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Schwarzer Block in Italien
Die Lust am Chaos

Er gilt als die Keimzelle der Gewalt: Der Schwarze Block in Italien und Europa ist eine gut organisierte und relativ kleine Gruppe, der es aber gelingt, bei Demonstrationen mehrere Tausend Menschen zu mobilisieren. Oft endet das dann in Gewalt. Ihr nächstes Ziel: Der G7-Gipfel auf Schloss Elmau.

Von Tillmann Kleinjung | 01.06.2015
    Die Einladungen sind bereits verschickt. In italienischen Internetforen und sozialen Netzwerken finden sich jede Menge Aufrufe, Anfang Juni nach Bayern zu kommen. Und auf der Facebook-Seite einer Gruppe namens "Wir ehrenwerten Italiener" heißt es:
    "Die Barrieren, die ihrer errichtet, werden unseren Marsch nicht aufhalten."
    Genau solche Andeutungen allarmieren die Sicherheitskräfte. Und das sollten sie auch, sagt Franco Fracassi:
    "Italien ist eine Brutstätte des Schwarzen Blocks, das ist also ein echtes Problem. Wenn ich die deutsche Regierung wäre, würde ich großen Druck auf die italienische Regierung und unseren Innenminister Alfano ausüben, um zu verhindern, dass diejenigen, die der Polizei wohl bekannt sind, nach Deutschland reisen."
    Gut ausgerüstet und gewaltbereit
    Franco Fracassi ist ein ausgewiesener Kenner der gewaltbereiten, autonomen Szene in Italien. Er hat Bücher über den Chaos Gipfel von Genua 2001 geschrieben und den "black block", den Schwarzen Block. Dieser gilt als Keimzelle von gewalttätigen Protesten wie zuletzt am 1. Mai in Mailand, als die Weltausstellung eröffnet wurde.
    Demonstranten brannten Autos nieder, zerstörten Schaufensterscheiben und Bankfilialen. Die Gewalttäter waren gut ausgerüstet, mit Werkzeug und Rauchbomben. Geschützt mit Motorradhelmen und Gasmasken. Stadtguerilla. Innenminister Angelino Alfano will die Szenen von Mailand zum Anlass nehmen, das auch in Italien gültige Vermummungsverbot künftig konsequent umzusetzen.
    "Wir müssen das, was heute als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, nämlich das Sich-Vermummen, in eine richtige Straftat ummünzen. Es muss hohe Strafen geben, die die abschrecken, die sich bei Demonstrationen vermummen."
    Bisher hatten die Abschreckungsmaßnahmen der italienischen Polizei wenig Erfolg. Und das obwohl der Polizei die meisten Gewalttäter des Schwarzen Blocks namentlich bekannt sind, sagt Franco Fracassi.
    "Diese Keimzelle besteht aus Leuten, die oft in Kommunen leben, ihren eigenen Lebensstil pflegen und, so absurd es sich auch anhört, ihre Ethik haben. Diese Ethik besagt, dass sie dem Kapitalismus und Liberalismus den Kampf angesagt haben, also reagieren sie sich an dessen Symbolen, an Banken, Versicherungen, an Luxusgeschäften und -limousinen ab und zerstören sie."
    Anziehungspunkt für Hooligans und Co
    Der Schwarze Block in Italien und Europa ist eine gut organisierte und relativ kleine Gruppe. Fracassi schätzt die Zahl der Aktivisten auf einige Hundert. Bei den Demonstrationen, die aus dem Ruder laufen, sind es aber oft Tausende, die Autos in Brand setzen und sich Straßenschlachten mit der Polizei liefern. Wer sind all die anderen? Immer wieder mischen sich Hooligans unter die Demonstranten, links- aber auch rechtsextreme Gruppen, die autonome Szene. Sie alle eint der Wunsch, größtmögliches Chaos anzurichten. Ob in Frankfurt, Mailand oder Elmau.
    "Wenn man ins Internet geht, findet man sofort den Aufruf: Lasst uns nach München fahren, alles zerschlagen, wir prügeln uns mit der Polizei und alle sind zufrieden. Für sie ist das Urlaub, wie andere nach Ibiza zum Tanzen fliegen, schlagen sie in München alles kurz und klein.
    Oder auch in Mailand. Sie können's nicht abwarten, sich so zu vergnügen. Sie können's nicht abwarten, dass die Polizei irgendetwas unternimmt, damit sie aufeinander losgehen können."
    Es gäbe ein einfaches Mittel gegen diesen Chaos Tourismus, zum Beispiel ein Ausreiseverbot, eine Art Stadionverbot wie bei Fußballrowdys. Ob die italienischen Behörden polizeibekannte Gewalttäter daran hindern wollen, zum G7 Gipfel nach Bayern zu reisen, wollte das italienische Innenministerium auf Nachfrage nicht mitteilen.