Bettina Klein: Am Telefon begrüße ich Martin Schulz, Vorsitzender der SPE-Fraktion im Europaparlament. Sie haben gestern gesagt, die EU muss stärker Einfluss nehmen auf diesen Konflikt. Wie stellen Sie sich das genau vor?
Martin Schulz: Ich glaube, wenn man dem Bericht Ihres Korrespondenten genau zugehört hat, dass man dann ja sieht, dass es zurzeit einen absoluten Vorrang für militärische Lösungen auf israelischer Seite gibt und wenig Bereitschaft zu Verhandlungen. Aber das wird ja nicht so bleiben, auch nicht so bleiben können. Wenn das ernst genommen wird, was die israelische Regierung sagt, dass das für sie eine begrenzte Operation ist, die sich auch nicht gegen einen anderen Staat richtet, sondern gegen den Teil einer Bevölkerung eines anderen Landes, dann wird es irgendwann die Notwendigkeit zu Verhandlungen geben und zu Verhandlungslösungen. Dann braucht man Leute, die in der Lage sind, mit beiden Seiten, mit beiden Konfliktparteien oder mit allen beteiligten Regierungen und Organisationen zu reden. Ich glaube, da kommt der EU, der Europäischen Union, dann eine wichtige Funktion zu, weil neben den Vereinten Nationen nur die EU bleibt, denn die Vereinigten Staaten haben sich sichtlich durch die einseitige Parteinahme auf der Seite Israels aus der Runde der Ansprechpartner verabschiedet.
Klein: Nun sagen Sie, es wird irgendwann zu Verhandlungen kommen. Das ist natürlich sehr wünschenswert. Aber die Frage ist, wie lange das noch dauert. In dem momentanen Zustand sagen auch Sie, die Europäische Union kann eigentlich nichts machen; wir müssen warten, bis eben beide Seiten die Kampfhandlungen einstellen.
Schulz: Das kommt immer darauf an, was man unter "wir können nichts machen" versteht. Es wäre schön, wenn man durch einen Appell zu einem sofortigen Waffenstillstand kommen könnte. Das wäre ja der allererste Schritt, um überhaupt Ruhe in die Region zu bringen. Das scheint zurzeit nicht möglich zu sein. Dennoch kann die Europäische Union einiges tun. Ich glaube, dass zum Beispiel - der humanitäre Korridor ist angesprochen worden - Hilfe erforderlich ist: Hilfe erforderlich für humanitäre Zwecke, übrigens nicht nur im Süden des Libanon, sondern völlig aus dem Blick geraten ist die Situation im Gaza-Streifen. Dort bahnt sich auch immer mehr eine humanitäre Katastrophe an. Das heißt die Hilfsmittel, die finanziellen Mittel, die die EU frei machen könnte, die sollten sofort auch frei gemacht werden. Zypern, das ja das Mitgliedsland der EU ist, das am meisten die Flüchtlingswelle zurzeit aus dem Libanon zu bewältigen hat, ein kleines Land, ist überfordert mit der Situation, braucht dringend Hilfe und ich glaube, dass die EU sich bereit halten muss, um vor allen Dingen den Plan von Kofi Annan zu unterstützen, der ja gestern im Weltsicherheitsrat vorgeschlagen hat, zu einem frühest möglichen Zeitpunkt eine internationale Truppe in den Südlibanon zu entsenden, die zur Entflechtung der Konfliktparteien beitragen könnte. Das sollte die Europäische Union politisch und gegebenenfalls auch aktiv unterstützen.
Klein: Voraussetzung für eine solche Schutztruppe wäre natürlich erst mal ein Waffenstillstand und wäre das Einverständnis von Israel wie auch vom Libanon und danach sieht es im Moment jedenfalls nicht aus. Sie haben aber Hoffnung, dass es genau dazu kommen wird und dass diese Truppe auch ein robustes Mandat enthält, das eine Gewaltoption mit enthält?
Schulz: Da will ich mich nicht festlegen. Das wird davon abhängen, was der Generalsekretär im konkreten Fall dann im Weltsicherheitsrat vorträgt. Er hat ja gestern Nachmittag amerikanischer Zeit im Weltsicherheitsrat seinen Bericht abgegeben, der Generalsekretär Kofi Annan, und die Reaktionen vor allen Dingen des amerikanischen und des israelischen UNO-Botschafters geben Anlass zur Skepsis, dass es zu einem kurzfristigen Waffenstillstand kommen könnte. Der amerikanische Botschafter hat davon gesprochen, dass man mit Terroristen nur schwer verhandeln könne, und der israelische Botschafter hat ja das Bild einer Krebsoperation benutzt. Man würde ja auch bei einer Krebsoperation nicht mittendrin aufhören. Das zeigt, dass es dort offensichtlich auf der amerikanischen und israelischen Seite die Bereitschaft gibt, jetzt eine Militäraktion noch weiter durchzuführen, bis bestimmte, mir nicht näher bekannte militärische Ziele erreicht sind.
Klein: Herr Schulz, Sie haben gesagt, die Vereinigten Staaten von Amerika scheiden dann doch irgendwie aus als Vermittler, weil sie sich zu sehr auf die Seite Israels geschlagen hätten. Auf der anderen Seite können Sie sich auch vorstellen, dass die Europäische Union sich gemeinsam stärker mit den USA engagieren und gemeinsam mit ihnen gehen, denn die Überzeugung ist doch schon sehr stark verbreitet, dass es ohne die Vereinigten Staaten keine Lösung geben wird in der Region?
Schulz: Ja, das glaube ich auch. Es ist nur so, dass die Vereinigten Staaten von anderen Konfliktparteien schwerlich als Gesprächspartner akzeptiert werden. Es ist schlechterdings nicht denkbar, dass ein Land wie Syrien mit den Vereinigten Staaten von Amerika enge Kontakte pflegt. Wenn man mal die Äußerungen von George Bush in Richtung Syrien sich anschaut, ist das auch leicht nachvollziehbar. Man braucht aber trotzdem diejenigen, die die Kontakte in der Region herstellen, um einen Dialog, einen Friedensdialog, der dauerhaften Frieden bringen könnte, herzustellen. Da gab es ja das Quartett, bestehend aus der UNO, der EU, den Vereinigten Staaten und Russland.
Klein: Von dem man eigentlich nichts mehr hört!
Schulz: Zurzeit eben nicht und ich glaube, das ändert aber nichts an der Tatsache, dass man sich bereithalten muss, um den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Das Problem ist ja immer, wenn man mit solchen militärischen Aktionen konfrontiert ist, mit solch terroristischen Attacken konfrontiert ist, muss man einfach die Geduld haben. Auch wenn das jetzt kurzfristig nicht geht, auch wenn der Appell verhallt, jetzt die Waffen ruhen zu lassen, kann das ja nicht heißen, dass das immer so bleibt. Man wird sich dann bereithalten müssen und die Aktivitäten durchführen, die man durchführen kann.
Klein: Herr Schulz, Sie sprechen von Geduld. Ich würde ganz gerne noch mal auf ein wirkliches Problem, wahrscheinlich ein Kernproblem dabei kommen. Israel sagt, wir bombardieren so lange weiter, bis wir die Hisbollah vernichtet, bis wir sie erledigt haben. Es gibt Zweifel daran, ob das auf diesem Wege überhaupt möglich ist. Dahinter steht natürlich die Frage, wie ist es möglich, die Hisbollah zu entwaffnen, und auch da sehe ich eigentlich überall Resignation, weil alle sagen, das kann man gar nicht machen, das kann man denen nicht antun. Wenn man es tut, dann riskiert man einen Guerilla-, einen Bürgerkrieg. Was ist Ihre Position bei dieser Frage?
Schulz: Ich teile diese Einschätzung. Ich habe ein gewisses Verständnis für die Reaktionen der Israelis. Wir sollten uns alle immer vor Augen halten, dass wir nicht diejenigen sind, die durch Raketenbeschuss angegriffen werden. Es ist dann immer leicht, die Israelis zu kritisieren. Ich habe dafür Verständnis. Wofür ich überhaupt kein Verständnis habe ist die Fehleinschätzung. Wir sehen gerade im Irak, dass eine noch so hochgerüstete Armee am Ende einen Guerilla-Krieg nicht gewinnt. Das heißt, man wird also mit den Kräften reden müssen, die in der Lage sind, die Hisbollah im Libanon zu isolieren, das heißt zum Beispiel mit Teilen der libanesischen Regierung. Die wird aber gerade durch diese Militäraktion destabilisiert. Das heißt die Gefahr, dass man das Gegenteil von dem erreicht, was man wünscht, das ist die Gefahr, die dieser Militäraktion Israels inne wohnt. Da hoffe ich, dass sich bald die Erkenntnis durchsetzt, dass man Dialog braucht: mit den Syrern. Man braucht auch den Dialog mit der libanesischen Regierung. Man wird auch die palästinensische Autonomiebehörde wahrscheinlich brauchen zur Lösung der Konflikte in der Region. Also ich glaube Dialog ist immer besser als schießen, aber wie gesagt das sind Argumente in Europa gesprochen. In der Region verhallen sie zurzeit.
Klein: Herr Schulz, Sie haben noch nicht ganz meine Frage beantwortet. Wie stellen Sie sich denn vor, wie die Hisbollah entwaffnet werden könnte, wenn es durch die Militäraktion nicht zu schaffen ist? Einbindung, fragen was möchtet ihr und sich dort auf gütlichem Wege irgendwie einigen oder wie?
Schulz: Die Einschätzung, dass man die Hisbollah entwaffnen könnte, ist eine Einschätzung der israelischen Armee. Ich vermag nicht nachzuvollziehen, wie das gehen soll. Die Hisbollah hat sich über Jahre in einem Teil des Libanons auch den Ruf einer Ordnungsmacht im südlichen Libanon erworben. Ich vermag auch nicht einzuschätzen, über wie viele Waffen die Hisbollah verfügt und wo die sich befinden. Da hat die israelische Armee möglicherweise bessere Erkenntnisse. Ich wage nur den Zweifel, dass man sie so vollständig entwaffnen kann.
Was tut man also, um die Hisbollah wieder einzubinden oder um sie zu isolieren? - Ich wiederhole: die Hisbollah ist ein Teil der libanesischen Bevölkerung. Der größte Teil der libanesischen Bevölkerung, scheint mir, hat von der Hisbollah zurzeit relativ genug, denn wenn man den Äußerungen libanesischer Politiker und Bürgerinnen und Bürger folgt, geben die ja der Hisbollah ein enormes Maß an Mitschuld an der Destabilisierung des Landes. Das heißt die Hisbollah im Lande selbst zu isolieren, sie abzuschneiden von der Solidarität, die sie bisher zu Teilen in der Bevölkerung hatte, das geht nur über den Dialog zum Beispiel mit der libanesischen Regierung. Ich wiederhole: die wird gerade durch die Militäraktion ziemlich destabilisiert.
Martin Schulz: Ich glaube, wenn man dem Bericht Ihres Korrespondenten genau zugehört hat, dass man dann ja sieht, dass es zurzeit einen absoluten Vorrang für militärische Lösungen auf israelischer Seite gibt und wenig Bereitschaft zu Verhandlungen. Aber das wird ja nicht so bleiben, auch nicht so bleiben können. Wenn das ernst genommen wird, was die israelische Regierung sagt, dass das für sie eine begrenzte Operation ist, die sich auch nicht gegen einen anderen Staat richtet, sondern gegen den Teil einer Bevölkerung eines anderen Landes, dann wird es irgendwann die Notwendigkeit zu Verhandlungen geben und zu Verhandlungslösungen. Dann braucht man Leute, die in der Lage sind, mit beiden Seiten, mit beiden Konfliktparteien oder mit allen beteiligten Regierungen und Organisationen zu reden. Ich glaube, da kommt der EU, der Europäischen Union, dann eine wichtige Funktion zu, weil neben den Vereinten Nationen nur die EU bleibt, denn die Vereinigten Staaten haben sich sichtlich durch die einseitige Parteinahme auf der Seite Israels aus der Runde der Ansprechpartner verabschiedet.
Klein: Nun sagen Sie, es wird irgendwann zu Verhandlungen kommen. Das ist natürlich sehr wünschenswert. Aber die Frage ist, wie lange das noch dauert. In dem momentanen Zustand sagen auch Sie, die Europäische Union kann eigentlich nichts machen; wir müssen warten, bis eben beide Seiten die Kampfhandlungen einstellen.
Schulz: Das kommt immer darauf an, was man unter "wir können nichts machen" versteht. Es wäre schön, wenn man durch einen Appell zu einem sofortigen Waffenstillstand kommen könnte. Das wäre ja der allererste Schritt, um überhaupt Ruhe in die Region zu bringen. Das scheint zurzeit nicht möglich zu sein. Dennoch kann die Europäische Union einiges tun. Ich glaube, dass zum Beispiel - der humanitäre Korridor ist angesprochen worden - Hilfe erforderlich ist: Hilfe erforderlich für humanitäre Zwecke, übrigens nicht nur im Süden des Libanon, sondern völlig aus dem Blick geraten ist die Situation im Gaza-Streifen. Dort bahnt sich auch immer mehr eine humanitäre Katastrophe an. Das heißt die Hilfsmittel, die finanziellen Mittel, die die EU frei machen könnte, die sollten sofort auch frei gemacht werden. Zypern, das ja das Mitgliedsland der EU ist, das am meisten die Flüchtlingswelle zurzeit aus dem Libanon zu bewältigen hat, ein kleines Land, ist überfordert mit der Situation, braucht dringend Hilfe und ich glaube, dass die EU sich bereit halten muss, um vor allen Dingen den Plan von Kofi Annan zu unterstützen, der ja gestern im Weltsicherheitsrat vorgeschlagen hat, zu einem frühest möglichen Zeitpunkt eine internationale Truppe in den Südlibanon zu entsenden, die zur Entflechtung der Konfliktparteien beitragen könnte. Das sollte die Europäische Union politisch und gegebenenfalls auch aktiv unterstützen.
Klein: Voraussetzung für eine solche Schutztruppe wäre natürlich erst mal ein Waffenstillstand und wäre das Einverständnis von Israel wie auch vom Libanon und danach sieht es im Moment jedenfalls nicht aus. Sie haben aber Hoffnung, dass es genau dazu kommen wird und dass diese Truppe auch ein robustes Mandat enthält, das eine Gewaltoption mit enthält?
Schulz: Da will ich mich nicht festlegen. Das wird davon abhängen, was der Generalsekretär im konkreten Fall dann im Weltsicherheitsrat vorträgt. Er hat ja gestern Nachmittag amerikanischer Zeit im Weltsicherheitsrat seinen Bericht abgegeben, der Generalsekretär Kofi Annan, und die Reaktionen vor allen Dingen des amerikanischen und des israelischen UNO-Botschafters geben Anlass zur Skepsis, dass es zu einem kurzfristigen Waffenstillstand kommen könnte. Der amerikanische Botschafter hat davon gesprochen, dass man mit Terroristen nur schwer verhandeln könne, und der israelische Botschafter hat ja das Bild einer Krebsoperation benutzt. Man würde ja auch bei einer Krebsoperation nicht mittendrin aufhören. Das zeigt, dass es dort offensichtlich auf der amerikanischen und israelischen Seite die Bereitschaft gibt, jetzt eine Militäraktion noch weiter durchzuführen, bis bestimmte, mir nicht näher bekannte militärische Ziele erreicht sind.
Klein: Herr Schulz, Sie haben gesagt, die Vereinigten Staaten von Amerika scheiden dann doch irgendwie aus als Vermittler, weil sie sich zu sehr auf die Seite Israels geschlagen hätten. Auf der anderen Seite können Sie sich auch vorstellen, dass die Europäische Union sich gemeinsam stärker mit den USA engagieren und gemeinsam mit ihnen gehen, denn die Überzeugung ist doch schon sehr stark verbreitet, dass es ohne die Vereinigten Staaten keine Lösung geben wird in der Region?
Schulz: Ja, das glaube ich auch. Es ist nur so, dass die Vereinigten Staaten von anderen Konfliktparteien schwerlich als Gesprächspartner akzeptiert werden. Es ist schlechterdings nicht denkbar, dass ein Land wie Syrien mit den Vereinigten Staaten von Amerika enge Kontakte pflegt. Wenn man mal die Äußerungen von George Bush in Richtung Syrien sich anschaut, ist das auch leicht nachvollziehbar. Man braucht aber trotzdem diejenigen, die die Kontakte in der Region herstellen, um einen Dialog, einen Friedensdialog, der dauerhaften Frieden bringen könnte, herzustellen. Da gab es ja das Quartett, bestehend aus der UNO, der EU, den Vereinigten Staaten und Russland.
Klein: Von dem man eigentlich nichts mehr hört!
Schulz: Zurzeit eben nicht und ich glaube, das ändert aber nichts an der Tatsache, dass man sich bereithalten muss, um den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Das Problem ist ja immer, wenn man mit solchen militärischen Aktionen konfrontiert ist, mit solch terroristischen Attacken konfrontiert ist, muss man einfach die Geduld haben. Auch wenn das jetzt kurzfristig nicht geht, auch wenn der Appell verhallt, jetzt die Waffen ruhen zu lassen, kann das ja nicht heißen, dass das immer so bleibt. Man wird sich dann bereithalten müssen und die Aktivitäten durchführen, die man durchführen kann.
Klein: Herr Schulz, Sie sprechen von Geduld. Ich würde ganz gerne noch mal auf ein wirkliches Problem, wahrscheinlich ein Kernproblem dabei kommen. Israel sagt, wir bombardieren so lange weiter, bis wir die Hisbollah vernichtet, bis wir sie erledigt haben. Es gibt Zweifel daran, ob das auf diesem Wege überhaupt möglich ist. Dahinter steht natürlich die Frage, wie ist es möglich, die Hisbollah zu entwaffnen, und auch da sehe ich eigentlich überall Resignation, weil alle sagen, das kann man gar nicht machen, das kann man denen nicht antun. Wenn man es tut, dann riskiert man einen Guerilla-, einen Bürgerkrieg. Was ist Ihre Position bei dieser Frage?
Schulz: Ich teile diese Einschätzung. Ich habe ein gewisses Verständnis für die Reaktionen der Israelis. Wir sollten uns alle immer vor Augen halten, dass wir nicht diejenigen sind, die durch Raketenbeschuss angegriffen werden. Es ist dann immer leicht, die Israelis zu kritisieren. Ich habe dafür Verständnis. Wofür ich überhaupt kein Verständnis habe ist die Fehleinschätzung. Wir sehen gerade im Irak, dass eine noch so hochgerüstete Armee am Ende einen Guerilla-Krieg nicht gewinnt. Das heißt, man wird also mit den Kräften reden müssen, die in der Lage sind, die Hisbollah im Libanon zu isolieren, das heißt zum Beispiel mit Teilen der libanesischen Regierung. Die wird aber gerade durch diese Militäraktion destabilisiert. Das heißt die Gefahr, dass man das Gegenteil von dem erreicht, was man wünscht, das ist die Gefahr, die dieser Militäraktion Israels inne wohnt. Da hoffe ich, dass sich bald die Erkenntnis durchsetzt, dass man Dialog braucht: mit den Syrern. Man braucht auch den Dialog mit der libanesischen Regierung. Man wird auch die palästinensische Autonomiebehörde wahrscheinlich brauchen zur Lösung der Konflikte in der Region. Also ich glaube Dialog ist immer besser als schießen, aber wie gesagt das sind Argumente in Europa gesprochen. In der Region verhallen sie zurzeit.
Klein: Herr Schulz, Sie haben noch nicht ganz meine Frage beantwortet. Wie stellen Sie sich denn vor, wie die Hisbollah entwaffnet werden könnte, wenn es durch die Militäraktion nicht zu schaffen ist? Einbindung, fragen was möchtet ihr und sich dort auf gütlichem Wege irgendwie einigen oder wie?
Schulz: Die Einschätzung, dass man die Hisbollah entwaffnen könnte, ist eine Einschätzung der israelischen Armee. Ich vermag nicht nachzuvollziehen, wie das gehen soll. Die Hisbollah hat sich über Jahre in einem Teil des Libanons auch den Ruf einer Ordnungsmacht im südlichen Libanon erworben. Ich vermag auch nicht einzuschätzen, über wie viele Waffen die Hisbollah verfügt und wo die sich befinden. Da hat die israelische Armee möglicherweise bessere Erkenntnisse. Ich wage nur den Zweifel, dass man sie so vollständig entwaffnen kann.
Was tut man also, um die Hisbollah wieder einzubinden oder um sie zu isolieren? - Ich wiederhole: die Hisbollah ist ein Teil der libanesischen Bevölkerung. Der größte Teil der libanesischen Bevölkerung, scheint mir, hat von der Hisbollah zurzeit relativ genug, denn wenn man den Äußerungen libanesischer Politiker und Bürgerinnen und Bürger folgt, geben die ja der Hisbollah ein enormes Maß an Mitschuld an der Destabilisierung des Landes. Das heißt die Hisbollah im Lande selbst zu isolieren, sie abzuschneiden von der Solidarität, die sie bisher zu Teilen in der Bevölkerung hatte, das geht nur über den Dialog zum Beispiel mit der libanesischen Regierung. Ich wiederhole: die wird gerade durch die Militäraktion ziemlich destabilisiert.