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Schweizer Presse in Nöten

Mit Fusionen und Kostensenkungen reagieren Schweizer Zeitungsmacher auf die Wirtschaftskrise und den geschrumpften Anzeigenmarkt. Nummer vier und fünf im Schweizer Zeitungsgeschäft - der Zeitungsverlag "Tamedia" und sein Konkurrent "Edipresse" - wollen zusammengehen, und selbst das Schweizer Flaggschiff, die "Neue Zürcher Zeitung", hat Sorgenfalten.

Von Klaus Amann |
    In einem aktuellen Leitartikel der "Neuen Zürcher Zeitung wird vom "Untergang der alten Medien - Schweiz" gesprochen. Der Ausleseprozess werde den Schweizer Blätterwald auslichten, und es scheine nicht mehr abwegig, dass künftig nur noch zwei bis drei Medienunternehmen den Markt in der Schweiz prägen werden. Hingegen meinte Pietro Supino, Verwaltungsratspräsident der "Tamedia"- Verlagsgruppe im Schweizer Fernsehens, durch die Fusion mit der "Edipresse" solle die Qualität der Medienprodukte gesteigert werden. Mit der Fusion wolle man auch neue Medienangebote entwickeln und den Medienraum Schweiz bereichern.

    Es wird sich erst noch zeigen, wie die Zukunft so traditionsreicher Zeitungstitel wie "Berner Zeitung" oder "Der Bund" mittel- bis langfristig beschaffen ist. Auch die "Neue Zürcher Zeitung" mit einer derzeit im In- und Ausland verkauften Tagesauflage von 145.000 Exemplaren muss Konsequenzen aus der zunehmend auseinanderklaffenden Schere von Ertrag und Kosten ziehen. 30 Arbeitsplätze sollen zur Disposition stehen, eine Zahl, die Chefredakteur Markus Spillmann nicht bestätigt. In keinem Fall aber werde man den hohen publizistischen Anspruch der "Neuen Zürcher Zeitung" aufgeben, die Auflage sei stabil und die Finanzierung der "NZZ" grundsolide.

    "Zusammenfassend kann man sagen, dass wir zur Zeit alles überprüfen, zum Teil auch überprüfen müssen, weil aufgrund der aktuellen Situation im Werbemarkt, die Werbeumsätze sind drastisch eingebrochen. Wir haben eine der schwersten Konjunkturkrisen seit vielen Jahrzehnte. Im Printbereich erleben wir, abgesehen von den gesamtwirtschaftlichen Folgen, die das hat, zwingt uns auch aus produktionstechnischen Gründen unsere Blattarchitektur zu überprüfen. Wir verbinden das aber mit einer generellen Überarbeitung der Inhalte, der Ausrichtung, auch des Layouts, der visuellen Gestaltung. Das sind Sachen, die wir ohnehin geplant haben und die wir nun vorziehen, um eben auch adäquat die Krise als Chance zu nutzen."

    Noch leistet sich die "Neue Zürcher Zeitung" ein weltumspannendes, exklusives Netz an hauseigenen Korrespondenten. Ihr herausragend guter Ruf als international beachtete Qualitätszeitung hat sich die seit 1780 ununterbrochen erscheinende Zeitung vor allem auch mit ihrer Auslandsberichterstattung erworben. Seit 1870 gibt es in Deutschland erstklassige "NZZ"-Korrespondenten. Frage an Chefredakteur Markus Spillmann, ob diese nun zur Disposition stehen.

    "Ganz klar nicht! Deutschland ist mit Sicherheit unser wichtigster Referenzpunkt, nicht nur als Zeitung im Sinne der Berichterstattung, weil wir auch in Deutschland einen großen Teil unserer internationalen Auflage absetzen, sondern auch aus Sicht der Schweiz. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner, der wichtigste Partner in Europa. Gemessen an diesem Gewicht wäre das so, also ob wir auf die Amerika-Berichterstattung verzichten würden. Das können und werden wir uns nicht leisten. Aber ganz generell gilt: Das Korrespondentennetz der 'NZZ' ist nicht auf dem Prüfstand. Was wir überprüfen müssen, das ist, dass wir in einzelnen Regionen allenfalls eine Veränderung vornehmen, dass wir generell auf die Kosten achten, das ist völlig klar, aber wir wollen den Anspruch der 'NZZ' nicht verändern, eine hervorragende, einzigartige Auslandsberichterstattung sicherzustellen. Und das unterscheidet uns ja von vielen anderen Zeitungen ähnlichen Zuschnitts, letztlich nicht nur die großen Länder abbildet, sondern eben auch Regionen abbildet, über die man nur dann redet, wenn ein Erdbeben geschieht oder ein Militärputsch durchgeführt wird."

    In der Schweizer Medienszene wird davon gesprochen, dass die rund 160 Mitarbeiter umfassende "NZZ"-Redaktion reduziert wird, doch erst im kommenden Herbst würden die Einzelheiten bekannt. Die "NZZ" präsentiert sich weiterhin selbstbewusst und qualitativ hochwertig der Leserschaft und ihren Anzeigenkunden und trotz den Entwicklungen im elektronischen Bereich setzt man auf das Papierprodukt Zeitung, das man frühmorgens im Briefkasten findet. Chefredakteur Markus Spillmann:

    "Umgerechnet kostet ein Exemplar einer 'NZZ' auf Züricher Verhältnisse umgerechnet weniger als eine Tasse Kaffee, und das sollte einem ja irgendwo ein bisschen zu denken geben, also wie viel bin ich eigentlich bereit, für diese Form von Information zu bezahlen."