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"Schwer angeknackst"

Eine der größten Rückrufaktionen nennt Franz Rother von der "Wirtschaftswoche" den Aufruf von Toyota, acht seiner Modelle zur Überprüfung in die Werkstatt zu bringen. Das Problem mit dem Gaspedal sei möglicherweise ein "komplizierter Fall", so Rother.

Franz Rother im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: "Nichts ist unmöglich" lautet der deutsche Werbespruch des japanischen Autobauers Toyota. Das Unternehmen glänzte jahrelang durch äußerst erfolgreiche und auch zuverlässig gebaute Autos, aber jetzt gerät der Mythos Toyota ins Wanken. Das Unternehmen muss – auch das ist nicht unmöglich – eine der größten Rückrufaktionen der letzten Jahre starten: erst in den USA, jetzt auch bei uns in Europa. Knapp zwei Millionen Autos müssen noch mal in die Werkstatt. Am Telefon kann ich jetzt mit dem Kollegen Franz Rother sprechen. Er leitet das Ressort Technik und Wissen bei der "Wirtschaftswoche". Schönen guten Morgen, Herr Rother!

    Franz Rother: Ja, schönen guten Morgen!

    Armbrüster: Das Desaster von Toyota in den USA, das ist ja schon ein paar Tage her – warum hat es so lange gedauert, bis die Autos auch hier bei uns noch mal unter die Lupe genommen werden?

    Rother: Weil es hier zum einen noch keine Unfälle gab und zum Zweiten die in USA angebotenen Modelle nicht unbedingt identisch sind mit den hier in Europa angebotenen. Man hat allerdings dann doch festgestellt – gestern zumindest auch hier für den deutschen Markt –, dass etliche Fahrzeuge zurückgeholt werden müssen, insgesamt acht Modelle. Und die Problematik ist nicht ganz einfach. Man dachte ursprünglich, es läge an einer kleinen Rückholfeder, die das Gaspedal zurückdrückt, wenn man mal Gas gegeben hat und dann wieder die Geschwindigkeit reduzieren möchte, inzwischen scheint es aber weitaus komplizierter zu sein. Es geht um Plastikteile, die vielleicht nicht richtig harmonieren, Materialien nicht zusammenarbeiten, vielleicht ist es auch ein Elektronikproblem – es ist ein komplizierter Fall auf jeden Fall, und der wird die Toyota-Mechaniker noch eine Weile beschäftigen.

    Armbrüster: Das heißt, die wissen selber noch nicht ganz genau, was eigentlich kaputt ist?

    Rother: Nein. Also ich habe gestern mit verschiedenen Technikern gesprochen, die erwarten jetzt die Fahrzeuge von den Kunden zurück in den Werkstätten und wollen sich genau ansehen, woran es liegt, liegen könnte. Vielleicht, sagte einer, reicht es, ein bisschen Silikon einzuspritzen. Vielleicht, sagt mir ein Techniker, müsste man aber auch ein Update für die Software einspielen, damit das funktioniert. In USA hat man festgestellt, dass diese Defekte bei Geschwindigkeiten um die 80 Stundenkilometer auftreten, aber es kann auch bei niedrigeren Geschwindigkeiten passieren. Also insofern, das Bild ist noch ein wenig diffus.

    Armbrüster: Wir reden hier grundsätzlich um das Umfeld des Gaspedals. Wenn man sich das anguckt, woher kommen denn die Zulieferer für diese Teile?

    Rother: Ja, der Zulieferer für dieses Teil sitzt in Amerika, produziert in Mexiko, produziert in Tschechei, er produziert in Schottland, die sind inzwischen weltweit aufgestellt, produzieren allerdings nach den Vorgaben des Automobilherstellers. Und der Zulieferer wehrt sich natürlich auch und sagt, also wir können es gar nicht gewesen sein, wir haben das bei uns festgestellt, die Teile, die jetzt beanstandet werden, die liefern wir ja noch gar nicht so lange. Die vermuten, dass es eher ein Konstruktionsfehler ist.

    Armbrüster: Also ein Fehler, den dann Toyota gemacht hat ...

    Rother: Richtig.

    Armbrüster: ... beim Zusammenbauen?

    Rother: Ja, so versucht man natürlich die Schuld abzuschieben und sagt: Liebe Leute, ihr habt euch die Gedanken machen müssen. Es ist jetzt nicht konstruktions-, produktionsbedingt.

    Armbrüster: Kann es denn sein, dass wenn dieser Zulieferer so weltweit tätig ist, dass auch andere Autohersteller betroffen sind?

    Rother: Ja. Der produziert auch für Nissan, für Mazda, für andere Autohersteller. Die Konstruktionen sind allerdings auch unterschiedlich. Es kann beispielsweise auch mit der Sensorik zusammenhängen. Früher bei meinem alten VW-Käfer wurde das Gaspedal sozusagen über einen Drahtzug zum Motor gelenkt, inzwischen arbeitet dort eine Elektronik. Das heißt, hinter dem Gaspedal sitzt eine elektrische Leitung, die die Gasbefehle sozusagen auf den Motor übertragen. Und insofern gibt es da große Unterschiede. Je nachdem, wo man den Sensor positioniert hat, kann das unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Natürlich werden ja auch die anderen Automobilhersteller jetzt sorgsam schauen: Beliefern die uns, könnten wir das gleiche Problem bekommen.

    Armbrüster: Wir sprechen jetzt über 1,8 Millionen Toyotas, die noch mal in die Werkstatt müssen – ist das die größte Rückrufaktion, die Ihnen bekannt ist?

    Rother: Also wenn man die amerikanischen Zahlen mit hinzunimmt, ist es sicherlich die allergrößte Aktion. Allerdings, man muss auch sehen, jedes Jahr werden allein in Deutschland über eine Million Autos wegen Mängeln zurückgerufen, die Produktsicherung gibt das halt so vor. Und man sorgt sich natürlich, dass dort größere Schäden auftreten. Also heute Morgen wurde dann bekannt beispielsweise, dass Honda Fahrzeuge zurückruft, im abgelaufenen Jahr waren fast alle Produkte, also fast alle Hersteller betroffen von Rückrufaktionen größerer und kleinerer Art. Aber in der Tat, ist diese Toyota-Aktion die bislang größte, die ich kennengelernt habe. Hierzulande in Deutschland erinnern wir uns noch an die bislang größte, das war der berühmte Elchtest mit der Mercedes-A-Klasse, das hat damals für einigen Wirbel gesorgt, aber die Aktion war, weil das Modell gerade erst auf den Markt gekommen war, natürlich etwas kleiner.

    Armbrüster: Lässt sich denn, Herr Rother, schon irgendetwas sagen zum wirtschaftlichen Schaden bei Toyota durch diese Rückrufaktion?

    Rother: Ja, der Schaden ist immens natürlich. In den USA sind Werke angehalten worden, das Vertrauen ist geschwunden, vor Ort amerikanische Autohersteller – Chrysler, Ford – bieten Toyota-Besitzern in den USA inzwischen Prämien von 1000 Dollar an: Bringt uns euern Toyota und ihr kriegt ein anderes Produkt dafür! Toyota baut halt auf dem Prinzip Sicherheit und beste Qualität zu niedrigsten Kosten, und diese Stützen sind natürlich jetzt schwer angeknackst. Die Konsequenzen wird man erst in ein paar Jahren beurteilen können. Es gab Mitte 80er-Jahre einen ähnlichen Fall mit Audi in den USA, "unintended acceleration" hieß das damals – das Auto bewegte sich also, ohne dass man Gas gab. Damals ist Audi fast vom amerikanischen Markt komplett verschwunden.

    Armbrüster: Franz Rother war das, Ressortchef Technik und Wissen bei der "Wirtschaftswoche" zur jüngsten Rückrufaktion bei Toyota in den USA und hier bei uns in Europa. Vielen Dank, Herr Rother, für das Gespräch!

    Rother: Gerne!