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Schweizer Zeitung "Le Matin"
Schluss mit Print

"Le Matin" macht Schluss - die französischsprachige Schweizer Boulevardzeitung stellt ihre gedruckte Ausgabe ein. Das Blatt habe seit 20 Jahren Verluste gemacht, so der Herausgeber. Die Zukunft der Zeitung sieht der Verlag im Netz - ob die Leser "Le Matin" dahin folgen, ist allerdings fraglich.

23.07.2018
    Eine gedruckte Ausgabe der Schweizer Zeitung "Le Matin" hängt neben anderen Zeitungen in einem Kiosk.
    Ein Anblick, den es in Zukunft nicht mehr geben wird: Eine gedruckte Ausgabe der Schweizer Zeitung "Le Matin" am Kiosk. (Yannik Orto / ARD Genf)
    Viel Sport, Klatsch und Themen, die von traditionellen Zeitungen eher stiefmütterlich behandelt werden. Mit rund zweihunderttausend Lesern ist das Boulevardblatt "Le Matin" eine der meistgelesen Zeitungen der Westschweiz. Doch seit Jahren gehen Verkäufe und Auflage zurück. Allein im letzten Jahr sorgte "Le Matin" für einen Verlust von umgerechnet mehr als 5 Millionen Euro. Der Verlag Tamedia reagiert und stellt nun die in der Herstellung teure Druckausgabe ein. Aber, so betont Verlagssprecher Patrick Matthey:
    "Die Marke stirbt nicht. Wir hätten 'Le Matin' sofort komplett einstellen können, aber das wollen wir nicht. Es ist nicht die Strategie von Tamedia und des Herausgebers. Wir haben den Willen, die Marke langfristig zu erhalten."
    Mit "Le Matin" verschwindet ein Symbol der Einheit der Romandie
    Online soll es weitergehen mit "Le Matin". Dennoch, die überwiegend älteren Leser, die bislang vor allem zu den in Cafés und Bistros kostenlos ausliegenden Exemplaren griffen, können die Entscheidung des Verlags nicht verstehen:
    "Ich frage mich: Warum?"
    "Ich lese 'Le Matin' mit Freude, wenn ich zum Beispiel im Restaurant auf jemanden Warte."
    "Die Zeitung fesselt uns im Café, zu Hause, bei Freunden, wir sind 'Le Matin' treu. Es ist eine Katastrophe."
    "Le Matin" ist die einzige Zeitung, die die komplette Romandie, die französischsprachige Westschweiz, abdeckt. Von der Einstellung der gedruckten Ausgabe geht ein medienpolitisches Signal für die ganze Region aus - kommentierte die sozialdemokratische Politikerin Nuria Gorrite im Schweizer Fernsehen:
    "Die Zeitung ist ein Symbol für den Erfolg der Romandie, sie formte über Jahre die Einheit der Region, und das verschwindet nun heute ein bisschen."
    Die Zeitung "Le Matin", die aus der 1893 gegründeten "Tribune de Lausanne" hervor ging, hat die gleichen Probleme wie viele Blätter in aller Welt. Vor allem jüngere Leser sind nicht dazu bereit, gedruckte Zeitungen zu kaufen. Sie lesen Nachrichten online. Und Boulevard-Themen bringt in der Schweiz die ebenfalls bei Tamedia erscheinende, landesweit kostenlos ausliegende Zeitung "20 Minuten". Diese Pendlerzeitung ist auch mit ihrer App überaus erfolgreich. Dass die bisherigen Leser von "Le Matin" dem Blatt ins Internet folgen, ist wenig wahrscheinlich, meint der Medienwissenschaftler Otfried Jarren von der Universität Zürich:
    40 Stellen werden gestrichen - 8 neue geschaffen
    "Ob das gelingt, da bin ich auch zweifelnd, denn das Publikum, das man dort erreicht, ist kein klassisches Online-Publikum. Das ist eher ein Publikum, das älter ist und das stärker auch männlich geprägt ist, das stärker noch an den klassischen Formen beispielsweise von gedruckter Presse festhält."
    Mit dem Ende der gedruckten Ausgabe von "Le Matin" werden auch mehr als 40 Stellen gestrichen. Doch der Tamedia-Verlag verteidigt sich. Man betreibe nicht nur Kahlschlag, sagt Marcel Kohler, der Leiter der Pendlermedien bei Tamedia.
    "Da werden Stellen wegfallen. Das will ich nicht in Abrede stellen, aber die Unternehmensleitung von Tamedia hat acht neue Stellen in anderen Bereichen für die Publizistik genehmigt. Also es geht nicht nur in eine Richtung. Es geht in beide Richtungen."
    Die Mitarbeiter von "Le Matin" traten zunächst in einen Streik und forderten die Rücknahme der Kündigungen. Derzeit läuft noch immer ein Mediationsverfahren, doch egal, wie das ausgeht: am Verlagsbeschluss, die Druckausgabe einzustellen, dürfte das wohl nichts ändern.