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Schuster (CDU) zur Rückführung von Islamisten
"Für unsere Sicherheitsbehörden ist das Routine"

CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sieht die deutschen Sicherheitsbehörden für die Rückführung deutscher Islamisten aus türkischen Gefängnissen gut aufgestellt. Schwieriger sei die große Zahl der Verdachtsfälle - potentielle Gefährder, die schon in Deutschland seien und sich selbst radikalisierten, sagte er im Dlf.

Armin Schuster im Gespräch mit Stefan Heinlein | 14.11.2019
29.10.2019, Berlin: Armin Schuster (CDU), Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag.
CDU-Innenpolitiker Armin Schuster: "Wir nehmen zurück, was wir müssen" (Michael Kappeler / dpa)
Stefan Heinlein: Niemand kennt die genaue Zahl, doch sicher ist: Auch aus Deutschland gingen in den vergangenen Jahren Männer und Frauen nach Syrien und in den Irak, um dort für die Terrormiliz Islamischer Staat zu kämpfen. Mittlerweile scheint der IS militärisch weitgehend besiegt. Das Kalifat hat aufgehört zu existieren. Doch die militanten Islamisten sind nicht verschwunden. Viele sind untergetaucht oder freiwillig in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Rund 10.000 IS-Kämpfer und ihre Familien leben in Gefangenenlagern im Nordosten Syriens. Auch in der Türkei sitzen IS-Anhänger in Gefängnissen, darunter fast 800 ausländische Staatsbürger. Präsident Erdogan hat nun die Abschiebung der IS-Anhänger und Sympathisanten in ihre Herkunftsländer angeordnet - auch nach Deutschland.
Am Telefon ist nun der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster, zugleich Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Guten Morgen, Herr Schuster.
Armin Schuster: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Wir haben es gehört: Heute kommt eine Salafisten-Familie mit fünf Kindern aus der Türkei zu uns nach Deutschland. Muss uns das Sorgen bereiten?
Schuster: Also jedenfalls nicht so große, wie die Meldungen jetzt am Montag ein bisschen ins Kraut geschossen sind. Da waren teilweise wirklich grobe Falschmeldungen dabei. Die Familie, die jetzt heute kommt, würde ich nicht als ungefährlich bezeichnen, weil sie sind nun mal ausgereist mit der Motivation, auch aus salafistischen Kreisen im Umkreis von Hildesheim, und dann kann man sich vorstellen, welches Gedankengut da ist. Aber es sind jedenfalls keine hochkarätig schwerwiegenden Fälle: Soweit wir wissen, waren sie nicht in Syrien. Sie haben nicht an Kampfhandlungen teilgenommen. Sie sind für uns eigentlich der schwierigere Fall. Sie werden unsere Sicherheitsbehörden beschäftigen, weil wir solche Personen natürlich überwachen. Und das ist vielleicht eine Chance: Wir werden versuchen, mit unseren Deradikalisierungsprogrammen diese Gefährlichkeit zu mindern.
Heinlein: Die Türkei scheint ja diese Familie als gefährlich einzustufen. Zumindest die Eltern waren in der Türkei in Haft. Was wissen Sie darüber? Warum waren sie in türkischen Gefängnissen?
Schuster: Darüber weiß ich selber jetzt nichts, weil das natürlich eine Sache der Sicherheitsbehörden ist. Ich weiß, dass die relativ gut informiert sind. Ich kann zumindest so viel sagen, dass sich die Sicherheitsbehörden im Moment nicht darüber beklagen, in welcher Form die Türkei abschiebt. Die Vorankündigungszeit auch für diese Familie war ausreichend, die Informationslage wohl auch. Und die Familie ist ja bei den niedersächsischen Behörden auch bekannt.
Heinlein: Warum wissen die Sicherheitsbehörden mehr als Sie, als Innenpolitiker und als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums?
Schuster: Na ja. Ich bin ja als Politiker für die großen Fragen zuständig - und nicht für die Frage, was genau wird da wem vorgeworfen. Das ist immer noch Aufgabe der Bundesanwaltschaft oder der Staatsanwaltschaften. Wir beschäftigen uns mit der Frage, beispielsweise auch im Parlamentarischen Kontrollgremium, wie gut sind unsere Behörden vorbereitet, stehen die Kommunikationswege? Die politische Fragen, die der Kollege Thomae aufgeworfen hat, sind schon eher für uns relevant. Muss Deutschland, wie das die Opposition fordert, die quasi im Sammeltransport zurücknehmen oder nicht? Ich halte diese Vorstellung für relativ naiv. Aber das sind politische Debatten, die wir führen müssen.
Behandlung durch Polizei und Nachrichtendienste
Heinlein: Wie werden denn die Rückkehrer, nicht nur die Familie heute, sondern die, die noch kommen werden zu uns nach Deutschland, von den deutschen Sicherheitsbehörden empfangen?
Schuster: Das ist eine Frage, was gegen denjenigen vorliegt. Wir haben ja Fälle, da haben wir Haftbefehle. Das heißt, da kommt der Deutsche aus der Türkei oder Syrien am Flughafen an und geht direkt in Haft. Das ist dann in der Regel ein Haftbefehl, der vollstreckt wird durch die Landeskriminalämter. Die Verfahren führt meistens der Generalbundesanwalt. Das ist die einfache Kategorie: die gehen in Haft.
Die zweite ist etwas schwieriger. Das sind die beiden Damen, die jetzt zurückkommen. Da gibt es einen Ermittlungsvorgang und einen Prüfvorgang beim Generalbundesanwalt, die werden auch von dem im Empfang genommen. Dann geht es in Vernehmungen, gegebenenfalls Durchsuchungen et cetera - und dann ist die Frage, hat man zureichende Anhaltspunkte für einen Haftbefehl. Wenn man die nicht hat, dann kommen die beiden auf freien Fuß, bleiben aber dann eben nicht unbewacht. Wenn ein Ermittlungsvorgang läuft, ist es eher Angelegenheit der Polizei, die zu überwachen. Ist es nur eine abstrakte Gefahr, wenn man nicht mal konkrete Verdachtsmomente hat, wenn keine abstrakte Gefährlichkeit da ist, dann ist es ein Fall für die Nachrichtendienste, also für den Verfassungsschutz. Das ist Routine für diese Behörden.
Schuster "Wenige Verdachtsfälle für dauergehende Observation"
Heinlein: Wie aufwendig ist denn eine solche Überwachung von Familien, Kindern, Frauen und Männern, wenn es keinen konkreten Tatvorwurf gibt? Muss dann die Polizei 24 Stunden aufpassen, dass diese Salafisten, diese Islamisten hier in Deutschland nicht aktiv werden?
Schuster: Da ist alles vorstellbar. Es gibt wirklich die Fälle, die genau dieses Szenario erfordern, eine dauerhaft gehende Observation. Das sind eher weniger Verdachtsfälle. Die größte Zahl ist noch schwieriger. Da musst du als Polizei oder Verfassungsschutz genau das richtige Maß finden, wann muss ich hinschauen, was sie wo tun - Stichwort Moschee-Gemeinden und so weiter. Aber alles in allem - das sage ich Ihnen ganz offen, Herr Heinlein - ist das für die Polizei und den Verfassungsschutz noch eher der einfache Fall, weil man kennt sie.
Heinlein: Was sind denn die schwierigen Fälle?
Schuster: Das sind die selbstradikalisierenden, die schon in Deutschland sind. Das sind die, wo wir nicht wissen, wann kommt der Ausbruch, was tun die da im Internet. Typen, die Du nicht auf dem Schirm hast, die es aber natürlich gibt. Deswegen würde ich sagen, wir dürfen jetzt nicht zu hysterisch reagieren. Für unsere Sicherheitsbehörden ist das Routine. Das sehen Sie auch an der professionellen Handhabung des LKA Niedersachsen. Der LKA-Chef hat ja schon Interviews gegeben wegen der Rückkehrer in Richtung Hannover. Das macht mir nicht so große Sorgen, das kriegen die hin. Aber vielleicht haben Sie jetzt auch Verständnis, warum wir nicht en gros mal eben 30, 40 solcher Menschen in Syrien abholen und hier nach Deutschland bringen. Ich glaube, für unsere Sicherheitsbehörden ist es sehr gut, wenn wir zurücknehmen, was wir müssen. Da diskutieren wir auch nicht. Die Türken wissen das und beklagen sich übrigens auch nicht über uns. Aber wir müssen nicht ohne Not diese Fälle auch noch in die Höhe treiben. Wer zurück will und Deutscher ist und das nachweisen kann, der kommt zurück, aber wir sprechen keine Einladungen aus.
Heinlein: Aber, Herr Schuster, Sie wissen es: Die Bundesregierung beklagt seit langem die mangelnde Bereitschaft von Ländern wie Marokko, Straftäter aufzunehmen, die aus Deutschland abgeschoben werden. Jetzt sagen Sie, Deutschland will da nicht aktiv werden und ohne Not Menschen zurückholen, die hier gefährlich werden könnten. Misst die Bundesregierung, misst Deutschland da nicht mit zweierlei Maß?
Schuster: "Türkische Klagen nicht über Deutschland"
Schuster: Nein! Wir machen genau das, was wir auch von anderen Ländern erwarten. Ich habe jetzt nicht die Vorstellung, dass Marokko durch Deutschland fährt und quasi im Sammeltransport alle einsammelt. Das ist gar nicht das, was wir erwarten. Wenn die Türkei sagt, wir möchten jemanden abschieben, dann läuft ein ganz normales Prozedere, wo wir uns weder störrisch noch sperrig verhalten. Dann läuft genau das ab, was bei einer Abschiebung ablaufen muss. Deswegen hat die türkische Regierung übrigens in den vergangenen Tagen noch einmal klargestellt, das weiß ich aus Gesprächen, dass sie sich gar nicht über Deutschland beklagt. Sie beklagt sich über europäische Länder, die diese Aufnahme verweigern.
Heinlein: Man konnte aber in den letzten Tagen durchaus den Eindruck bekommen, dass die Bundesregierung aktuell durch die Türkei durchaus überrumpelt wird mit dieser Abschiebung der Familien. Oder gab es da ausreichend im Vorfeld Absprachen und Informationen?
Schuster: Wir haben das kritisch hinterfragt, auch in der Türkei. Für einen Abschiebevorgang brauchst Du normalerweise nicht einen türkischen Präsidenten oder einen Minister, der dazu Presse macht. Deswegen haben wir schon die Frage gestellt: Ist das eigentlich politisch motiviert? Und die Antwort war, dass Deutschland nicht ihr Problem sei, weil man weiß, dass wir unsere Deutschen zurücknehmen, sobald der Antrag gestellt wird. Es gibt andere Länder in Europa, an die war diese Botschaft gemünzt. Von daher gibt es eigentlich für uns kein Problem. Aber noch einmal: Die Kurden beispielsweise, die ja noch eine Reihe von Deutschen in ihren Gefängnissen sitzen haben, die geben die gar nicht gerne frei, auch wenn wir es wollten, weil sie die für so gefährlich halten, dass sie sagen: Nein, die sind bei uns sicher in Haft und wir möchten nicht, wenn ich die freilasse, dass sie sich neu formieren und wieder hier unten auftauchen. Es ist nicht so, dass wir da in irgendeiner Weise nicht unserer Verpflichtung nachkommen - könnten wir auch nicht, haben Sie völlig recht. Wir wollen auch jede Woche abschieben.
Verständnis für Türkei
Heinlein: Nun haben Sie durchaus politische Motive hinter dem Auftritt Erdogans in Sachen Abschiebung vermutet. Ankara hat ja auch erklärt, die Türkei sei kein Hotel für verhaftete IS-Kämpfer. Da kann man durchaus den Vorwurf an die Bundesregierung herauslesen, dass man die Dinge einfach aussitzen will.
Schuster: Ich sehe es politisch eher etwas größer. Da bin ich durchaus bereit, die Klage der Türken auch zu akzeptieren. Wir machen uns zu selten deutlich, wie viele Flüchtlinge die Türkei in ihrem Land hat. Dass darunter auch etliche Gefährder sind, ist ja völlig klar. Und dass die Türken jetzt - das halte ich jetzt nicht für erpresserisch, wie das oft kommentiert wird - sagen, für uns ist jetzt auch mal das Ende der Fahnenstange, sowohl bei der Anzahl der Flüchtlinge als auch bei der Anzahl der Gefährder, die wir für Europa hier beherbergen, dafür habe ich Verständnis. Und deswegen sperren wir uns auch überhaupt nicht, die 20 zu nehmen, die jetzt avisiert sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.