Archiv


Schwerer Start für NERIT

Nachdem die griechische Regierung den staatlichen Rundfunk handstreichartig geschlossen hat, baut sie nun eine neue Rundfunkanstalt auf. Diese soll unabhängiger vom Staat und den Parteien sein. Doch die Probleme, die mit der ERT-Schließung einhergingen, sind noch lange nicht überwunden.

Von Eleni Klotsikas |
    Es sendet wieder, das staatliche Fernsehen Griechenlands, täglich eine zweistündige Morgensendung und Hauptnachrichten. Und seit Anfang des Monats gibt es auch wieder ein öffentliches Radioprogramm. "Dimosia Thleorash kai Radiofono", also öffentliches Fernsehen und Radio, werden die Sender provisorisch genannt. Bisher handelt es sich um Übergangsprogramme, bis in einem Monat die NERIT, die neue staatliche Rundfunkanstalt entstehen soll. Mit ihrem Aufbau ist Pantelis Kapsis beauftragt, früher Journalist, jetzt einberufener Minister für den öffentlichen Rundfunk:

    "Der große Unterschied zu ERT wird sein, dass die neue öffentlich-rechtliche Anstalt auf einem Gesetz fußt, das die Unabhängigkeit des Rundfunks garantiert, der sich selbst verwaltet. Das ist also eine großartige Chance, wenn auch die Mitarbeiter der neuen Organisation diese Idee umarmen, dann werden wir tatsächlich einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben."

    Neben dem neuen Rundfunkgesetz soll auch die Organisationsstruktur für Unabhängigkeit sorgen. Nach dem BBC-Modell soll ein Aufsichtsrat für sechs Jahre ein Direktorengremium wählen. Keine Regierung soll daran etwas ändern dürfen, so der erklärte Plan. Üblich war es, dass bei Regierungswechseln die Parteien auch das Spitzenpersonal auswechselten, zuletzt auch die Regierung von Samaras. Die alten Mitarbeiter blieben, hatten jedoch keine Funktion mehr. Und so wuchs die Zahl der Mitarbeiter auf 2600 an. Sie mussten Rundfunk im Dienste des Staates machen, kritisiert Pantelis Kapsis:

    "Minister waren es einfach gewohnt, zum Hörer zu greifen und sich über die Berichterstattung zu beschweren und zu verlangen, dass positiv über sie berichtet wird. Ebenfalls war es sehr üblich, dass die Parteien, die in der Regierung saßen, ihre Leute dort platzierten. All das schuf ein sehr negatives Klima, denn der Bezugspunkt der Journalisten war nicht ihre eigene Leitung, sondern die Parteien und ihre Vertreter."

    Bei der neuen Rundfunkanstalt werden nur halb so viele Mitarbeiter eingestellt, die meisten von ihnen mit befristeten Verträgen. Die Bewerbungsphase läuft. Es dürfen sich auch Journalisten bewerben, die früher nicht der ERT angehörten. Doch alles ist noch provisorisch und überzeugt bisher wenig. Denn der jetzige Aufsichtrat wurde übergangsweise für ein Jahr gewählt - und zwar von der Regierung. Erst in einem Jahr, wenn die neue Rundfunkanstalt mit dem Namen NERIT längst gegründet ist, soll er durch ein Beratungsunternehmen und ein Universitätsinstitut neu gewählt werden. Das Management soll dann von diesem unabhängigen Gremium ebenfalls neu gewählt werden. Dass im Anfangsstadium doch wieder die Regierung dazwischen geschaltet wurde, stößt bei griechischen Medienjournalisten wie Christos Xanthakis von der Zeitung "Eletherotipia" auf Skepsis. Vertrauensbildend war auch nicht die Art und Weise, wie die Vorgängeranstalt ERT quasi über Nacht geschlossen wurde, sagt er:

    "Die Menschen haben kein Vertrauen in die neue öffentliche Rundfunkorganisation und ignorieren die neuen Programme. Dazu kommt, dass die Oppositionsparteien, Syriza, die kommunistische Partei und auch die kleine Linkspartei den neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk boykottieren und zu Interview-Schaltungen und Gesprächen nicht zur Verfügung stehen. Das hat zur Folge, dass ein großer Teil der Bevölkerung sagt, dieses neue Ding repräsentiert uns einfach nicht."

    Und dann gibt es noch einen weiteren Störfaktor: Eine Vielzahl ehemaliger gewerkschaftlich organisierter ERT-Mitarbeiter hält das Hauptgebäude im Athener Stadtteil Agia Paraskevi immer noch besetzt und sendet von dort aus über das Internet weiterhin ein eigenes Kampfprogramm.

    Die ehemaligen ERT-Mitarbeiter leben noch von ihrer Abfindung von 15.000 Euro. Die Regierung versucht, einen blutigen Zusammenstoß mit der Polizei zu vermeiden und hofft, dass sie irgendwann aufgeben. Doch danach sieht es bisher nicht aus.

    Und so müssen die Mitarbeiter der provisorischen Übergangsanstalt auf ein anderes Gebäude der ehemaligen ERT ausweichen und von dort produzieren. Das Vorhaben, eine neue unabhängige Rundfunkanstalt zu gründen, die ein bei der Bevölkerung akzeptiertes Vollgramm sendet, gleicht somit bisher einem Wunschdenken der Regierung.