismus, gepaart mit ehrlicher Anarchie und großer Intimität - das macht die Sendung aus. Produktionen wie Schulz & Böhmermann sind Theater für die Mattscheibe: Verschwenderisch, weil der Aufwand hoch ist und die Anzahl der erreichten Menschen gering - und gerade deshalb so wichtig.
    *In einer früheren Version des Manuskripts war vom "ehemaligen Wetteransager" Jörg Kachelmann die Rede. Herr Kachelmann machte uns darauf aufmerksam, dass er sein Fach gelernt habe und auch heute noch für verschiedene Radiosender tätig sei.