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Schwerpunktthema: 80 Jahre "Tag der Arbeit"

Ausgerechnet die Nationalsozialisten erfüllten am 1.Mai 1933 die alte Forderung der Arbeiterbewegung, diesen Tag zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Am nächsten Morgen wurden die Gewerkschaften zerschlagen und ihre Mitglieder in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) überführt.

Von Regina Kusch und Andreas Beckmann | 25.04.2013
    Meterhohe Hakenkreuzfahnen wehen über dem Tempelhofer Feld in Berlin. Kolonnen von Braunhemden marschieren zum Kundgebungsplatz am 1. Mai 1933. Ausgerechnet die Nationalsozialisten haben die alte Forderung der Arbeiterbewegung erfüllt und diesen Tag zum gesetzlichen Feiertag ausgerufen.

    Christoph Kreutzmüller:
    "Eigentlich ist das doch ein ziemlich geschickter Public-Relation-Gag. Wir tun was für euch, wir nehmen euch ernst, NSDAP, Arbeiterpartei."

    Der Historiker Christoph Kreutzmüller, der am Haus der Wannseekonferenz Seminare zur Gewerkschaftsgeschichte veranstaltet, hat für sein kürzlich erschienenes Buch "Berlin 1933 – 1945" den Ablauf des 1. Mai 1933 rekonstruiert.

    Christoph Kreutzmüller:

    "Die Reaktionen sind schwer zu messen, weil das Regime stark genug war, um un-erwünschte Stimme herauszufiltern. Aber wir wollen auch nicht vergessen, dass genug Leute da waren, die dann auch laut genug Heil Hitler gerufen haben."

    Hunderttausende waren an diesem Morgen zur Kundgebung der Nationalsozialisten auf das Tempelhofer Feld geströmt, nicht zuletzt, weil die noch existierenden freien Gewerk-schaften sie dazu aufgefordert hatten. Trotzdem war sich der Hauptredner, Adolf Hitler, noch keineswegs sicher, ob es gelingen würde, die Arbeiterschaft in die von ihm ausgeru-fene deutsche Volksgemeinschaft zu integrieren.

    Adolf Hitler:
    "Das ist der Sinn des 1. Mai, der von nun ab durch die Jahrhunderte hindurch in Deutschland gefeiert werden soll, und so haben wir als Motto dieses Tages gewählt: "Ehret die Arbeit und achtet den Arbeiter" (Bravo). Wir haben den unerschütterlichen Entschluss, die deutschen Menschen wieder zueinander zu führen und wenn sie nicht wollen, sie zueinander zu zwingen."
    Christoph Kreutzmüller:
    "Tja, und am nächsten Tag werden die Gewerkschaften verboten."

    Als SA-Trupps am 2. Mai massenhaft die Zweigstellen des Allgemeinen Deutschen Ge-werkschaftsbundes ADGB stürmten, war das der Höhepunkt des Terrors gegen die Arbei-terbewegung. Angefangen hatte er mit Hitlers Machtantritt. Seitdem hatten Mitglieder der bis dahin fast unbekannten nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation NSBO in 160 Städten Gewerkschaftsbüros verwüstet und Funktionäre verprügelt.
    Mit brutaler Gewalt schalteten die Nazis so die Gewerkschaften und die ihnen naheste-henden Parteien SPD und KPD aus. Gleichzeitig aber versprachen sie den seit der Welt-wirtschaftskrise durch Lohnkürzungen und Massenarbeitslosigkeit demoralisierten Arbei-tern, ihre Würde wieder herzustellen – im Rahmen eines, wie sie es nannten, nationalen Sozialismus.

    Götz Aly:
    "Die Nationalsozialistische Partei war die erste Volkspartei, die es in Deutschland über-haupt gegeben hat. Hitler hat gesagt, wir sind für alle da. Wir sind klassenneutral, aber wir sind für die unteren Schichten durchaus, sie müssen sich nämlich emanzipieren kön-nen, das ist unser Ziel, und es muss der Standesdünkel innerhalb dieses edlen arischen Volks, das alle umschließt, soweit sie nicht erbkrank oder jüdisch sind, abgebaut werden."

    Der Berliner Historiker Götz Aly hat in seiner Untersuchung "Hitlers Volksstaat" diese Integrationspolitik der Nationalsozialisten analysiert und festgestellt, dass sie den Arbeitern durchaus mehr zu bieten hatten als schmeichelhafte Reden über deren Bedeutung für die deutsche Volksgemeinschaft.

    Götz Aly:
    "Zum Beispiel die Kündigungsschutz-Gesetze, die wir heute noch haben und die rela-tiv hart sind jedenfalls für Arbeitgeber, die haben wir eben nicht aus der Weimarer Republik, die haben wir von Hitler. Genau dasselbe gilt übrigens für die Mieterschutz-Gesetze und das sind Maßnahmen gewesen, die den Widerstand in der Arbeiterschaft zumindest neutralisiert haben."

    Jetzt glaubten viele Arbeiter, im nationalsozialistischen Staat wieder einen starken Partner an ihrer Seite zu haben.

    Noch im Frühjahr 1933 verkündete das Regime zudem ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die damals enorme Summe von einer Milliarde Reichsmark. Heimlich lieh es sich bei der Reichsbank jedes Jahr drei bis vier Milliarden, um die Rüstungsproduktion anzukur-beln. Das bescherte der deutschen Wirtschaft ab 1934 einen kräftigen Wachstumsschub.

    Rüdiger Hachtmann:
    "Wichtig ist natürlich, dass die Massenerwerbslosigkeit, die Ende 1932 offiziell bei 6 Millionen Arbeitslosen gelegen hat, faktisch bei über 7 Millionen, dass diese Arbeitslosigkeit relativ schnell beseitigt werden konnte. In den Branchen und für die Arbeitskräfte, die besonders nachgefragt gewesen sind, stiegen auch die Effektivverdienste, die Bruttowochenverdienste etwa ab 1934/35 deutlich an."

    Rüdiger Hachtmann untersucht am Zentrum für Zeithistorische Forschung ZZF in Pots-dam die Geschichte der Deutschen Arbeitsfront, DAF. Das ist jene Organisation, die die Nationalsozialisten am 2. Mai 1933 als Ersatz für die aufgelösten Gewerkschaften ins Leben riefen.

    Dass er ausgerechnet unter der DAF mehr Geld in die Lohntüte bekommen würde, konnte sich damals kaum ein Arbeiter vorstellen. Schließlich hatte die Deutsche Arbeitsfront schon in den ersten Tagen ihres Bestehens Streiks ein für alle Mal verboten und sämtliche Tarifverträge abgeschafft. Stattdessen setzte sie sogenannte "Treuhänder der Arbeit" ein, die fortan die Löhne bestimmten und sie dauerhaft auf dem niedrigen Niveau einfroren, auf das sie in der Weltwirtschaftskrise gesunken waren.

    Als aber die Konjunktur anzog, wurden Überstunden fällig und damit auch Zuschläge. Bald waren Arbeitskräfte so knapp, dass viele Firmen ihren Beschäftigen Leistungsprämien zahlten, damit sie nicht woanders hin wechselten. Auch Industrie-Unternehmen stellten vermehrt Frauen ein. So verfügten immer mehr Arbeiter-Haushalte über ein doppeltes Einkommen.

    Gleichzeitig blieben die Lebenshaltungskosten weitgehend stabil. Dafür sorgte nicht zuletzt die Deutsche Arbeitsfront, die ein riesiges Wirtschaftsimperium besaß, über das Rüdiger Hachtmann kürzlich ein Buch vorgelegt hat:

    "Die meisten Unternehmen, die der DAF gehörten, hat die Deutsche Arbeitsfront von den Gewerkschaften übernommen, nachdem die Gewerkschaften Anfang Mai zerschlagen worden sind. Dazu gehörten Wohnungsgesellschaften, Baugenossenschaften, es gehörten eine ganze Reihe von Verlagen dazu, es gehörten die Konsumgütergenossenschaften dazu, die damals einen sehr hohen Anteil am Einzel-handel gehabt haben."

    Die Verbrauchergenossenschaften dämpften den Anstieg der Lebensmittelpreise, die Wohnungsbaugesellschaften sicherten niedrige Mieten, die "Bank der Deutschen Arbeit" bot Kredite zu moderaten Zinsen an. Bei Versicherungen wie dem Deutschen Ring oder der Volksfürsorge, die ebenfalls der DAF gehören, schlossen Millionen Arbeitnehmer zu günstigen Konditionen eine zusätzliche Altersversicherung ab.

    Daneben gründete die Deutsche Arbeitsfront dann auch noch das Freizeitwerk "Kraft durch Freude". Es ermöglichte vielen Arbeitern die erste Urlaubsreise ihres Lebens, auch wenn die oft nicht mal eine Woche dauerte.

    Ende der 30er, Anfang der 40er organisierte die DAF quasi eine allumfassende Betreuung für ihre Mitglieder. Und Mitglied waren praktisch alle als arisch eingestuften Deutschen, die einem Betrieb angehörten, ob als Arbeiter, Angestellter oder Unternehmer.

    Damit war die Deutsche Arbeitsfront nicht nur die zahlenmäßig stärkste Vereinigung des NS-Staates. Indem sie Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenschloss, stellte sie einen historisch einzigartigen Organisationstyp dar, erklärt Christoph Kreutzmüller vom Haus der Wannseekonferenz.

    Christoph Kreutzmüller:
    "Die Deutsche Arbeitsfront hat ja auf eine Art und Weise gar kein richtiges Ziel. Also warum sie besteht, muss sie sich ja selbst vergewissern."

    Robert Ley:
    "Es gilt von heute ab, den deutschen Arbeiter in seiner Gesamtheit zu gewinnen … aus dem Arbeiter jenen Herrenmenschen zu züchten, der er zum Wohle unseres Volkes sein muss."

    Robert Ley wird von Hitler zum Führer der Deutschen Arbeitsfront ernannt. Er ist seit 1924 Mitglied der NSDAP und glühender Antisemit. Aber bevor er daran gehen kann, die deut-schen Arbeiter zum Kampf gegen das angebliche Weltjudentum zu mobilisieren, muss er gerade den überzeugten Nationalsozialisten unter ihnen ein paar revolutionäre Flausen austreiben.

    Denn einige Nationalsozialistische Betriebszellenorganisationen schlagen im Frühjahr 1933 über die Stränge. Vielerorts besetzen sie Unternehmen und verlangen Arbeitsplätze für ihre Mitglieder. In Duisburg etwa erzwingen sie die Wiederinbetriebnahme einer stillgelegten, unrentablen Zeche. Das treibt ihnen gerade unter jungen Arbeitslosen viele Sympathisanten zu.

    Aber Hitler will keine Unruhen in den Betrieben. Die Deutsche Arbeitsfront kanalisiert den Elan der radikalen Arbeiter deshalb bald auf jüdische Unternehmen.

    Christoph Kreutzmüller:
    "Von Anbeginn an, versucht sie die Angestellten, Arbeiter in den jüdischen Betrieben gegen die Betriebs-Leitungen aufzustacheln und setzt die Betriebsleitungen ab, selbst wenn es Inhaber sind, setzt sich selbst, eigene Kader als Treuhänder ein, um jüdische Eigentümer, Geschäftsführer zu vertreiben."

    Auch das geht der Nazi-Führung aber schnell zu weit, weil die Produktion nach solchen wilden Enteignungen meist stillsteht. Also beschließt Robert Ley im September 1933 eine Säuberung an der Spitze der NSBO. Ihr Führer Reinhold Muchow kommt unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben. Andere Aktivisten werden ausgeschlossen.

    Das heißt nicht, dass die Deutsche Arbeitsfront ihr Interesse verloren hätte, jüdische Unternehmen auszuschalten oder zu übernehmen. Aber die "Arisierung", wie die Nazis diesen Prozess nannten, sollte geordnet ablaufen, erklärt Christoph Kreutzmüller.

    Christoph Kreutzmüller:
    "Ab 33/34 versorgt die Deutsche Arbeitsfront dann den "Stürmer" immer wieder mit Berichten aus jüdischen Betrieben. z.B. Kundenlisten. Und diese Kundenlisten werden dann auch gedruckt, mit Adressen, sodass dann die Kunden von jüdischen Betrieben unter Umständen Gefahr laufen, vom "Stürmer" genannt zu werden als jemand, der immer noch bei jüdischen Unternehmen kauft und das natürlich einen großer Druck auf die Kunden ausübt und teilweise zum Abbruch von Geschäftsbeziehungen auch führt."

    Wenn die jüdischen Unternehmer dann in Schwierigkeiten geraten, müssen sie ihre Ge-schäfte veräußern, und zwar weit unter Wert. Häufig stellt die "Bank der Deutschen Arbeit" die Kredite zur Verfügung, die die Aufkäufer benötigen. Manchmal verleibt sich die Deutsche Arbeitsfront den Betrieb auch selbst ein.


    So entsteht durch den Raub gewerkschaftlichen und jüdischen Vermögens jenes Firmen-Imperium der DAF, das die volksdeutschen Arbeitnehmer so gut versorgt.

    Ab Mitte der 30er-Jahre kann sich Hitler wenn nicht der Zustimmung, so doch der still-schweigenden Duldung der großen Mehrheit der Arbeiter für seinen nationalen Sozialis-mus sicher sein. Am 1. Mai 1939 kann er es sich sogar erlauben, ihnen für die nahe Zukunft Zumutungen anzukündigen.

    Adolf Hitler:
    "Es ist also ein wirklicher Sozialismus überhaupt nur denkbar durch eine Steigerung der Produktion. Das ist unser Stolz und unser Ehrgeiz."

    Die Steigerung der Produktion dient immer weniger der Verbesserung des Lebensstan-dards als der Rüstungsproduktion. 1943 wird die Arbeitszeit mit Zustimmung der DAF auf bis zu 14 Stunden am Tag verlängert. Überstunden werden kaum noch bezahlt, weil die Treuhänder der Arbeit Lohnobergrenzen eingeführt haben.

    Fast alle Arbeiter müssen jetzt an die Front. Über die anderen mehren sich zwar ab 1941 Berichte von Bummelei, aber selbst die Gestapo kommt zu dem Schluss, der Grund sei meist Erschöpfung und nicht etwa Widerstand. Dass die meisten klaglos weiter schuften, erklärt Rüdiger Hachtmann auch damit, dass sich ihnen ungeahnte Aufstiegschancen eröffnen, seit immer mehr Zwangsarbeiter an die Werkbänke kommen.

    Rüdiger Hachtmann:
    "Man kann feststellen, dass die deutschen Arbeitskräfte aufgewertet wurden und dass sie in der betrieblichen Hierarchie automatisch nach oben rückten. Ganz generell würde ich sagen, dass Ressentiments gegenüber Ausländern durch diese Veränderung der be-trieblichen Hierarchien massiv forciert wurden und interessant ist, dass allem Anschein nach ältere Arbeitnehmer, sich offensichtlich weniger fremdenfeindlich verhalten haben als jüngere Arbeitskräfte."

    Während sich manch Älterer noch an das Ideal der internationalen Solidarität erinnert, haben viele Jüngere offenbar die Herrenmenschen-Ideologie der Nazis verinnerlicht.

    Sie stört es nicht, dass für die Zwangsarbeiter Hungerlöhne festgesetzt wurden, die fak-tisch oft in die Kassen der SS flossen, die als Arbeitsvermittler fungiert. Sie sind vielleicht sogar froh, dass den Zwangsarbeitern zudem der doppelte Satz an Sozialabgaben abgezo-gen wird, damit deutsche Arbeiter nicht für die nun sprunghaft steigenden Ausgaben der Rentenversicherung zahlen müssen.

    Überhaupt, betont Götz Aly, sorgte das Regime dafür, dass die Belastungen für deutsche Arbeiter nicht stiegen:

    "Niemals sind die Steuern für die einfachen Leute erhöht worden im Dritten Reich, niemals, zu keinem Zeitpunkt. Trotz der enormen Kriegslasten. Für die Unternehmer kontinuierlich. Die Propaganda war immer die gleiche, starke Schultern müssen mehr tragen als Schwache, und das wurde sehr, sehr laut gesagt."

    So verbreitete das Regime den Eindruck, im nationalen Sozialismus seien die Lasten ge-recht verteilt.

    Am Ende blieb von allen sozialen Errungenschaften trotzdem nichts übrig. Nicht nur, weil Millionen Arbeiter im Krieg getötet oder verstümmelt wurden. Ihre Löhne waren gegen Kriegsende kaum mehr etwas wert, weil es fast nichts mehr zu kaufen gab. Ihre Spargut-haben und Rentenansprüche lösten sich ebenso in Luft auf wie Millionen Arbeitsplätze in den zerbombten Fabriken.

    Deshalb, unterstreicht Götz Aly, wäre es Geschichtsklitterung, wollte man Adolf Hitler als guten Sozialpolitiker bezeichnen.

    Götz Aly:
    "Ein politischer Führer, der am Ende das ganze Land zerstört und nicht nur dieses Land, sondern ganz Europa, der betreibt keine gute soziale Politik. Nur: die Leute, die im Moment leben, die 1938 auf Hitler gucken oder auch 1941, die sagen: Wie verhält er sich gegenüber Schwachen in der Gesellschaft? Die hatten Grund zu sagen, na, das ist nicht schlecht."

    Robert Ley wurde 1945 in Nürnberg als Hauptkriegsverbrecher angeklagt und entzog sich durch Selbstmord seinem Urteil. Die Deutsche Arbeitsfront lösten die Alliierten auf und übergaben ihr Vermögen an die in den Besatzungszonen neu entstehenden Gewerk-schaftsbünde DGB und FDGB.

    Die DAF geriet in Vergessenheit, auch in der Forschung. Eine einzige Biografie von Robert Ley gibt es, vor 25 Jahren verfasst vom US-Historiker Ronald Smelser. Der Beitrag der So-zialpolitik zur Stabilität des NS-Regimes wurde lange Zeit übersehen, beklagt nicht nur Götz Aly, sondern auch Christoph Kreutzmüller.

    "Von daher hat die Forschung die neue Fragen an Gesellschaftsgeschichte, die wir jetzt stellen – wie funktioniert das in einer Gesellschaft, in einem Betrieb? – noch gar nicht mitgemacht. Hinzu kommt, dass diese Deutsche Arbeitsfront auch lange nicht wahrgenommen wurde in ihrer Bedeutung, weil Leute, die Gewerkschaftsgeschichte geschrieben haben, gesagt haben, das ist ja gar keine richtige Gewerkschaft, und Leute, die Wirtschaftsgeschichte geschrieben haben, die wirklich nur am Rande gesehen haben, weil sie ja nicht den Kern von Firmengeschichte zu berühren schien. Insofern ist tatsächlich die Geschichte der Deutschen Arbeitsfront noch zu schreiben."

    Nach seinem Buch über das Wirtschaftsimperium der DAF arbeitet Rüdiger Hachtmann am ZZF in Potsdam jetzt an einer ersten Gesamtdarstellung ihrer Politik. Er will darin auch der Frage nachgehen, wie weit deren Ideologie auch nach 1945 noch wirksam blieb.

    Rüdiger Hachtmann:
    "Der Erwartungshorizont der breiten Arbeitnehmerschichten sowohl in der DDR wie in der BRD war natürlich sehr stark durchs Dritte Reich geprägt. So etwas wie KdF ist sozusa-gen ein positives Signum gewesen und nicht zuletzt der FDGB-Feriendienst hat sich da-ran auch orientieren müssen."

    Nicht nur das Betreuungsangebot des FDGB mit seinen Ferienplätzen ähnelte der DAF. Wie sie war auch er keine freie Gewerkschaft mit Streikrecht, sondern Teil einer von der Partei gelenkten Maschinerie zur Steuerung der Wirtschaft, die die Löhne und Arbeitsnor-men bestimmte.

    In der Bundesrepublik machten die Gewerkschaften von ihrem wieder erlangten Streikrecht nur sehr zurückhaltend Gebrauch. Lieber verständigten sie sich in informellen Gremien wie der "Konzertierten Aktion" mit den Unternehmern auf eine Politik der Sozialpartnerschaft. So erreichten sie im Wirtschaftswunder, was die DAF nur versprochen, aber nie eingelöst hatte: relativ konfliktfreie Arbeitsbeziehungen und – vor allem – langfristigen Wohlstand für alle.