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Schweiz
Handschlag-Verbot für zwei muslimische Schüler

Weil sich zwei muslimische Schüler weigerten, ihrer Lehrerin die Hand zu geben, ist ihnen nun auch der Händedruck mit dem männlichen Lehrpersonal untersagt. Diesen drastischen Schritt hat eine Sekundarschule im Schweizer Kanton Basel-Land vollzogen. Das schlägt jetzt Wellen bis hinauf ins Bildungsministerium des Kantons.

Von Elmar Plozza | 08.04.2016
    Farbfoto, Nahaufnahme, Handschlag zwischen Mann und Frau über einem Plan, Symbolfoto
    Der Händedruck gehöre zur Schweizer Kultur, betont die Schweizer Justizministerin S. Sommaruga. (IMAGO/Westend61)
    Jürg Lauener, der Rektor der Sekundarschule in der Gemeinde Therwil bei Basel, geriet diese Woche ganz unvermittelt ins öffentliche Rampenlicht. Durch Medienberichte wurde nämlich bekannt, dass es an seiner Schule eine Sonderregelung gibt für zwei muslimische Schüler, die sich weigern, Lehrerinnen die Hand zu geben. Man habe den beiden Schülern ja nicht einfach nur nachgegeben, sondern einen Kompromiss geschlossen, rechtfertigt sich der Rektor. So ist vereinbart, dass die beiden Schüler auch den männlichen Lehrpersonen die Hand nicht mehr geben dürfen.
    "Sie dürfen den Lehrern und Lehrerinnen die Hand nicht mehr geben. Damit ist die Diskriminierungsfrage für uns beseitigt."
    Schüler verweigern Frauen den Händedruck aus religiösen Gründen
    Für die Öffentlichkeit ist das Thema damit aber keineswegs abgehakt. Denn auch wenn die Schulleitung von einem Kompromiss spricht, ist klar: Die Wurzel des ganzen Konflikts liegt darin begründet, dass zwei Schüler aus religiösen Gründen Frauen den Händedruck verweigern. Ganz wohl scheint es dabei auch dem Therwiler Schulrektor nicht zu sein. Nachdem seine Schule im November die Sonderregelung vereinbart hatte, informierte er das Bildungsministerium des Kantons Basel-Land. Rektor Laueners Anliegen: Der Kanton soll möglichst bald Vorschriften oder Empfehlungen für solche Situationen herausgeben.
    "Das ist ein Problem, das in allen Schulen auftauchen kann. Da denke ich, dass es Sinn macht, dass der Kanton Handlungsempfehlungen herausgibt, damit die Schulen eine Orientierung haben, wie sie sich verhalten sollen in gewissen Situationen."
    Gleichstellung der Geschlechter ist nicht verhandelbar
    Angesprochen ist also Monica Gschwind, die Bildungsministerin des Kantons. Die Politikerin attestiert der Schulleitung von Therwil, sie habe in einer schwierigen Situation pragmatisch gehandelt. Gleichzeitig macht sie deutlich:
    "Für mich handelt es sich nicht um eine abschliessende Lösung. Wir haben ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben, wie wir in Zukunft mit dieser Thematik umgehen wollen."
    Dieses Gutachten soll dann tatsächlich eine Handlungsempfehlung für Schulen enthalten für Fälle, in denen Schüler den Lehrerinnen die Hand nicht mehr geben wollen. Wie diese Empfehlung aussehen wird, kann die Bildungsministerin natürlich nicht vorwegnehmen. Sie betont aber, dass die Gleichstellung der Geschlechter nicht verhandelbar sei. Noch deutlicher wird Beat Zemp, der Präsident des Schweizerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes. Er zeigt wenig Verständnis für den Weg, den die Sekundarschule in Therwil gewählt hat.
    "Das ist für mich ein Novum, dass den Schülern erlaubt wird, den Lehrpersonen den Händedruck zu verweigern. Ich halte das für keine gute Lösung. Weil es sollten eigentlich bei allen Schülerinnen und Schülern die gleichen Regeln gelten."
    Sonderregelung sendet ein falsches Signal aus
    Mit der Sonderregelung werde ein falsches Signal ausgesendet. Und zwar auch für die beiden betroffenen Schüler selber, so Beat Zemp. Denn die beiden würden ja auch später im Berufsleben mit Frauen zu tun haben. Mit Arbeitskolleginnen, Chefinnen oder Kundinnen. Die Handschlag-Diskussion beschäftigt auch die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz. Konservative Muslime argumentieren bisweilen, eine Frau nicht zu berühren, sei eine Form des Respekts. Deutlicher Widerspruch kommt hier von der Politikwissenschaftlerin Elham Manea, einer liberalen Muslimin.
    "Es geht nicht um Respekt. Es geht um eine Weltanschauung, die die Frau als sexuelles Objekt betrachtet."
    Hier müsse man ein Stoppsignal setzen, sonst würden fundamentalistisch denkende Muslime immer weitere Ausnahmeregelungen fordern. Nach einigem Zögern und Zaudern hat jetzt auch der wichtigste islamische Dachverband in der Schweiz Position bezogen. Laut islamischen Gelehrten sei der einfache Händedruck zwischen Mann und Frau zur Begrüssung erlaubt, heisst es in einer Medienmitteilung. Und inzwischen hat sich selbst die Schweizer Justizministerin in der Diskussion zu Wort gemeldet. Der Händedruck gehöre zur Schweizer Kultur, erklärte die Sozialdemokratin, eine Verweigerung sei auch unter dem Titel der Religionsfreiheit nicht zu akzeptieren.